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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.10.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-10-28
- Erscheinungsdatum
- 28.10.1907
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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11268 Börsenblatt s. l>. Dychn. Buchhandel. Fertige Bücher. 252, 28. Oktober 1907. AllstttilMn! Unter dieser Überschrift brachte unlängst das „Neue Wiener Tagblatt", und zwar in einem längeren Feuilletonartikel von E, Pötzl, eine Besprechung der Etikette- Plaudereien von Eustachius Graf Pilati.*) Es sei daraus hier folgendes wiedergegeben: Es ist nicht gleichgültig, wie je mand ißt, sich in Gesellschaft benimmt, sich gegen Vorgesetzte oder Untergebene verhält. Darum darf ein Buch willkommen geheißen werden, das in angenehmer, unterhaltender und belehrender Weise über diese Dinge spricht, die nun einmal nicht zu umgehen sind und deren Kenntnis unter Umständen das Glück oder Unglück eines Menschen be kunden kann usw. Der adelige Autor zeigt sich in jeder Zeile als ein weltgewandter, liebenswürdiger, auf geklärter und angenehmer Mann, dem es gar nicht einfällt, die von ihm behandelten Gegen stände etwa blutig ernst zu nehmen. Er gibt deren scheinbare Nichtigkeit ohne weiteres zu, meint aber besonnen und treuherzig un gefähr: Wozu sollt ihr euch, die ihr an Ge diegenheit, Kenntnissen und innerlicher An ständigkeit vielleicht turmhoch irgend einen mondainen Fant überragt, von dem hohlen Burschen geringschätzen lassen, weil ihr form los seid? Es ist keine Kunst, das Zeug zu lernen und zu allen den guten Eigenschaften, die ihr ohnehin schon habt, dann auch noch die feinen Umgangsformen zu besitzen, deren Ausübung nichts kostet und die euch über alle diejenigen erhebt, die sonst nichts wissen als diese Äußerlichkeiten. Und er hat recht, der gemütliche Graf, der oft genug in seinem Buche die gigerlhaften Auswüchse des gesellschaftlichen Kodex verhöhnt und nur für die wirklich verständigen und ästhetischen Gesetze eintritt: Wie oft sieht man bei sonst wohlerzogenen Mädchen der kleinbürgerlichen Klassen, daß sie beim Essen das Messer in den hübschen Mund stecken und mit vollen Backen kauend schmatzen! Oder an Jünglingen, daß sie bei Vor stellungen und Begrüßungen mit zu Boden gesenkten Augen zusammenknicken wie ein Taschenfeitel, anstatt den Begrüßten voll anzublicken und dabei verbindlich das Haupt zu neigen. Das schlechte Essen eines Mäd chens kann einen erwünschten Gatten ver scheuchen, das linkische Benehmen eines jungen Mannes dessen Zukunft widrig beeinflussen. Mag ein Mädchen noch so arm sein, essen kann sie wie eine Prinzessin —nur nicht so üppig, und mag ein Jüngling auch noch so schüchtern sein, er muß das unterdrücken, wenn er in der Welt weiterkommen will. Aber natür lich: hundert Dinge werden in der Schule gelehrt, um sie im Leben zu vergessen; doch Anstandslehre, die den Sohn des letzten Arbeiters gleichstellt mit dem Milltonärs- sohn, die findet keinen Eingang. Das überläßt man dem Tanzmeister, der sie natürlich von seinem Standpunkte aus recht einseitig behandelt. Nicht ohne Humor verbreitet sich Graf Pilati über die kleinsten Details der guten Sitten, mitunter sich selbst auslachend, wie zum Beispiel beim Suppen essen, das er zuerst nach dem tatsächlich herrschenden Gebrauche für die Breitseite des Löffels empfiehlt. In einer nächsten Plauderei sagt er ungeniert heraus: So ist's unbequem, man tunkt sich den Schnurrbart zu sehr ein, und überhaupt, wozu hat der Löffel eine abgerundete Spitze, wenn man die Suppe nicht durch diese in den Mund rinnen taffen soll? Ebenso schlicht und auf richtig sagt er seine Meinung über die weltbewegende Frage, ob ein Gentleman anknöpfbare Manschetten tragen dürfe oder nicht. Bekanntlich gelten die festen Man schetten und Kragen als vornehm, offenbar, weil ihr Träger genötigt ist, mehrmals im Tage das Hemd zu wechseln, wenn er Hemd und Manschetten stets rein haben will. Da die Welt aber nicht aus lauter Müßig gängern bestehen kann, so erlauben sich Leute, die niemandem raten würden, ihnen die Eigenschaften eines Gentleman zu be streiten, Kragen und Manschetten an das Hemd anzuknöpfen. Graf Pilati sagt über dieses Thema folgendes: „Die festen Manschetten spielen in Offi zierskreisen und in gleich angesehenen Gesell schaftskreisen eine große Rolle. Sie gelten in diesen Kreisen vielfach als Prüfstein dafür, ob jemand den an die Vornehmheit seiner Kleidung gestellten Anforderungen genügt. In Dtplomatenkreisen, im hohen Adel, in den Offizierskorps der Garde, auch in denjenigen fast aller Linien-Kavallerie-Regimenter gelten feste Manschetten für ganz selbstver ständlich Ja, wenn der Prinz von X. sich in losen Manschetten zeigte, man würde fast annehmen, er ginge auf den Maskenball oder wollte aus sonst irgendwelchen Gründen inkognito auftreten. Womit begründen oder erklären nun die Verächter loser Manschetten diese ihre Anti pathie? Man sagt, wie lose Manschetten zum Hemd, könnte man ja auch über den untersten Teil der Rockärmel oder Beinkleider lose — unabhängig von Rock oder Beinkleid — leicht umzuwechselndc Manschetten aus demselben Tuchstoff tragen; man hält es für vornehmer, Bekleidungsstücke möglichst wie aus einem Guß zu haben und nicht derart, daß Teile (wie die Manschetten am Hemd), die der Beschädigung durch Reibung oder Schmutz am meisten ausgesetzt sind — daß diese Teile dann allein gewechselt werden können. Das Prinzip der Reinlichkeit ist mehr gewahrt, wenn ich das ganze Bekleidungsstück wechsle, sobald die fest daran sitzenden, dem Schmutz am meisten ausgesetzten Manschetten den Wechselerfordern. Jeder sollnachseiner Fa?on selig werden, auch schon hier auf Erden, hierzu gehört: den Wünschen seiner Umgebung, den in seinem Stand üblichen Äußerlichkeiten — des lieben Friedens wegen — zu entsprechen, solange es sich um keine schwerwiegenden Ge wissensfragen handelt. Und zu diesen gehört die Manschettenfrage nicht. Wer seinen Sohn Kavallerieoffizier werden läßt, wird ihm wohl auch die Mittel geben können, um sich den durch festen Manschetten bedingten Mehr aufwand an Wäsche leisten zu können. Wer aber diese Mittel nicht besitzt, handelt natür lich anständiger, wenn er auf daS Ver gnügen verzichtet, durch vornehme Wäsche zu glänzen. Es gibt vornehme und wohl habende Leute, die diesen Wäschekultus nicht treiben und dafür ihre triftigen Gründe haben." Dergleichen Eleganzfragen kehren in dem Buche häufig wieder, und stets findet der Autor einen vernünftigen, klaren Bescheid oder Trost für die vom Glücke minder Be günstigten, die sich die kostspieligen Ge wohnheiten der oberen Zehntausend nicht zu gönnen vermögen, ohne doch auf ent sprechende Toilette ganz verzichten zu wollen. Den größten Beifall aber verdienen seine Ausführungen über die diskreten Anlässe, eine Tischgesellschaft plötzlich zu verlassen, wobei viele Leute aus falscher Scham ge radezu Blut schwitzen. Der Verfasser ist für die unbedingte Offenheit, als eine von aller Welt hinzunehmende Selbstverständlichkeit. Wir sind Menschen, auch in den verfeinertsten Exemplaren dem Stoffwechsel unterworfen. Kein Besinnen, kein Zaudern: aufstehen und hinausgehen, als ob es gar nicht anders sein könnte. Und hocherhobenen Hauptes wieder hereinkommen: denn man hat sich, wie dies jeder reinliche Mensch bei solcher Gelegenheit tut, ja gründlich die Hände gewaschen. Zur Beurteilung des weitverzweigten Inhaltes der Pilatischen Anstandslehre wird es wohl am besten sein, einen Auszug des Registers hierher zu setzen: Anhauchen beim Sprechen; Anstoßen der Gläser; Ausbruch in einer Gesellschaft; Aufheben der Tafel; Augengläser; vor nehme Aussprache; Ausspucken; Essen von Austern und Krebsen; Ballmutter und Balloater; Benehmen im Theater und Konzert; Besteck und Service; Be steigen des Wagens; Besuche; Dame führen; Damen ohne Begleitung; das Dekollelö; Decken der Tafel; Ein- und Zugießen von Wein; Finger- und Spülschalen; Handküssen; Handschuh tragen; Höflichkeit in der Familie; Höflichkeitsrücksichten im Restaurant; Kneifer; Konversation; Materielle Ge nüsse nach Tisch; Messerhelden; Moderne Ritterdienste; Monocle; Murmeln beim Vorstellen; Nötigen; Rauchen; Revision der eigenen Toilette; Ritterlichkeiten gegen Damen; Schleppen; Schutz-oder Klapper deckchen; Serviette; Smoking; Spargel essen; 'Is.dis ä'ööts; Tischreden; Titu laturen; Trinkgelder; Unterhaltung nach Tisch; Verbeugungen der Herren; Verhalten an der Tafel bei Ungeschick lichkeiten; Verhalten auf Tanzfestcn; Verhalten bei Zeremonien Anders gläubiger; Visitenkarten; Vorstellen; Zahnstocher; Zeitweise Berechtigung des Schmutzes; Zu Tisch; Zutrinken; Zwei Damen führen. Man sieht: eine Art Enzyklopädie der guten Lebensart — alles ohne Aufdringlich keit oder Selbstüberhebung im leichtesten Plaudertone herausgebracht. Das Buch kann viel Gutes tun, wenn es überall dort als Lehrer auftritt, wo man diese Dinge bis her vernachlässigt hat. *) Etikette - Plaudereien. Von Eustachius Graf Pilati. 2. Auflage (4.—6. Tausend). Elegant gebunden ord., 2 no. bar, 7/6 12 ^ SO -Z. Das gangbare Buch wird von sämtlichen Barsortimenten geführt. Befreundeten Handlungen steht auf Verlangen 1 Ex. L cond. zu Diensten. Deutsches Druck- und Dertagshaus, G. m. b. H., Merlin.
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