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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.02.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-02-03
- Erscheinungsdatum
- 03.02.1908
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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1340 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^5 27, 3. Februar 1908. (Rewoldt) wird gerade das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen will. Diejenigen Personen, die sich sonst bei dem Prozeß eingefunden haben, sind meist nicht so gefährlich. Weit gefährlicher ist die Ver breitung von Berichten über die Vorgänge durch die Presse .. . Ich möchte bei der Gelegenheit aber auch an die Presse eine Mahnung richten. Es hat sich zu einem Skandal herausgewachsen, daß selbst die bessere Presse sich nicht glaubt der eingehendsten Berichterstattung entziehen zu können, wo im Privatklageverfahren geschlechtliche Dinge eingehend verhandelt werden. Es hat großes Ärgernis heroorgerufen, daß auch in der -Kölnischen Zeitung- über derartige Prozesse solche Dinge berichtet wurden, die nicht in ein anständiges Haus gehören. Es ist im höchsten Grade ge fährlich, wenn solche Dinge in die Hände von Kindern, Angestellten kommen und von unreifen Gemütern verschlungen werden. Die gute Presse sollte alles das. was in Sensationsblättern vor gebracht wird, ihrerseits nicht aufnehmen Abgeordneter Ltroffer (Kons.): Was den Ausschluß der Öffentlichkeit bei Gefährdung der Sittlichkeit betrifft, so ist die Art und Weise, das Publikum von der Öffentlichkeit auszu schließen und die Presse zuzulassen, das Gegenteil von dem, was wir wünschen müssen. Wenn die Presse ausgeschloffen wäre und das Publikum, das einmal im Saal anwesend war, ruhig darin belassen wäre, so würde der Schaden nicht den tausendsten Teil so groß gewesen sein (bei Verhandlung Moltke gegen Harden vor dem Schöffengericht. Red.) Man weiß bei den vielen öffentlichen Gerichtsverhandlungen heute nicht mehr, wie man es anstellen soll, daß die Zeitungen nicht jungen Mädchen und Kindern in die Hände kommen, deren ganze Phantasie damit vergiftet werden kann. Es ist ganz falsch, wenn man sagt, die Kinder müssen schon frühzeitig über alle möglichen Dinge auf geklärt werden; die größere Anzahl der Eltern wünschen ihre Kinder über den Schmutz, der dort behandelt wird, nicht auf geklärt zu sehen. Deshalb wünschen auch meine politischen Freunde, daß der Justizminister auch seinerseits den Wunsch aus spricht, die Öffentlichkeit überall da auszuschließen, wo die Sitt lichkeit geschädigt werden kann Abgeordneter Roererr (Zentr.): Den Ausführungen, die der Abgeordnete Rewoldt wie der Abgeordnete Strosser über die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen gemacht hat, kann ich nur in vollem Maße zustimmen. Namentlich bei den letzten Skandal prozessen wurde es unangenehm empfunden, daß die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen wurde und infolgedessen der ganze Schmutz und die internsten sexuellen Vorgänge durch die Berichte der Presse in jedes Haus und jede Familie hineingetragen wurden. Auf der andern Seite muß man aber bedenken, daß grundsätzlich unsere Gerichtsverhandlungen öffentlich sein sollen, um die Recht sprechung zu kontrollieren und das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu befestigen. Die Öffentlichkeit soll nur ausgeschlossen werden, wenn Sitte und Ordnung es verlangen. Ob ein solcher Aus nahmefall vorliegt, können oft die Gerichte vorher gar nicht wissen, da sie die Aussagen der Zeugen noch nicht kennen. Es wird dem Anstandsgefühl der Berichterstatter überlasten werden müssen, sich in solchen Fällen die geziemenden Schranken aufzuerlegen. Gerade bei den letzten Skandalprozessen hat unsere angesehenere und vornehmere Presse — ich nehme keine Partei aus — über diese Verhandlungen nicht berichtet, während allerdings der sensationslüsterne Teil der Presse mit sichtlichem Behagen den Schmutz breit getreten hat. Sollte ein Appell an diese Presse keinen Erfolg haben, dann wäre es aller dings wünschenswert, daß die Gerichte mehr von ihrer Befugnis, die Presse auszuschließen, Gebrauch machten, namentlich in Privat klagesachen, wo es sich um interne Familienangelegenheiten handelt, wo man sich oft davor scheut, das Gericht anzurufen. Bet manchen Gerichten hat sich der Brauch eingeschlichen, daß in Fällen des ß 184 des Strafgesetzbuchs, wo es sich um die Ver breitung unzüchtiger Bilder und Schriften handelt, regelmäßig sogenannte Künstler und Literaten als Gutachter herangezogen werden, und daß dann auf diese Gutachten hin das Urteil, meist ein freisprechendes, gefällt wird. Der Abgeordnete Bassermann hat bereits im Reichstage ausgeführt, er habe kein Verständnis dafür, daß man zur Auslegung des Begriffs -unzüchtig- noch Sachverständige zuziehe; da stehe ihm der juristische Ver stand still. Ich meine, da steht einfach der gesunde Menschenverstand still. Es handelt sich doch hier nicht darum, ob ein solches Produkt künstlerisch ausgeführt ist oder nicht, sondern darum, ob das Bild oder die Schrift unzüchtig ist, d. h. nach der zu Recht bestehenden Rechtsauffassung geeignet ist, das sitt- liche Volksempfinden zu verletzen und zur Lüsternheit anzuregen. Darüber kann ein Kaufmann und Gewerbetreibender ebenso gut entscheiden wie ein Richter. Glaubt ein Richter, dies nicht tun zu können, so ist er überhaupt nicht fähig, seines Amtes zu walten. Nehmen Sie z. B. an, ein Künstler wolle eine Unzuchtszene darstellen, er tut dies auch, und zwar mit dem ganzen Ralfinement einer aus schweifenden Phantasie und der ganzen Technik der Kunst. Dieses Machwerk fällt zweifellos unter § 184. Hier hat einzig und allein der Richter zu entscheiden. Eine ganze Anzahl von Autoritäten hat sich in diesem Sinne ausgesprochen; ich nenne z. B. Hans Thoma, der in den -Münchner Neuesten Nachrichten- sich dafür aussprach, daß man zur Beurteilung solcher Fragen vor Gericht keine Schriftsteller, Künstler und Ärzte berufen sollte, sondern Eltern, Lehrer und Erzieher, wenn der Richter nicht selbst sich ein Urteil zutraue. Dieser Ansicht haben sich auch andre hervor ragende Künstler und Literaten, wie Leixner, angeschloffen. Im bayerischen Abgeordnetenhause hat vor 14 Tagen der Justiz- minister erklärt, daß die Richter selbst zu entscheiden hätten, ob ein Bild unzüchtig sei oder nicht. Vielfach werden aber Verleger oder Händler auf Grund der Gutachten von irgend welchen Künstlern oder Literaten freigesprochen. Die Anschauung des Künstlers ist wegen seiner Berufstätigkeit, wegen des ganzen Milieus, in dem er sich bewegt, nicht für das allgemeine sittliche Volksempfinden maßgebend. Ein Angeklagter findet aber leicht minderwertige Künstler oder Literaten, die solche Machwerke ver teidigen. Selbst der Abgeordnete Stadthagen wurde einmal als Sachverständiger berufen. Seine Anschauung kennt man ja aus seinen Reden bet der Beratung der lex Heinze. Ich verlange nicht vom Justizminister, daß er in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung eingreist; aber wenn sich allgemeine Mißbräuche im Prozeßverfahren einschleichen, so kann er auf deren Abstellung hinwirken, und er sollte die Staatsanwaltschaften anweisen, in solchen Fällen wirkliche Autoritäten für ein Gegengutachten heranzuziehen. Wie weit die Freisprechungen auf Grund der angeblichen Sachverständigen gutachten gehen, ersehen Sie aus diesen photographischen Aufnahmen nach dem Leben, die ich auf den Tisch des Hauses niederlege. (Die Abgeordneten umdrängen den Tisch des Hauses, um die niedergelegten Bilder zu betrachten.) Die Sachverständigen legten diesen Bildern einen hohen künstlerischen Wert bei; tatsächlich sind sie aber nur geeignet, die Sinnlichkeit zu reizen. Diese Bilder sind freigegeben und können nun unter Kindern und Frauen verbreitet werden bis in das entlegenste Dorf hinein. In manchen Blättern wimmelt der Inseratenteil von Annoncen pornographischen Charakters. Millionen und aber Millionen werden für solche Annoncen bezahlt. Die Verleger und Händler müssen also ihre Rechnung dabei finden. Hier liegt der Grund für den sittlichen Niedergang unsres Volkes. Der Prostitution gegenüber herrscht überall Ratlosigkeit; man mag gegen sie ein System wählen, wie man will, es wird nichts helfen, wenn nicht eine Generation heranwächst, die schon in der Jugend vor der unsittlichen Infizierung bewahrt wird. Unsere Jugend muß geschützt werden vor den Obszönitäten, die sich ihr auf Schritt und Tritt aufdrängen und ihr Herz vergiften. Die Behörden zeigen auf diesem Gebiete eine Zaghaftigkeit, Nachsicht und Milde, die nirgends weniger angebracht ist als hier. Der Staat hat das größte Interesse daran, daß die Reinheit des Volkslebens erhalten bleibt. Eine sittlich reine Nation wird an Körper und Wesen gesund sein; deshalb sollte die Regierung zum Schutze der Sittlichkeit energisch Vorgehen. Justizminister vr. Beselerr Es ist hier hervorgehoben worden, die Sittlichkeit werde nicht genügend geschützt durch die jetzt bestehenden Gesetze. Meine Herren, das erkenne ich an; ich erkenne es unumwunden an und bin der Meinung, daß die Gesetzgebung hier wird eingreifen müssen. Für jetzt wird es darauf ankommen, die Öffentlichkeit im Interesse der Sittlichkeit auszuschließen, soweit das Gesetz es zuläßt. Ich habe die Anklage behörden bereits darauf hingewiesen, daß sie überall sorgfältig ihr Augenmerk darauf richten und von der ihr zustehenden Be fugnis, Anträge zu stellen, welche sich in dieser Richtung bewegen,
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