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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.09.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1910-09-14
- Erscheinungsdatum
- 14.09.1910
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- Deutsch
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10446 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 213. 14. September 1S1V. größere Schrift, eine Biographie ihres verstorbenen Freundes Fernow, und zwar im Verlage von Cotta veröffentlicht hatte (1810). Seine nächste Schrift, die Abhandlung »über das Sehn und die erschien von der Mutter ein Band Novellen. Während diese aber wieder in dem Rudolstädter Verlage herauskamen, hatte Arthur Schopenhauer, der sich inzwischen mit seiner Mutter übrigens völlig entzweit hatte, sich einen anderen Verlag gesucht, und zwar wird es ihm, der als seinen größten Lehrer Kant anerkannte, vermutlich zur Genugtuung gereicht haben, daß er diese Schrift bei I o h a n n F r i e d r i ch H a r t k n o ch in Leipzig, bei dem auch die »Kritik der reinen Vernunft« seinerzeit erschienen war, anbringen konnte. Abermals nach drei Jahren, also 1819, trat dann Schopenhauer wieder mit einer Veröffentlichung hervor, und zwar mit seinem philosophischen Hauptwerk: »Die Welt als Wille und Vorstellung«, das in einer Auflage von 750 Exemplaren im Verlage von F. A. Brock Haus in Leipzig erschien. Die Beziehungen Schopenhauers zu Brockhaus verdienen nun von besonderem Interesse sind, und weil dieser Verlag in der Schopen hauer-Literatur nach Zahl wie Bedeutung der verlegten Schriften unter allen Verlagsfirmen an erster Stelle steht. Mit Recht hat daher Heinrich Eduard Brockhaus in seinem großen biographischen Werk über seinen Großvater Friedrich Arnold Brockhaus Arthur Schopenhauer einen größeren Abschnitt gewidmet, der uns hier natürlich für das Folgende vorwiegend als Quelle dienen wird. Das bei Brockhaus verlegte Hauptwerk Schopenhauers: »Die Welt als Wille und Vorstellung« war bekanntlich in dessen Dresdener Zeit entstanden. Dort war Schopenhauer mit einem Freiherrn von Biedenfeld bekannt geworden, der mit Friedrich Arnold Brockhaus in literarischer Verbindung stand und wohl Beiträge für das Konver sationslexikon geliefert hatte. Dieser Biedenfeld schrieb nun am 5. März 1818 an Brockhaus, ob er nicht den Artikel über Farbe und Farbenlehre im Konversationslexikon unter Schopenhauers Aufsicht umarbeiten lassen wolle, da Schopenhauers und Goethes Farbenlehre darin nicht Rechnung getragen sei. In demselben Briefe teilt er weiter mit, daß Schopenhauer, »dieser höchst interessante Kopf, welcher vielleicht an Denkkrast, ernstem Willen und Tiefe des Studiums von keinem Lebenden überboten wird«, ein umfassendes philosophisches Werk in Arbeit habe, das dem nächst zur Abgabe fertig sein werde. »Noch hat er keinen Verleger gesucht, macht auf großes Honorar keinen Anspruch, da er Vermögen hat, und wünscht einen großen Buchhändler zum Verleger. Wäre dies nicht ein Ihrer würdiges Unternehmen? Einige Zeilen an Schopenhauer würden Sie ohne Zweifel darüber ganz au ks.it setzen und zweifelsohne ein Werk Hervorbringen, welches Epoche machen, zerstören und mächtig auf bauen wird. Hiermit habe ich gethan, was Freundes Pflicht heischt — Sie müssen nun thun, was Erfahrung und Klugheit Ihnen rathen.« Mit Johanna Schopenhauer stand nun Brockhaus bereits in freund schaftlichen und auch — wohl erst seit kurzem — in literarischen Be ziehungen: Das in den Jahren 1813/1814 in Rudolstadt erschienene Reisewerk kam in zweiter Auflage 1818 im Brockhausschen Verlage heraus und ebenda im selben Jahre noch ein zweites Reisewerk ihrer Feder. Vielleicht geschahen auch schon damals zwischen Verfasserin und Verlag die vorbereitenden Schritte für die Veröffentlichung von Johannas berühmtestem Werk, dem dreibändigen Roman »Gabriele«, von dem der erste Teil 1819 — eben bei Brockhaus — erschien. Der Name »Schopenhauer« wird also bereits in der fraglichen Zeit (1818) einen gewissen Kredit beim Hause Brockhaus besessen haben, wenn auch nicht in dem Maße, wie etwa ein Jahrzehnt später, wo die vor genannten Werke Johannas inzwischen in neuen Auflagen heraus gebracht (1826) und andere, neue Schriften, wie die Romane »Die Tante« (1823) und »Sidonia« (1827), hinzugekommen waren. Arthur Schopenhauer war ja nun freilich, wie schon gesagt, mit seiner Mutter völlig zerfallen und hat möglicherweise von deren Beziehungen zu Brockhaus zu jener Zeit noch nichts gewußt; immerhin werden sie ihm für die erste Anknüpfung mit der Firma nicht ohne Nutzen gewesen sein, und jedenfalls antwortete Brockhaus (20. März 1818) dein Herrn von Biedenfeld, wenn auch ziemlich kühl, so doch zustimmend und erklärte sich gern bereit, mit vr. Schopenhauer, den er schon durch das Zeugnis mehrerer Freunde als einen ausgezeichneten Kopf kenne, in Verbindung zu treten. Übrigens hatte sich der Brockhaussche Verlag bereits im Jahre vorher (1817) einmal an Schopenhauer gewandt, wie man dies aus dem jetzt gleich näher zu besprechenden Briefe vom 28. März 1818 ersieht, und hatte Schopenhauer, wie gewiß viele andere Schriftsteller auch,^aufgefordert, gegen ein Honorar von zwei Louisdor für den Bogen Beiträge für das damals von der Firma neu gegründete und von dem Professor Wendt redigierte »Leipziger Kunstblatt, ins besondere für Theater und Musik«, zu liefern. Schopenhauer hatte damals offenbar gar nicht geantwortet, da er, wie er nun, in dem Briefe vom 28. März 1818, sagt, »nie an Zeitschriften arbeiten würde«. Die Antwort Brockhaus' an Biedenfeld, daß er gern mit Schopen Haller in Verbindung treten werde, veranlaßte diesen null, an Brock Haus zu schreiben. Es ist der soeben schon genannte Brief vom 28. März 1818, der nach seinem sonstigen Inhalt zu den bedeutsamsten Briefen gehört, die wir von Schopenhauer haben. Dieser verbreitet sich darin zunächst näher über Art und Wert seines Buches, wobei er es natürlich ablehnt, »dem Verleger gegenüber den Bescheidenen spielen zu wollen«, vielmehr rückhaltlos mit seinem ganzen, bekanntlich recht entwickelten Sclbstbewußtsein sich über sein Werk ausspricht. »Das Buch«, sagt er, »wird, meiner festen Überzeugung nach, eines von denen seyn, welche nachher die Quelle und der Anlaß von hundert andern Büchern werden.« . . . »Der Vortrag ist gleich fern von dem hochtönenden, leeren und sinnlosen Wortschwall der neuen sHegelschenj philosophischen Schule und vom breite,: platten*) Ge schwätze der Periode vor Kant: er ist im höchsten Grade deutlich, faßlich, dabei energisch, und ich darf wohl sage,» nicht ohne Schönheit: nur^wer ächte eigene Gedanken hat, hat ächten Stil. Der Wert, den ich auf meine Arbeit lege, ist sehr groß: denn ich betrachte sie als die ganze Frucht meines Daseyns.« . . . »Wollte ich demnach, gemäß dem Werthe, welchen ich auf mein Werk lege, meine Forderungen meines Erachtens, das Manuskript für den Verleger haben wird, die Forderungen machen wollte, würden sie schon stark sein. Allein auch dieses werde ich nicht, weil ich nicht verlangen kann, daß Sie alles Gesagte mir ganz auf mein Wort glauben, sondern Sie natürlich argwöhnen müssen, ich sei durch Eigenliebe bestochen. Dies annehmend bequeme ich mich von der Rücksicht auszugehen, daß mein Name noch sehr wenig bekannt ist, und daß ein philosophisches Werk, solange Er nennt dann seine Bedingungen: Fertigstellung des von ihm auf vierzig Bogen geschätzten Werkes zur Michaelismesse, guter Druck, gutes Papier, Allflage »allerhöchstens 800 Exemplare« und Verzicht des Verlegers auf alle Ansprüche auf eine zweite Allflage, ferner »das kaum nennenswerthe Honorar von einem Dukaten für den gedruckte» Bogen«, zahlbar bei Ablieferung des Manuskripts, da er sofort nach Abgabe dieses eine Reise nach Italien antreten wolle, die er nur dieses Werkes wegen bereits um zwei Jahre verschoben habe; die Ablieferung des Manuskripts sagte er für die ersten zwei Drittel zu Mitte Juli, für das letzte Drittel zu Anfang September zu. — Im weiteren Verlaus des Briefes sagt Schopenhauer dann noch, daß er s e l b st den Artikel zum Konversationslexikon nicht liefern wolle; hier müsse bei Herrn von Biedenfeld ein Irrtum bestanden haben: »-dergleichen Arbeit mache ich nie«. Höchstens werde er einen etwa von Herrn voll Biedenfeld verfaßten Artikel durchsetzen und berichtigen. Dann folgt der bereits oben vorweggenommene Passus, die Mitarbeit am »Kunstblatt« be treffend. — In seiner Antwort vom 31. März geht Brockhaus auf den ihm »schmeichelhaften« Antrag ein, findet Schopenhauers Forderungen »angemessen und billig«, und würde ihm übrigens auch »sehr verbunden« sein, wenn er Zeit und Lust hätte, die Konversationslexikons-Artikel über Farbe und Farbenlehre, die er beilegt, zu ergänzen und zu erweitern; kurz, das Verhältnis zwischen beiden ließ sich allem Anschein nach so an, ein ganz angenehmes zu werden. Doch der harmonischen Ouvertüre sollte alsbald eine schrille Disso nanz und damit zugleich das Finale folgen. Nachdem Schopenhauer noch am 3. April seiner Freude über Brockhaus' Zustimmung Ausdruck gegeben hatte (»Es ist mir recht lieb, daß Sie meinen Antrag angenommen haben und ich nunmehr des ferneren Sorgens dieserhalb überhoben bin«), wurde zunächst am 8. April ein förmlicher Vertrag abgeschlossen. In diesem wurde zugleich vereinbart, daß das Werk in Altenburg gedruckt werden und dort die Zensur passieren sollte; denn dort wurde diese milde gehandhabt, und Schopenhauer hatte in seinem zuletzt erwähnten Briefe einige, freilich entfernte Besorgnis dieserhalb geäußert, so daß Brockhaus diesen Vorschlag machte. Schon etwas vor Mitte Juli, *) In dem Brockhaus-Werk, Bd. II, 1876, S. 350, steht freilich »glatten«; Gwinner, »Schopenhauers Leben«, Leipzig 1878, S. 171 schreibt »platten«.
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