9946 Börsenblatt s. 0. Dtschn. Buchhandel. Künftig erscheinende Bücher. 203. 2. September 1S10. Wir versandten soeben Rundschreiben über: Hermann Bahr: O Mensch! Ein neuer Roman von den, Verfasser des „Konzerts", und, um es gleich zu sagen, von der selben Rasse, demselben Humor und derselben Hintergründigkeit wie dieses erfolgreichste Lust spiel der letzten Jahre. In gewissem Sinne auch sich mit de», Stoff berührend: insofern als auch im Mittelpunkt des Romans ein Künstler steht. Dieses Mal ist's ein Kammersänger, einer, der, wenn er beim Kegeln alle Neune „scheibt", peroriert: „Soll der Herr Kollege, der immer glaubt, daß er auch den Hans Sachs singen kann, doch einmal herauskommen und mit scheiben! Da macht' sich's ja zeigen! Denn das, Kinder, gehört dazu! Mit dem Mäul singt bald einer! Aber den Hans Sachs singt man nicht mit dem Mäul, sondern, da muß eine deutsche Seele Mitschwingen! Aber woher nehmen, verehrter Herr Kollege?" Er, der Ignaz Fiechl, hat eine deutsche Seele, eine humoristisch-satirische deutsche Seele und eine wirkliche deutsche Seele. And um ihn herum gruppiert sich eine Menagerie der drolligsten, besondersten Gestalten: ein magischer „Nußmensch", fast noch ein Kind, der am Ende stirbt, ein Lofrat, natürlich, eine Gräfin, ebenso natürlich, ein Prinz, der ein Sänger werden möchte und sich sehr kränkt, wenn man ihn als Prinzen behandelt, die Maler Höfelind und Radauner aus der „Nahl", und vor allem Annelis, die Schwester des Kammersängers, ein guter, tapferer, starker, lebensfroher Mensch. And das findet sich zu einander und voneinander in einem diskreten, scheinbar kunstlosen Arrangement, das an Fontane erinnert; an einen öster reichischen Fontane, versteht sich; aber die Ähnlichkeit ist vorhanden und erstreckt sich nicht bloß aus die Komposition, auf die amüsante und legere Hand, mit der das alles hingeschrieben ist, sondern auch darauf, daß, wie Fontane immer seinen Hintergrund von preußischem Leben hat, so Bahr ebenfalls weiter als ins bloß Private greift und seine Figuren auf einen Hintergrund von politisch und künstlerisch bewußt erkanntem Österreichertum setzt. Gleichzeitig erscheint die vierte bis fünfte Auflage von Hermann Bahr: Die Rahl Der fesselnd geschriebene Roman ist der erste einer von Bahr angekündigten Serie von Ge- sellschastsromanen, in denen er die typischen Figuren der Menschheit darstellen will, wie sie in den Jahrtausenden seit der Menschheit Bestehen sich herausgebildet haben. Wir bekennen, daß Hermann Bahr es versteht, seinen Romanhelden ein leidenschaftliches Leben einzuhauchen. (Der Tag, Berlin) S. Fischer, Verlag, Berlin