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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.06.1909
- Strukturtyp
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- 1909-06-08
- Erscheinungsdatum
- 08.06.1909
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- Deutsch
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6840 1 trnch» tkchb-ndcl. Nichtamtlicher Teil. ^ 12S, 8. Juni 190S. die Mittellinie suchen, auf dieser liegt die Entscheidung iEntsch. Bd. 82 S. 420)«. Bei dieser schwierigen Lage des Richters gestaltet sich noch schwieriger die Lage des Buchhändlers, »der von dem im Dunkel tappenden Richter sein Recht erwartet. Seine Anschauungen über .normales Sexualempfinden' Weichen vielleicht in Anlehnung an Goethesche Ideen und vielleicht hie und da nicht unberechtigt weit ab von den kulturellen Ansichten des Richters«. Als Beispiel, zu welchen heterogenen Ergebnissen dieses Operieren mit Abstraktionen führt, zeigt Wolfs an den Verhand lungen über das Kunstwerk: »Die Schönheit der Frau«, in welcher Sache die verschiedenen zur Rechtsprechung berufenen Organe in ihrer Meinung über das Buch erhebliche Abweichungen zeigen. Während die Berliner Gerichte »einen besonders markanten Standpunkt (einnehmen) und verteidigen, unbeirrt von rechts und links, die natürliche Erscheinung des Menschen und die Bespre chung erotischer, ästhetisch behandelter Vorgänge, mit geistiger Feinfühligkeit«, sind die Fehlgriffe der sogen. Sittlichkeitsvereine »so zahlreich wie die Sterne am Himmel«. Als Beispiel wird angeführt der Angriff des Düsseldorfer Tageblattes gegen die Züchtigkeit der Bilder der Königin Luise und der jetzigen Kaiserin, die geplante Beschlagnahme von »Duval, Pikante Bissen«, deren Ausführung freilich unterblieb, als es sich herausstellte, daß »Pikante Bissen« der Titel eines Kochbuchs war. Wolfs führt Bindings Wort an: »Nichts ist abschreckender, als die Prüderie, die alles Nackte als unzüchtig betrachtet; sie stellt sich durch ein unfrei williges Geständnis selbst an den Pranger.« Der nächste Abschnitt ist der Erklärung des Begriffes »Ver breitung« gewidmet. Auch in der Judikatur ist anerkannt, -daß schon die Hingabe oder der Verkauf eines Exemplars an eine Person genügt, wenn der Übergebende die Absicht hatte, daß der Em pfänger die Schrift durch Weitergabe auch einem größeren Personen kreise zugänglich mache. Der Eintritt dieses Erfolges wird nicht für notwendig erachtet. Die Absicht hat der Richter zu er forschen — der Staatsanwalt zu beweisen«. Diese weitgehende Interpretation des Begriffes »Verbreiten« durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts birgt sehr große Ge fahren für den Buch- und Kunsthandel, wie aus obigem wohl ersichtlich ist. »Der fliegende Gerichtsstand . . . ermöglicht es nur zu leicht, den Angeklagten seinem eigentlichen Richter zu entziehen«. (S. 42.) In einer Anmerkung fügt der Verfasser hinzu: »Glücklicherweise hat das Reichsgericht in neuester Zeit in einer Entscheidung vom 2. Januar 1909 gegen die Zuständigkeit des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes energisch Front gemacht.« Diese Ausdrucksweise ist ungenau, wenn nicht falsch; der fliegende Gerichtsstand der Presse ist endgültig beseitigt, lediglich für Privatbeleidigungen ist er noch zulässig.*) „Sortimenter und Verleger" behandelt der folgende Abschnitt. Wolfs weist darauf hin, daß, wenn man von dem Standpunkt des Reichsgerichts aus das Bewußtsein von dem unzüchtigen Charakter einer Schrift für ausreichend für die Strafbarkeit hält, man wenigstens streng unterscheiden müsse, »ob sich ein Sortimenter oder ein Verlagsbnchhändler zu verantworten hat. Leider wird dies fast regelmäßig verkannt«. Der Sortimenter wird das Buch gewöhnlich inhaltlich nicht kennen lernen, während man vom Verleger füglich erwarten kann, daß er die von ihm verlegte Schrift kennt, will er nicht pflicht vergessen, jedenfalls grob fahrlässig handeln. Daraus ergibt sich *) »Wird der Tatbestand der strafbaren Handlung durch den Inhalt einer im Inland erscheinenden Druckschrift begründet, so ist als das nach Absatz 1 zuständige Gericht nur dasjenige Gericht anzusehen, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Jedoch ist in den Fällen der Be leidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Prtvatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist, zu ständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.» (Rudorfs SlrGB. T.-A. l22j v. H. Appelins IS. Berlin, I. Guttentag, 1907, S. 326.) naturgemäß, daß Verleger und Sortimenter verschieden beurteilt werden müssen. Die Frage des »ne bis in ickenr« wird ausführlich behandelt. So einfach cs erscheint, daß über einen Gegenstand, über den bereits entschieden ist, nicht noch einmal verhandelt werden kann, so kommt dies dennoch vor; namentlich wird immer wieder versucht, wegen späterer Verbreitung einer Schrift, die früher durch Urteil als nicht unzüchtig erklärt worden ist, einzuschreiten. Zn welchen unheilvollen Folgen ein solches Vorgehen führen kann, erläutert Wolfs an einem Beispiel. Ein großangelegtes Werk, enthaltend weibliche und männliche Akte mit begleitendem Text, ist als unzüchtig mit Beschlag belegt, aber als einwandfrei wieder freigegeben worden. Der Verleger schließt nunmehr Verträge auf Lieferung dieses Werkes mit ver schiedenen Buch- und Kunsthandlungen ab, einen in Höhe von 20000 Mk. »Ein Staatsanwalt im Schlesischen nimmt Anstoß an der unverhnllten Nacktheit«, erhebt gegen einen Buchhändler in seinem Zuständigkeitsbezirk Anklage, der Buchhändler wird rechtskräftig gemäß A 184 SlrGB. verurteilt, die Exemplare werden beschlagnahmt. Der schlesische Buchhändler ficht nunmehr den Lieferungsvertrag über 20 000 Mk. an, und weigert Fortzahlung. Der Verleger muß einen kostspieligen Prozeß anstrengen, dessen Ausgang noch bevorsteht. Eine neue Beschlagnahme vermag er nicht herbeizusühren, da der Staatsanwalt erklärt, bei der ihm be kannten Praxis der Gerichte sei eine Verurteilung nicht durchzusetzen. Man wird zugeben müssen, daß eine derartige Verworrenheit der Rechtslage eines Rechtsstaats nicht würdig ist, doch wird es schwer sein zu Helsen. Wolfs gibt selbst zu, daß niemand einen logischen Anspruch darauf hat, eine einmal als nicht unzüchtig anerkannte Schrift dauernd als solche vertreiben zu dürfen! Den j Ausweg, den Wolfs cks lege ksrsncla vorschlägt, das ungünstige Urteil solle mit der Maßgabe kundgegeben werden, daß alle bis dahin erwirkten anderweitigen Urteile den Täter schützen und ab- j geschlossene Verträge nicht berührt werden, ist doch sehr zwei schneidig. In dem obigen Falle wäre der Sortimenter verpflichtet, allem sonstigen Recht zuwider, eine Ware, die zu dem verabredeten jZweck nicht tauglich ist (weil sie nicht verkauft werden darf), nicht nur abzunehmen, sondern sie sich auch noch fortnehmen zu lassen mnd schließlich gar sie zu bezahlen! Das wäre doch kaum mit idem Rechtsgesnhl vereinbar! Die Verjährung wird im nächsten Abschnitt erläutert. Nach iZ 22 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874 gilt sür alle Preß- idelikte die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten. Der Ver fasser empfiehlt den Buchhändlern, bei einer etwaigen Anklage genau daraus zu achten, ob nicht bereits Verjährung eingetreten sei, da dies häufig übersehen werde. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den Sachverständigen und den Prospekten. Das Reichsgericht neigt der Ansicht zu, daß Sachverständige aus Antrag zu. hören seien und ihre Ablehnung als eine Beschränkung der Verteidigung ein Repisionsgrnnd sei: aber prinzipiell ist dieser Standpunkt auch nicht durchgehalten. So erklärt das Urteil des Reichsgerichts vom 80. Januar 1908 (I. Strafsenat), daß die Ablehnung der Strafkammer, beantragte Sachverständige zu hören, keinen Grund zur Beschwerde gebe, da die Ladung unterbleiben konnte, wenn das Gericht über den Kunstwert der Bilder zu entscheiden selbst in der Lage war. Die Prospekte sind seit der Novelle vom 25. Juni 1900 ebenso wie Bücher der Anklage und der Beschlagnahme unter worfen. Auch die Prospekte können dem Strafrichter anheimfallen, selbst wenn die Bücher, die in ihnen angezeigt sind, rechtskräftig Freisprechung erfahren haben. Zum Schluß faßt der Verfasser das Ergebnis seiner Er örterungen zusammen und ergänzt es durch einige wichtige Grund sätze, die die Unhaltbarkeit der jetzigen Zustände darlegen sollen. Die Schrift ist klar und durchsichtig und darf zur Einführung in diese schwierige, jeden. Buchhändler so nahe angehende Materie warm empfohlen werden.
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