Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.02.1900
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1900-02-13
- Erscheinungsdatum
- 13.02.1900
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19000213
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190002132
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19000213
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1900
- Monat1900-02
- Tag1900-02-13
- Monat1900-02
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
36, 13. Februar 1900. Nichtamtlicher Teil. 1239 dieses Paragraphen einmal an! Zunächst trifft er nicht den Verkauf und Vertrieb der Bilder, selbst nicht der scham losesten Bilder und Bildwerke. EL können selbst noch die schamlosesten Bilder auch dann, wenn der Paragraph an genommen wird, ganz wie bisher in den Geschäften ver kauft und vertrieben werden. Der K 184a bringt hierin keine Aenderung. Seine Anwendung setzt vielmehr voraus, daß diese schamlosen Bilder an öffentlichen Plätzen oder Straßen, die dem Verkehr dienen, ausgestellt werden, und selbst diese öffentliche Ausstellung ist noch nicht strafbar, sie ist es erst dann, wenn sie in ärgerniserregender Weise und zu geschäftlichen Zwecken geschieht, d. h. aus Erwerbssinn in — ich wiederhole die Worte des Herrn Abgeordneten Müller — in gewissenloser Spekulation auf die Sinnlichkeit der Masse und die leicht reizbare Leidenschaftlichkeit der Jugend! Und selbst dann ist die Ausstellung noch nicht unbedingt strafbar, sondern es müssen diese Bilder in besonderem Maße das Schamgefühl verletzen. Es werden also von diesem Para graphen nicht Bilder getroffen, von denen man einfach sagt, sie verletzen das Schamgefühl, sondern die Voraussetzung dieses Paragraphen ist, daß die Bilder in gröblicher Weise das Schamgefühl verletzen! Wie dadurch die Kunst eingeengt werden könnte, das verstehe ich nicht! Es mutz eine eigen artige Kunst und Wissenschaft sein, die sich nicht außerhalb dieses Paragraphen frei bewegen zu können glaubt. Allerdings, meine Herren, wird ja viel unter dem Deckmantel von Kunst und Wissenschaft gesündigt. Man braucht eine photographische Aufnahme oder Zeichnung nur in irgend welche Beziehung zur Mythologie, zu einem histo rischen Vorgang, einer Dichtung, einem Kunstwerk zu bringen, so glaubt man auch schon einen Freibrief für die scham losesten Darstellungen zu haben. Es ist etwas anderes, ob ich das Kunstwerk selbst in seiner künstlerischen Gestaltung in den Museen oder Galerieen betrachte, oder ob ich die so genannte Reproduktion, die photographische Wiedergabe eines solchen Kunstwerks in Kabinettsform oder in Visiten kartenformat in den Schaufenstern besehe. Wenn ich das Kunstwerk selbst betrachte, dann kann die Bewunderung der künstlerischen Ausführung, das Erhabene, das in der Kunst liegt, alle Empfindungen so in Anspruch nehmen, daß die niedrigen, sinnlichen Regungen trotz der Nacktheiten, die sich an dem Kunstwerk finden, zurückgedrängt werden, denn man fühlt und erkennt, daß die Nacktheit hier lediglich den Zweck hat, das Ebenmaß und den Gliederbau des menschlichen Körpers in seiner Natürlichkeit wiederzugeben. In der photo graphischen Reproduktion aber tritt die künstlerische Aus führung zurück und in demselben Maße die Nacktheit als solche hervor, die dann nur dazu dient, die Sinnlichkeit und die Leidenschaftlichkeit zu erregen. Meine Herren, ich habe eine ganze Kollektion von so genannten Leda-Schwänen hier, Reproduktionen des Kunst werks »Schwan der Leda» hier aus unserem Museum. Wenn Sie sich diese einzelnen Bilder ansehen, werden Sie finden, daß sie nicht allein untereinander verschieden sind, sondern ebenso sehr auch von dem Kunstwerk selbst abweichen. Diese Bilder liegen hier in Berlin in den Schaufenstern aus; wie gesagt, von dem Kunstwerk selbst geben sie nur bitter wenig wieder. Was sind nun diese Bilder für die Masse des Publikums? Das Publikum steht daran nichts anderes und kann daran nichts anderes sehen, als die nackte weibliche Figur in der Lage der Beischlassvollziehung. Meine Herren, was überhaupt unter der Firma »Kunst« geschieht, kann ich an einem anderen Fall zeigen, und ich bin dem Herrn Kollegen Müller dankbar, daß er ihn angeregt hat. Kollege Müller hat von einem Institut — es nennt sich, glaube ich, Lehrmittelanstalt — und von einem Herrn gesprochen, der in diesem Geschäft einige von den hier niedergelegten sogenannten Modellvorlagen gekauft haben soll. Wenn er nicht erklärt hätte, daß der betreffende Herr ein »hocharistokratisches« Aussehen gehabt habe, so würde ich sagen, ich wäre der betreffende Herr. (Heiterkeit links.) Denn, meine Herren, es ist richtig, ich bin vor einiger Zeit in einem Geschäfte — ich will den Namen nicht nennen, um nicht, wie es ja unter solchen Umständen geschieht, Reklame zu machen — gewesen, weil ich der artige Vorlagen an den Schaufenstern ausgestellt fand; es ist ein Geschäft, das sich aus dem Schilde als Kunst- und Zeichenmaterialienhandlung bezeichnet hat. Ich fand es nicht für passend, fast das ganze Schaufenster mit diesen sogenannten Modellvorlagen — völlig nackte weibliche und männliche Figuren — auszufüllen, ich nahm Anstoß daran, daß junge Leute im Alter von 15, 16 Jahren beiderlei Geschlechts regelmäßig das Schaufenster belagerten und sich diese Bilder ansahen. Ich bemerkte auch, daß einige, — an scheinend waren es Gymnasiasten —, nachdem sie sich vorher diese Vorlagen angesehen hatten, in das Geschäft hinein gingen, wahrscheinlich, um von diesen Bildern zu kaufen. Es haben gerade die Gymnasiasten, die Schüler der höheren Lehranstalten, Veranlassung, dies Geschäft zu besuchen, weil es mit Zeichenmaterialien handelt. Ich ging hinein, um Ihnen heute hier zeigen zu können, welche Bilder jetzt unter dem Deckmantel von Kunst in den Schaufenstern offen zum Aushang kommen. Ich forderte in dem Geschäft, nicht etwa, wie der Kollege Müller von dem »hocharistokratischen« Herrn erzählt, die Vorlage der Kollektion, sondern direkt zwei der ans gehängten Vorlagen, die ich bezeichnet?. Ohne daß ich darum ersuchte, und trotzdem ich die beiden bestimmten Vorlagen wünschte, sagte der in dem Geschäft anwesende Herr — ob es der Geschäftsinhaber selbst ist oder ein An gestellter, weiß ich nicht —: Ich will Ihnen die ganze Kollektion vorzeigen. Die mir dann vorgelegte Kollektion aber war ganz anderer Art, als die hier vom Kollegen Müller auf den Tisch niedergelegte. Es waren photographische Auf nahmen von völlig nackten weiblichen und männlichen Per sonen in den verschiedensten Stellungen. Ich habe mir zwei von diesen Bildern erstanden, um sie Ihnen hier jetzt vor zuzeigen. Ich reiche sie Ihnen hin, und dann mögen Sie selbst urteilen, ob »Kunst und Wissenschaft« es gestattet, solche unzüchtigen Photographieen öffentlich in den Geschäften, auf der Ladenbank vorrätig zu halten, um sie anscheinend jedem, der da kommt, unaufgefordert zur Auswahl vorzulegen. (Zurufe links. Glocke des Präsidenten.) Präsident: Meine Herren, ich bitte, keine Privat gespräche! Roeren, Abgeordneter: Ich wiederhole: Ich forderte zwei von den sogenannten Modellvorlagen, und statt daß der Mann sie mir hier gab, erklärte er: Ich will Ihnen die ganze Kollektion vorlegen. Ich erhielt statt der geforderten Vorlagen die Kollektion der Photographieen, aus denen ich nur diese zwei herausgenommen habe. Ich bitte also die Herren, sie sich anzusehen und sich zu fragen, ob solche Mach werke in Geschäften, wo auch Gymnasiasten und 15- und 16 jährige Mädchen geschäftlich verkehren, geeignet sind, zum Verkauf auszuliegen. Damit wäre wohl dieser sogenannte Kunftfall in dem Geschäft der Lehrmittelanstalt erledigt. Meine Herren, wie dreist man überhaupt in der Ver breitung schamloser Bilder vorgeht, zeigt ferner eine Kollektion von sogenannten Ansichtspostkarten. Selbst Postkarten ver sendet man mit diesen schamlosen Bildern. Es besteht eine eigene Verlagsanstalt, die sich -Ansichtspostkartsn-Verlags- anstalt« nennt, die ein Cirkular ausschickt — anscheinend an die Oberkellner sämtlicher Hotels; darauf läßt wenigstens die 167>
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder