11996 Börsenblatt s. o Dtschn. Bilchtzanvcr. Künfüg erscheinende Bücher. ^ 238, 13. Oktaler 1S10. „Manch einer wird verwundert den Kopf schütteln: Ludwig Speidel? Wer ist das? Lind die Frage ist wirklich nicht ganz leicht zu beantworten. Es ist nicht damit getan, daß man erzählt, er hätte das Feuilleton der Wiener „Neuen Freien Presse" geleitet, hätte die Burgtheateraufführungen besprochen und an den Sonntagen kleine Zeitungsartikel über Persönlichkeiten und Dinge geschrieben, die gerade im Vordergrund des Interesses gestanden hätten. Denn nach dieser Auskunft würden viele die Achseln zucken: Also ein Feuilletonist? Ein Unsterblicher der Morgenzeitung? Ein Herrscher des Tages, der mit dem neuen Tage erledigt ist? Nein - man muß gerade in Norddeutschland noch vieles hinzufügen. Man muß sagen, was für Österreich und Wien die „Neue Freie Presse" und das Kaffeehaus, das Burgtheater und die allgemeine künstlerische Kultur bedeuten, mehr noch: was sie bedeutet haben. Die Frage nach dem neuen Burgtheaterdirektor war fürÖsterreich so wichtig wie fürDeutschland etwa die Frage nach dem neuen Reichskanzler, und ein neues Feuilleton von Ludwig Speidel ward in Wien mit ähnlicher Wichtigkeit besprochen wie etwa in Berlin eine neue Rede Bismarcks. Das muß man sich vorstellen, um eine Ahnung zu bekommen, was Speidel für Wien bedeutete und welche Großmachtstellung er einnahm. Mit dem üblichen Wiener „Feuilleton", dem „reichen Schaufenster vor dem leeren Laden", haben seine Arbeiten nichts gemein. Er war im Grunde ein schwerer und schwerfälliger, tiefgründiger und gelehrter Mensch, der mit schweren Steinen mahlte, um den Wienern das leichte und feine Brot vor setzen zu können. Aus den beiden vorliegenden Bänden läßt sich schon ein gutes Bild von seiner Art gewinnen. Der erste zeichnet Porträts: „Persön lichkeiten" — und wie fein werden die Männer der Zeit und Vergangenheit aus die großen Linien ihres Wesens zurückgeführt, mit welcher Kraft und Wärme skizziert der Katholik das Bild Luthers, mit welcher energischen Konzentration geht er zu Werke, um auf wenigen Seiten einen Voltaire, einen Rousseau und ein paar Dutzend anderer „Schicksalsmenschen" lebendig zu machen. Aus einer Besprechung von Karl Buffe in Velhagen s- Klasings Monatsheften. In der nächsten Woche erscheint von Ludwig Speidel, Persönlichkeiten (Preis geh. M. 4.—, geb. M. 5.—) das vierte Tausend. Wir bitten, zu verlangen.