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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.06.1903
- Strukturtyp
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- Band
- 1903-06-17
- Erscheinungsdatum
- 17.06.1903
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- Deutsch
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^ 187, 17. Juni 1903. Nichtamtlicher Teil. 4805 am meisten bei der streng wissenschaftlichen Fachliteratur, vor allem bei monographischen Arbeiten der Fall sein. Anders aber steht es bei der Literatur, die fllr breitre Kreise Interesse hat, bei wissenschaftlichen Werken allgemeinem Charakters, bei Lehr- und Handbüchern, bei historischen Werken darstellenden Charakters, vor allem auch bei der schönen Literatur. Hier fällt der Preis sehr stark ins Gewicht. Bleiben wir zunächst bei der poetischen Literatur. Wenn für eine Erzählung, einen Roman, der einen mäßigen Band füllt, 5 bis 6 Mark, für ein neues Drama, ungebun den, 2 oder 3 Mark gefordert werden, so wird der mögliche Käufer und noch mehr die Käuferin, die im Buchladen den Band in der Hand hält, stutzig und fängt an zu überlegen: ich lese das Buch doch bloß einmal, vielleicht nicht einmal zu Ende; da kann ich's mir ja auch leihen. Kostet dasselbe Buch dagegen bloß drei Mark, ist das Drama für eine Mark zu haben, so läuft die Überlegung in der umgekehrten Richtung ab: muß ich mir das Buch erst aus einer Leih bibliothek kommen lassen, so kostet es mich auch 25 oder 50 Pfennig, vielleicht, wenn ich's liegen lasse, noch mehr, und Mühe und Verdruß habe ich obendrein; da will ich's lieber gleich mitnehmen. Dann kann ich auch nach Bequemlichkeit lesen; gefällts mir, behalt ich's, um gelegentlich zu ihm zurückzukehren, sonst kann ich's ja auch noch einer Freundin zum Geburtstag verehren. Solche psychologischen Momente sind gerade beim Bücher kauf nicht unwichtig. Den nötigen Staat muß man an- schaffen, er mag kosten, was er wolle; aber Bücher an- schaffen, das ist doch nicht notwendig. Daher sind gerade hier kleine Hemmungen ausreichend, den günstigen Augen blicksentschluß zu verhindern. Dabei kommt noch eins in Betracht. Bei dem Kauf kleiner Luxusartikel spielt, wie man weiß, eine große Rolle die Meinung des Käufers, daß die Sache billig sei; kommt sie ihm so vor, so nimmt er mit, auch was er eben nicht dringend braucht; erscheint sie ihm dagegen teuer, so legt er sie verstimmt aus der Hand, auch wenn ihm sonst daran gelegen wäre. Nicht anders beim Bücherkauf. Nun haben wir eine Gattung Bücher, die durch ihren außerordentlich niedrigen Preis geeignet sind, den andern die Meinung an zuheften, daß sie sehr teuer seien. Neben dem mäßigen Band, für den 6 Mark gefordert werden, steht gleich ein stattlicher, das Zehnfache des Inhalts enthaltender, dabei ganz gut ge druckter und anständig ausgestatteter, sogar fein gebundner Band: Schillers oder Heines sämtliche Werke für 8 Mark. Oder neben dem neuen Drama, das 2 oder 3 Mark kostet, liegt ein sauber ausgestattetes Bändchen der Reclam-Brbliothek für 20 Pfennig. Der Käufer stutzt: geschenkt wird mir doch auch bei dem Reclam-Bändchen nichts; der Setzer setzt nicht wohlfeiler, die Papierfabrik liefert das Papier nicht zu Extra preisen, der Verleger und der Sortimenter machen das Ge schäft auch nicht um Gottes willen. Freilich, Hauptmann lebt und Schiller ist tot; aber sollte der Unterschied wirklich allein zur Honorierung des Dichters verwendet werden? Schwerlich. Also, es handelt sich um eine Spekulation des Buchhändlers auf mein Neuigkeitsbedürfnis. Aber er täuscht sich; hier kann ich das Neuigkeitsbedürfnis, anders als bei den Nouveautss, die in Kleider- und Putzläden angeboten werden, auch ohne Kauf befriedigen. Und so legt er das Buch wieder hin und behält mit Genugtuung über seine Rechenkunst das Geld in der Tasche. Ob er aber in der Folge zum Lesen kommt, das hängt von hundert Zufällen ab; die erste verpaßte Gelegenheit ist oft auch die letzte. Und so geschieht es denn, daß ein Schriftsteller, der viele Leser haben könnte und zu haben verdiente, man denke an einen Dichter wie Theodor Storm, bei Lebzeiten verhältnismäßig wenig gelesen worden ist. Ist es ein Trost, daß er nach seinem Tod in wohlfeilern Sammlungen mehr Leser findet, daß er vielleicht nach dreißig Jahren in die Reclambibliothel kommt? Aber er wollte zu den Mitlebenden sprechen; und denen ist er vorenthalten worden. Es ist doch eins wunderliche Tatsache, daß in Deutschland ausländische Dichter, Norweger und Dänen und Russen, in aller Hände sind, während mancher Einheimische, dessen innrer Wert nicht geringer ist, auf einen kleinen Leser kreis beschränkt bleibt, bloß weil jene »ungeschützten« Aus länder alsbald in Übersetzungen durch die Groschenbibliotheken verbreitet werden. Dasselbe, was von der schönen Literatur gilt, gilt auch von der wissenschaftlichen: sie ist zu teuer. Als Normal preis scheint sich hier allmählich ein Preis von dreißig bis vierzig Pfennig für den Bogen groß Oktav festzusetzen, der bei Schriften kleinern Umfangs auch wohl auf fünfzig Pfennig und darüber steigt. Das macht für einen Band von 400 bis 500 Seiten neun bis zwölf Mark. Jedermann hat nächste Beispiele aus seinem Gebiet zur Hand. Nicht bloß Spezialuntersuchungen und Monographien, sondern auch Bücher, die sich an einen großen Kreis wenden, Lese bücher und Sammlungen von Aufsätzen und Vorträgen, Lehr- und Handbücher werden zu diesem Preis auf den Markt gebracht. Die Folge ist auch hier, daß die Zahl der wirklichen Käufer gegen die der möglichen weit zurückbleibt. Das Be dürfnis und die Neigung zum Kaufen ist für diese Literatur gattung wohl nirgends größer als bei altern Studenten und Examenskandidaten, bei jungen Lehrern und Pastoren, Beamten und Ärzten, Technikern und Künstlern. Und diese Bevölkerungsgruppe ist im beständigen Wachsen; man denke nur, daß die Zahl der aus unfern Universitäten und Hoch schulen Studierenden gegenwärtig über fünMgtausend beträgt, während sie vor einem halben Jahrhundert nicht viel über zehntausend hinausging. Aber freilich, grade in diesem Lebensalter pflegt kein Überfluß an Mitteln vorhanden zu sein; man muß mit wenigem Haushalten; und so wird das vorhandne Bedürfnis nicht zu wirksamer Nachfrage. Man nimmt seine Zuflucht zu Bibliotheken und Lechanstalten. Wie groß dabei der Verlust an Zeit, an Stimmung, an Freude und geistigem Gewinn ist, ist leicht zu ermessen. Hätte man das Buch zu einem mäßigen Preis kaufen können, so brauchte man nicht erst dreimal umsonst nach der Bibliothek zu laufen, um jedesmal mit neuem Verdruß sich zu überzeugen, daß es verliehen ist; man hätte es zu dauerndem eignen Besitz und könnte sich darin wirklich heimisch machen. Und nicht minder hätte der Autor Freude an seinem Werk; nach ein paar Jahren wäre eine neue Auflage nötig, die er mit Rücksicht auf die Kritik verbessern und erneuern oder behaupten und verteidigen könnte; statt daß sich jetzt der Absatz durch zehn oder zwanzig Jahrs hin zieht, bis das Buch veraltet oder doch das Interesse daran bei den Lesern und dem Verfasser erkaltet ist. Der Verleger aber hat auch keine Freude an der Sache; trotz des hohen Preises ist das Geschäft mit dem Buch kein einträgliches; die Zinsen fressen den Gewinn. Und er setzt den Preis bei nächster Gelegenheit noch etwas höher an, um durch den Absatz der ersten paar Hundert Exemplare an Bibliotheken und andre notwendige Käufer möglichst gedeckt zu sein. Wie sollen wir aus diesem eirvulus vitiosus heraus kommen ? Ich meine, Autoren und Verleger müssen sich die Hand reichen. Zunächst scheint es mir notwendig, daß die Autoren mehr als bisher der Sache ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Vor allem sollten sie die Feststellung des Ladenpreises nicht 087
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