Fertige Bücher. ^ 57, 11. März 1910. o Albert Langen c> Verlag für Litteratur und Kunst München /9 X Wer hat Recht? Die „Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung", Berlin, schreibt: Berlin, l.März. Für das unter dem bezeichnenden „März" Titel zu München erscheinende Organ der Simplizissimusdemokratie hat sich zum lebhaften Bedauern weiter Kreise der frühere Staatssekretär Graf v. Posadowsky einfangen lassen. Er hat dieser Zeitschrift einen Aufsatz geliefert („Innere Reichspolitik"), der von ihr nun, wie vorausgesehcn werden konnte, kräftig zur Reklame ausgenuht wird, lind wenn es nur das wäre! Wen» Graf v. Posadowsky sich nur, wir nehmen an: unbeabsichtigt, zum Köder für dieses Blatt hergegeben hätte! Der Aufsatz des früheren Stellvertreters des Reichskanzlers hat aber noch eine ganz andere, doch wohl kaum beabsichtigte Wirkung, nämlich die, dem jetzigen leitenden Staatsmanne Steine in den Weg zu legen, die demokratisch-sozialdemokratische Opposition zu stärken, ja in Süddeutschland und selbst im Auslande gegen .Herrn v. Bethmann-Hollweg Stimmung zu machen. . . . „Die Hilfe", Berlin, schreibt: Posadowsky gegen Bethmann. Es erschien immer bedauerlich, daß im Gegensatz zu den parlamentarisch regierten Ländern bei uns in Deutschland frühere Minister sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen Pflegen, statt mit ihren Kentnissen und Erfahrungen auch fernerhin, nun als einfache Bürger, dem Volke und dem Staate zu dienen. Graf Posadowsky scheint mit diesem Brauch brechen zu wollen. Schon wiederholt, so be sonders auf dem Evangelisch-sozialen Kongreß in Leilbronn, hat er seine Stimme zu den Gegenwartsfragen hören lassen und dabei das Ohr der Nation gefunden. Jetzt eben ergreift er in der oppositionellen Münchener Monatsschrift „März" das Wort nnd bespricht in formal zurückhaltender, sachlich aber deutlicher Sprache die innere Reichspoljtik. Cr tadelt die verstimmende Art und Weise, mit der die preußische Regierung etwas gewalsam die Schiffahrtsabgaben durchzudrücken suchte, und bespricht dann die preußische Wahlrechtsfrage.... Wir sind der Ansicht, daß die Entscheidung für jeden denkenden Buchhändler nicht schwer falle» kann. Die Behauptung der „Kreuzzeitung", daß der „März" den Aufsatz des „eingcsangenen" (!) Grafen Posadowsky, kräftig zur Reklame ausnützt, ist natürlich vollständig aus der Lust gegriffen. Graf Posadowsky, der in der Denunziation in versteckter Weise vor einem zweiten Fehltritt gewarnt wird, wußte als ständiger Leser unseres Blattes, in welche Gesellschaft er sich begab, als er für den „März" schrieb. Es ist die denkbar beste. Wir brauchen nur Namen wie Björnstjerne Björnson, Staatsminister a. D. Pierre Baudin, Geheimrat Lujo Brentano, Graf Fleury, Anatole France, Minister a D. Rves Guyot, Knut Hamsun, Graf Hoensbroech, Staatsministcr a D. l)r. Sigurd Ibsen, Jean Iaures, Selma Lagerlöf, Professor von Liszt, Friedrich Naumann, M. I. Nowikow, T. Parlamenghi-Crispi, Friedrich Payer, Camille Piccioni, Graf de Pourvourville, Francis de Preffcnse, Bernard Shaw, Geheimrat Ernst Schweninger, Emile Vandervelde, Henry Graf de la Vaulx, Booker T. Washinton zu nennen, um nachzuweisen, daß Köpfe von europäischem Ansehen zu den Mitarbeitern des „März" zählen, und daß auch Staatsminister darunter keine ungewöhnliche Erscheinung sind. Daß der „März" kein Parteiblatt ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Der „März" will gerade im Sinne der Ausführungen der „Hilfe" und »ach dem Vorgänge großer ausländischer Revuen, Männern, die etwas zu sagen habe», als Sprachrohr dienen. Er läßt die Eigenart gelten, wenn sic nur bedeutend ist, und gerade dadurch hat sich der „März" seinen hohen Rang unter den europäischen Revuen erobert. München, im März 1910.