Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.07.1923
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- 1923-07-21
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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R-datttonellei Teil. 188, 21. Juli 1923. Wie ich mein erstes Buch kaufte. Von Georg Korczcwski. Ein Teilabschnitt aus den nngeürnckten Erinne rungen' eines w c i t g e wa n d e r te n und vielgeprüften B u ch h a n d l u n g s g e h i l f e n. Es war in meinem zweiten Lehrjahre, als ich dazu kam, meim- erstes Buch zu kaufen. Ich durfte seit einiger Zeit den Leipziger Bücher ballen auspackcn. Meine Anteilnahme an allen Neuerscheinungen der deutschen Literatur, die er brachte, war sehr groß, nicht allein vom Standpunkt eines Bnchhandlungslchrlings, sondern auch von jenem eines Bücherliebhabers. Ich wollte nicht nur in der Welt der Bücher leben', ich wollte auch wertvolle und, vor allem, schön ausgestattete Bücher mein eigen nennen. Zum Erwerb einiger Lieferungswerke hatte ich mich schon verleiden lassen. Aller vierzehn Tage eine Lieferung zu 50 Pfennig mit dem Auenahmerabatt für Angestellte des Buch handels war schon zu erschwingen. Aber bei einer monatlichen »Re muneration« von zehn Mark, von der auch noch allerlei andere Aus gaben zu decken waren, blieb für den Kauf gebundener Bücher nahezu keine Möglichkeit. Und doch wurde er eines Tages möglich gemacht. Ein Leipziger Ballen hatte eines Tages den ersten Bankt von Schuster-Negnicrs Wörterbuch der französischen Sprache gebracht, von dessen äußerer Schönheit und innerem Werte ich ganz hingerissen war. Von allen Einbänden der gebundenen Geschenkwerke, die in einem be sonderen Schranke der L.schen Sortiments'buchhandlung anfbewahrt wurden, gefielen mir die in Halbfranz gebundenen Bände der Meycr- schen Klassiker-Ausgaben am meisten. Die braune Farbe war die von mir erkorene Lieblingsfarbe am Einband. Dazu trugen jene Bände noch zwei Titelschildchen am Rücken, das obere in Grün mit dem Namen des Klassikers, das untere in Rot mit der Inhaltsangabe. Das genannte französische Lexikon war ähnlich gebunden. Ein hell brauner Lederrücken mit grünen und braunen Rückenschildern. Dann hatte es ein so eigenartig genarbtes, grau-braunes Teckelpapier, das mir damals schon dauerhafter erschien und sich auch dauerhafter er wiesen hat als die Lederecken. Der Notschnitt stand dem Buche außer ordentlich schön an, der Druck war trotz seiner Kleinheit sehr klar und der Inhalt dieses«in fünfzehnter Auflage erschienenen Wörter buches wohl über alle Kritik erhaben. Die Liebe am Besitz schöner Bücher stak schon seit den frühesten Kinderjahrcn in mir, aber es war immer nur eine platonische Liebe gewesen. Dem Schuster-Negnier gegenüber wurde ich kühn. »Ja«, meinte der Gehilfe, »wenn Sie an I. I. Weber einen schönen Brief schreiben, wirb er cs Ihnen wohl mit 50°/, Rabatt liefern. Schreiben Sie nur, daß Sie sich auch für don Weberschen Verlag in besonderer Weise verwenden wollen«. Ich wußte zwar nicht, auf welche Art ich dieses tun könnte, aber ich schrieb den Brief so. Nachdem der Brief abgesandt war, vergingen meine Tage in Han gen und Bangen. Inzwischen sammelte ich alle Neste meines Taschen geldes zusammen uyd entwarf Pläne, wie ich die noch fehlende Summe am Nettobeträge für den ersten Band erübrigen könnte. Mein Lehr herr und meine Mutter dursten aus den in einein früheren Abschnitt meiner Lcbenserinnerungen geschilderten Gründen von diesem Kauf nichts erfahren. Den nächsten Ballen öffnete ich mit Herzklopfen. Ob er wohl den ersehnten Band enthalten würde? Das Zettelpaket reichte ich ver schlossen dem Gehilfen hin. Dieser entnahm ihm den Avis, warf einen Blick auf die Rubrik der Barpakete — ich hatte ihn wohl fast täglich gefragt, ob Weber auch meiner Bitte entsprechen würde — und schmunzelte. »Sagen Sie die Pakete an«, befahl er. Nach einer Weile bekam ich ein Paket in die Hand und las vor: »I. I. Weber, Leipzig, bar Mk. 4.—«, stockte und las still vom Kopfe der Faktur weiter ab: »Löbl. Buchhandlung in ... . zum eigenen Gebrauch für Herrn K «. »Herr Kullmann«, rief ich jubelnd, »ich habe cs oekommen, hier ist cs!«. Mit fiebernden Händen packte ich das Paket gleich aus und weidete mich eine Weile an dem Anblick des schönen Bandes. Es war gany still im Laden, und als ich aufschante, da sah ich das eigentümlich lächelnde Antlitz unseres! Gehilfen. Ich fragte, ob ich das Geld für den Band Herrn vr. B . . ., unserm Ehef, zahlen sollte. »Nein, das zahlen Sie an mich, ich schreibe es gleich ins Kassa buch ein und Sie nehmen das Buch heute mittag nach Hanse!« Das war nun auch noch eine schwierige Aufgabe für mich. Wie sollte ich dieses dicke Buch an meiner Mutter vorbei auf den Boden speicher schmuggeln? So wie mit den Jndianerbüchern, unter der Weste verborgen, ließ sich das nicht bewerkstelligen. Ich weiß nicht, wie, aber es gelang. Ich kam unbeobachtet auf die von der Küche unmittelbar zum Bodenraum führende Treppe meiner mütterlichen Wohnung. Als ich hcruntcrkam, fragte mein« Mutter: »Was hattest 1044 du denn gleich aus dem Boden zu tun?«. »Ach, ich habe ein Probeheft hinaufgebvacht«, antwortete ich möglichst unbefangen. Auf dem Boden, in einem leerstehenden kleinen Wandschränke- hatte ich meine Sammlung von Probenummern und von ersten Heften nntcrgebracht, die von Ansichtssendungen zurückgekommen waren und vom- ihren Verlegern gratis abgegeben oder »als verlören geigange» bereitwilligst gntgcschrieben« wurden. Dank euch, ihr alten Herren, die ihr noch am Leben weilt, für diesen Sah, Dank auch an euch, Ver leger, deren irdische Hülle schon der Nasen bedeckt, die ihr diesen Satz, au'f eure Fakturen drucken ließet! Wie viele Freude habt ihr den Lehrlingen und jungen Gehilfen im Buchhandel mit diesen »verloren gegangenen Heften« bereitet. Die Zeitgenossen tonnen diese Freuden, weder bieten noch empfangen. Ich besitze heute noch, nach nahezu dreißig Jahren, zwei erste Hefte von Velhagen L Klasings Monatsheften aus jener Zeit und eine Menge Bilder aus ersten Heften der »Modernen Kunst«, auch mehrere Prospekte der »Meisterwerke der Holzschneider kunst«. allüberall mitgcschlcppt durch nahezu zwanzig verschiedene Wohn zimmer- Europas, gesiebt und wieder gesiebt, immer wieder mit Freude angeschaut und immer noch wertloser und doch so wertvoller Besitz! Unter diesen Heften und Probenummern nun versteckte ich mein.'» Schuster-Negnier vor den Augen meiner Mutter. Zu Weihnachten wollte ich ihn mir schenken. Bis dahin hatte ich mir gewiß -die Er laubnis zu seinem Ankauf von meiner Mutter erbeten. Inzwischen schlich ich mich aller zwei oder drei Tage, von wirklicher Sehnsucht ge trieben, nach dem Boden, um den schön gebundenen Band nur für eine Weile in die Hand nehmen zu können, mich an seinen braunen,, grünen und roten Farben zu erfreuen und auch etwas in seinem ge lehrten Inhalt zu lesen. Wenn ich mich so dem Genuß, -den nur wirk^ liche Bücherliebhaber mir werden nachfühlen können, hingab, war es wiederum ganz still geworden in dem verhältnismäßig weiten Boden raum, kein Rascheln in Len Zeitschriften drang zu meiner Mutter nach unten, sodaß sie manchmal nach oben rief: »Georg, was machst du so lange da oben? Du liest da wohl wieder unnütze Bücher? Ich werde gleich nach oben kommen!« Hulsch, verschwand dann schnell das französische Wörterbuch wieder unter den Probeheften, bis es vom nächsten Weihnachtsfeste ab, erbettelt und erschmeichelt, frei und offen in unserer Stube liegen durfte. — Ich habe im Laufe der Jahre manches Buch meiner Bibliothek veräußert, manches abgestoßen oder verschenkt, viele in schlimmen Zeiten verkaufen müssen, meinen Sa)uster-Negnicr,. das erste in meinem Leben gekaufte Buch, besitze ich immer noch und werde mich auch von ihm nie trennen. Wiederum las.se ich meine Hand über seinen braunen Rücken gleiten, von dem mir das Tilel- schild so hoffnungsgrün all diese dreißig Jahre hindurch entgegen- gcleuchtet hat. Der Schuster-Negnier hat mich in alle fernen Länder begleitet, mit mir zusammen gerungen und gekämpft, viele Abende bis spät in die Nacht hinein mit mir gewacht und gearbeitet, mich be lehrt und miT manchen Verdienst verschafft, mich unveränderlich beglückt und mir stets die Treue bewahrt, ein wahrer Freund ine besten Sinne des Wortes. — blesmann Hete>e: Vas Wesen der vickilunS. 236 8. 8°. Oeb. Or. 5. Weder dem Gebiete der Literaturgeschichte noch dem der Ästhetik im gewohnten Sinne ist dieses Werk -uzuordnen. Es erschließt Neuland und wird schon aus 'diesem Grunde bahnbrechend wirken. Hefele beschäftigt sich, vergleichbar etwa dcn> Arbeiten Walzels, nicht mit Dichtern, auch nicht mit Gedichten im weitesten Sinne, ihn interessiert vielmehr das Dichten selbst. Die Dichtung als Lebens- äußerung und damit als Lcbensgeheimnis will er in ihrem Wesen enthüllen und faßbar machen. Gemeinhin versteht man unter Dich tung nur das fertig vorliegende dichterische Werk, ohne daran zu denken, daß es so nur Gestalt gewordene Idee ist, Erzeugnis eines dichterischen Willens, Ausdruck dichterischer Kraft und dichterischen Er lebens, daß mithin das Wesen der Dichtung ohne Zurückgehcn ans diese Elemente niemals ganz zu ergründen sein kann. Wer nur dem Werden und Wachsen des einzelnen Dichterwcrkcs oder des ein zelnen Dichters nachgeht, in chronologischem Verfolgen der einzelnen Akte und Episoden und in psychologischer Ausdeutung ihrer Zusam menhänge, wer nur Beziehungen sucht oder äußerlich systematisiert und schematisiert, der wird dem Wesen der Dichtung schwerlich ans die Spur kommen. Hefele hält dieses höhere Ziel nur für erreich bar auf Grund einer eingehenden Analyse des dichterischen Geschehens und künstlerischen Schaffens selbst, und zwar nicht im Sinne eines Ablaufs, sondern im Sinne einer Lebenserscheinung, deren innere Gesetzlichkeit und organische Struktur, deren Biologie, nicht deren Bio graphie es zu enthüllen und festznstellen gilt.
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