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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.02.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-02-24
- Erscheinungsdatum
- 24.02.1911
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- Deutsch
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- Saxonica
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46, 24. Februar 1911. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. DIschn. Buchhandel, 2399 sein,« so machte ich in meinen Aufsätzen über Kinderbücher und Jugendlektüre in den Hamburger Nachrichten gellend, daß er dies selbst verschuldet, weil er ein spezifisches Mädchen buch im Sinne von Marie Martin nicht anerkennt. Durch sein Dogma von der tendenziösen, rein ästhetisch zu werten den Jugendschrift hat er sich die Einwirkung auf die be sonderen Bedürfnisse des weiblichen Geschlechts unmöglich gemacht, und die Backfischliteratur hat den Nutzen davon. Nur ein Zusammenwirken mit Buchhandel und Presse kann diesem Elend steuern. Ein solches Zusammenarbeiten würde auch die Arbeits methoden der Prüfungsausschüsse zum Nutzen der Sache be fruchtet haben. Sie begannen ihre Arbeit mit der kritischen Sichtung der gesamten Literatur; das Ergebnis derselben liegt in dem Verzeichnis empfehlenswerter Jugendschristen vor, das zurzeit 1128 Nummern umfaßt. Wer die Jugend schrift nicht bloß nach ästhetischen Gesichtspunkten beurteilt, der wird an diesem Kanon natürlich vielerlei auszusehen haben. Ob Erckmann-Chatriaus Rekruten von 1813, Ewalds Märchen, Dehmels Fitzebutze u. a. ein solcher Platz in der deutschen Literatur gebührt, daß sie in dieser Auswahl not wendig enthalten sein müssen, lasse ich dahingestellt. Von Anfang an forderte ich, daß nicht bloß das Alter, sondern auch Geschlecht, Bildung, landschaftlicher Charakter (Heimat) und dergleichen zu berücksichtigen ist; nicht generalisieren, sondern individualisieren ist das Geheimnis bei der Erziehung zur Lektüre, also nicht Massen- und Klassenlektüre, sondern Einzellesen mit dem Ziel einer eigenen individuellen Charakter tragenden Hausbibliothek. Weil das der Hamburger Aus schuß verkennt, darum verschließen sich so viele Kinder seinem Einfluß, wie die Auslassungen der Mutter im Börsenblatt (vgl. 1910 Nr. 274) ergeben. Er aber sah das Elend nun nur noch in den teuren Bücherpreiscn, klagte den Buchhandel deswegen an und begann mit der Massenproduktion billiger Bücher. So erfreulich es ist, daß seine Agitation uns eine Reihe billiger, guter Bücher gebracht hat, möchte ich doch hier aus sprechen, daß der Vorwurf gegen den Buchhandel nicht ganz berechtigt war; besaßen wir doch damals längst Reclams Universalbibliothek, Meyers Volksbücher und andere billige Sammlungen; andererseits wenden die unteren Volkskreise unter Umständen unglaubliche Summen aus für — Schund literatur; ich verweise auf die Feststellung von vr. Reißig- Hamburg, daß das deutsche Volk jährlich mindestens 1 Million Mark allein für medizinische Schundliteratur aus gibt; ich fand die teure Internationale Bibliothek (Stuttgart, Dietz) selbst in Familien, die Unterstützung nachsuchten; was sonst sür Schundliteratur im engeren Sinne ausgegeben wird, berechnet vr. Ernst Schultze bekanntlich auf 50 Millionen. Wer für die erbärmliche» Kolportagehefte 6, 7 bis 10 aus geben kann, soll nicht über teuere Bücherpreise klagen. Ich kann darum in der Beschaffung billiger Bücher allein das Heil nicht erblicken; in der Massenherstellung der 10-Pfennighefte aber, die jetzt die Prüfungsausschüsse als das alleinige Heilmittel gegen die Schundliteratur anpreisen, muß ich geradezu eine Gefahr für die literarische Er ziehung unseres Volkes erblicke»! Während der alte Kinder freund vergangener Zeiten ein Hausfreund blieb weit über die Schulzeit hinaus, haben wir es mit der Kosthäppchen literatur unserer Lesebücher dahin gebracht, daß die Kinder den ersten Teil des Lesebuches nicht mehr ansehen, wenn sie den zweiten erhalten; die geistige Kraft und Selbstüber windung, die dazu gehört, ein richtiges Buch von einigem Umfang durchzulesen, besitzen nur wenige, wie ich in unfern Kinderlesezimmern immer wieder scststellen muß. Ich be haupte, daß die Lektüre dieser Hefte niemals etwas sür die geistige Kultur abwirft, höchstens zur Lektüre von Journalen führt, die neben der Zeitung der schlimmste Feind des ernst haften Buches find. Aus diesen Erwägungen heraus bedaure ich, daß der hierorts gegründete Verein zur Verbreitung guter Jugendschristen seine reichen Mittel zu Autorenhono raren für Schaffung solcher Hefte hergibt, und daß unsere Oberschulbehörde an alle Schüler solch ein armseliges Heft ab gibt statt einer kleinern Anzahl Strebsamer ein wertvolles Buch zu schenken; Prämien entsprechen allerdings dem demo kratischen Geschmack nicht Beachtenswert ist es jedenfalls, daß .ich in der Gewerbeschule feststellen mußte, daß die Schüler den Unterschied zwischen den empfohlenen Heften und den schlechten nicht erkannte», und ferner, daß Jungen mit ihrem Geschenk von der Oberschulbehörde bei ihrem Händler er schienen, um sie gegen Nick Carter usw. zu tauschen. Ungleich erfolgreicher hat sich die Errichtung von Kinder lesezimmern erwiesen, die aus amerikanische Anregungen hin von der hiesigen Patriotischen Gesellschaft zuerst eingerichtet und schon an vielen Orlen nachgeahmt wurden. An jedem Nachmittag in den Wintermonaten wird den Kindern eine reichhaltige Bibliothek unter Aussicht bei freier Wahl zur Be nutzung im gleichen Raum zur Verfügung gestellt. Der Er folg beweist den Segen dieser Einrichtung: im letzten Winter wurden unsere drei Kinderlesezimmer an 402 Tagen von 22 871 Kindern besucht, das vierte im ersten Monat von 2336 Kindern. Die Lehrer sollten die Schulbibliothek, ent sprechend erweitert, nachmittags den Kindern zur Benutzung sreigeben, allerdings sich aller schulmeisterlichen Bevormundung bei der Auswahl enthalten, höchstens einmal durch ein Wort der Empfehlung oder durch Vorlesen auf ein Buch aufmerk sam machen und abwarten, bis dem Kinde das Buch, das seiner Individualität entspricht, der Führer zu weiterem selbständigem Lesen wird. Es ist nun bezeichnend, daß über diese Einrichtung, die seit zwei Jahren besieht und über die ich in der hiesigen Tagespresse berichtete, die Pädagogische Reform erst jetzt einen Bericht bringt aus dem Vorwärts ll) über die Berliner Kinderlesezimmer, die den Hamburgern nachgeahmt wurden; nun wird auch die Jugendschriften-Warte, die doch den Gesamtinteressen der Jugendlektüre dienen sollte, endlich einen Bericht bringen! Wie hier der Hamburger Prüfungs-Ausschuß eine Ein richtung ignoriert, die im Interesse der Jugendlektüre eine andere Methode anwendet als die von ihm protegierte, so ignorierte er bis vor kurzem die Schundliteratur; er trieb ästhetische Höhenkultur und übersah die furchtbaren Ver wüstungen, die die Nick Carter-Hefte und ähnliches unter der Jugend anrichteten. Es sei aber hier festgestellt, daß es Herr Justus Pape war, ein Buchhändler, also »ein Kauf mann, der vom Büchervertrieb in erster Linie leben muß und im Kampfe um sein Dasein nicht auf die literarische Qualität seiner Ware, sondern den geschäftlichen Nutzen sehen muß-, der als Mitglied der Bürgerschaft die Reinigung der Straßen und Schaufenster von Schmutz-nnd Schundliteratur forderte und die Einsetzung eines Ausschusses erzielte, der dem Senate gesetzliche und positive Maßregeln empfahl, darunter Unterstützung von Veranstaltungen des Jugendschriften-Aus- schusses (vergl. Bericht Nr. 36, Juni 1909). Jeder Buch händler weiß ja, daß Herr Pape in dem Kampf gegen Schmutz und Schund neben Otto von Leixner, I-io. Bahn u. a. im Vordertreffen gestanden hat, daß er mit dem Hamburg- Altonaer Buchhändler-Verein immer an die Standesehre des Buchhändlers appelliert hat; es berührt überaus peinlich, wenn der Vorsitzende der Vereinigten Prüfungsausschüsse zu schreiben wagt: »Als ich dem Prüfungsausschuß Herrn Papes Artikel vorlas, da erregten seine Ausführungen denn auch laute Heiterkeit.« Einen Mann wie Pape tut man nicht mit Heiterkeit ab; ein solches Verfahren schadet ihm nicht, aber dem Ansehen des Lehrerstandes. 314«
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