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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.10.1910
- Strukturtyp
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- 1910-10-12
- Erscheinungsdatum
- 12.10.1910
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- Deutsch
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11900 BSrI-nNatt f. d. Dpchl,. S»chh»nd-I. Nichtamtlicher Teil. 237, 12. Oktober ISIS. Ortes der nächsten Hauptversammlung. Schon am Tage zuvor hatte diese Frage die Gemüter bewegt, »hie Lübeck-, -hie HaderSleben« waren beinahe Schlachtrufe geworden. Eine schwüle Stille lagerte über dem Saale, als der Vor sitzende diese letzte Nummer der Tagesordnung aufries. In beredten Worten pries der Vertreter Lübecks die Vorzüge seiner guten alten Stadt und lud dringend nach dort ein. Ebenso eindringlich warb der Vertreter Hadersleben für diese nördlichste Stadt an der dänischen Grenze aus nationalen Gründen. Hin und her tobte der Kampf, an dem sich eine größere Zahl von Rednern beteiligten. Endlich kam es zur Abstimmung. Für HaderSleben erhoben sich sämtliche Schleswig-Holsteiner — »Schleswig-Holstein stammverwandt, stehe fest, mein Vaterland!« — und die meisten Hamburger, zusammen 23. Für Lübeck erhoben sich nur 18, der Kampf war zugunsten des arg bedrängten Nordschleswig ent schieden. Aber ich weiß, daß Lübeck neidlos auf diesen Ausgang blickt und nächstes Jahr nicht verstimmt zu Hause bleiben wird. Der Vcrhandlungssaal im Essighaus wurde schnell zum Spsisefaal umgewandelt; schon nach einer Viertelstunde lockte eine gehaltene, vornehme Musik zur Tafel. Der Saal, wie überhaupt das ganze Haus, ist in dem Zustande er halten geblieben, in dem eS vor etlichen hundert Jahren erbaut wurde. EL redet alte Zeit aus den Räumen, dem Wandgetäfel, den Schnitzwerken und sonstigen Zieraten. Schnell bildete sich eine be hagliche geistige Atmosphäre, immer mehr gesteigert durch die vortrefflichen Speisen und Getränke, noch mehr gehoben natürlich durch manch gutes Wort. Der Vorsitzende eröffnete den Reigen in Erinnerung an die kriegerische Zeit vor vierzig Jahren, der lange Friedensjahre gefolgt wären, nicht zum wenigsten Dank dem Bemühen unseres Kaisers. Ihm folgte unser Nestor Hermann Seippel, der von des Buchhandels Not und Arbeit, aber auch von seiner hohen kulturellen Be deutung und der freudige» Hingabe daran sprach. Und nun weiß ich nicht mehr genau die verschiedenen Reden und die Reihenfolge der Redner. Das kommt davon, wenn alte Leute, statt gleich Aufzeichnungen zu machen, sich aufs Ge dächtnis verlassen. Es redeten jedenfalls noch bei Tisch Richard Quitzow aus Lübeck, Wilhelm Hermann aus Bremen (»fuchsteufelswild»), Theodor Weitbrecht aus Hamburg. Gustav Winter aus Bremen, Oskar Hollesen aus Flensburg, Franz Leuwer aus Bremen, Heinrich Boysen aus Homburg, Otto Heidmüller aus Wismar und der Vorsitzende wiederholt und nie zu knapp. In herzlicher Weise wurde auch des sechzigsten Geburtstages von Hilde- brand Silomon gedacht, dem eine starke Heiserkeit leider nur wenige Worte des Dankes gestattete. Ist noch jemand ver gessen? Richtig, einer, ein Mitkämpfer von 1870,71, sprach noch von jenen alten ruhmreichen Tagen und zog einen Spruch aus der Vergessenheit ans Licht, der beim Einzug der Truppen in Berlin im Juni 1871 eine provisorische Siegessäule geschmückt hatte: -Nährhaft und wehrhaft, voll Korn und Wein, voll Stahl und Eisen, sangreich, gedanken reich, ich will Dich preisen, Vaterland mein!» — des Buch handels Aufgabe wäre es, mit dafür zu sorgen, daß unser Vaterland sangreich-gedankenreich, aber auch voll Stahl und Eisen, nämlich mannhaft und waffenfreudig bleibe. Der Humor ist bei uns ständiger Tischgast, sowohl rednerisch, als auch gesanglich-mimisch. Gustav Wolshagen aus Hamburg und Eduard Hampe aus Bremen ernteten für ihre Darbietungen reichen und wohlverdienten Beifall. Eine neue Art lernten wir in Otto Krabbe, gebürtig aus dem Obotcilen- lande, jetzt ansässig in Bremen, kennen. Dieser zeigte uns viele bekannte Büchertitel plastisch, z. B. -Die Hosen des Herrn von Bredow», »Einer von Anno 13», Hof Bökels Ende«, »Der Freiheit Hauch», »Meine Frau und ich», »Heidehof Lohe«, »Arbeiten und nicht verzweifeln«, »Der Mann im Salz», »Höhenfeuer», -Hoflust» (diese war sogar mit den Geruchsnerven wahrzunehmeu) usw. Die originellen plastischen Darstellungen erregten stürmische Heiterkeit. Kein Wunder, daß wir bis gegen 9 Uhr bei Tische sitzen blieben. Einige Tischlieder wurden auch gesungen, eins unter dem Titel: »Von der Einladung nach Bremen, von der Tagesordnung und von den Nöten des Buchhandels». Ein zornig Lied, zu singen nach der Melodie: Was blasen die Trompeten». Ein anderes, gedichtet von der Mecklenburger Krabbe zählte nur 15 Verse mit den bekannten Einstreuseln nach der Melodie »Als die Römer frech geworden«. Unser Musikmeister Hermann Lorenzen konnte es deshalb auch nicht ununterbrochen begleiten, in der Mitte begehrte er zur Stärkung ein Glas Wein. Ein drittes war das alte Rhein weinlied des Wandsbeker Boten, als Text- und Illustrations- Probe der neuen Claudius-Ausgabe dargeboten von Schloeß- mann's Verlag. Nun erfreut sich der Bremer Buchhandel einer großen Blüte (Franz Leuwer hat es in seiner Tisch rede stark betont), dem entsprechend reich waren auch die Ge schenke, die man uns überreichte, nämlich je zwei Photo- gravuren nach Bildern Worpsweder Meister, eine Anzahl Bremer Ansichtspostkarten, ein Bremer Liederbuch, eine Bremer Touristenkarte, eine dauerhafte Moppe zur Auf bewahrung von Reichsbriefmarken und »Das Bremer Gast bett», ein hübscher, fast 200 Seiten starker Band, Bremensien enthaltend. Ehe der Schnellzug uns nach Hamburg zurückführte, kehrten wir nochmal bei Beckröge in der Katharinenstraße ein. Gedrängt volles Lokal, zwei schmale und kurze Tische mußten für uns alle, schließlich wohl 25 an Zahl, genügen. Aber die Stimmung wurde durch die Enge gehoben — teil weise saßen wohl drei Mann hintereinander —, und als unsere »Leipziger Lerche- mit dem berühmten Lied von der Lammcrstraat einsetzte, da horchten nicht nur alle Stamm gäste auf, nein, diese zurückhaltenden Bremer wurden von unserer Heiterkeit angesteckt, besonders die Damen, und haben an unserem Gesang Helle Freude gehabt. Ob es reiner Kunstgenuß gewesen ist, mag dahingestellt bleiben. »Muß i denn, muß i denn zum Städtle 'naus» — damit schieden wir um 10 Uhr von Beckröge und seinem guten Bier. Manche blieben noch zurück und wandelten anderen Tages durch das Oldenburger Land in den Urwald mit den Rieseneichen, deren eine so mächtig dick ist, daß sieben Mann dazu gehören, um ihren Stamm zu umspannen. Davon kann ich jedoch nicht aus eigener Anschauung berichten, und da ich wahrheitsliebend bin, will ich lieber nicht nacherzählen, was ich von der Wanderung gehört habe. Also nächstes Jahr nach HaderSleben an der dänischen Grenze! Ob die Versammlung stark besucht werden wird? Manche bezweifeln es, ich bejahe es in freudiger Zuversicht. Die Schleswig-Holsteiner werden alle kommen, und wir anderen — soll man aufs neue vom verlassenen Bruderstamm sprechen können? — werden nicht fehlen Wir alle sind doch eher Deutsche gewesen, bevor wir Buchhändler wurden. Das Land dort oben ist schön mit seinen Föhrden, die weit ins Land hineinreichen, umrahmt von dunklen Buchenwäldern. Und auf dem Knivsberge ragt das nördlichste Bismarck denkmal in deutschen Landen. Da wollen wir Bismarck und seinem Werke auss neue Treue geloben. Ich denke, viele Buchhändler aus Deutschland werden sich uns anschließen. Auf nach Hadersleben I Hamburg, 4. Oktober 1910. Justus Pape.
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