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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.06.1897
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1897-06-25
- Erscheinungsdatum
- 25.06.1897
- Sprache
- Deutsch
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1897
- Monat1897-06
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- Jahr1897
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- Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.06.1897
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- No.
- [17] - 4625
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IS 144, 25. Juni 1897. Fertige Bücher. 4625 W. DüWlers NerlagsbuLhllnLluns in Srrlin 8V. 12, Ziininnkrnßk 94. Wolfgang Kirchbach, Was lehrte Jesu ^284141 Zwei Hlr-KvcrngeLien. 16 Bogen gr. Oktav. Geheftet 5 elegant gebunden 6 ^ ord. Rabatt: In Rechnung 25°/», bar 30°/«. Frei-Exemplare 11/10. — Gebunden nur fest! Daß es sich bei diesem Werke um eine hochbedeutende Erscheinung von geradezu sensationellem Interesse handelt, beweist die ansierordentlich rege Nachfrage, welche die wenigen bis jetzt vorliegenden Besprechungen im Publikum bereits hervorgcrufen haben. Die Presse wird sich zweifellos noch sehr eingehend mit dem Werke beschäftigen. Die kölnische Zeitung urteilt darüber: IZum Verständnis der Urlehre Christij bietet einen neuen, sehr bemerkenswerten Beitrag Wolfgang Kirchbach in seinem eben erschienenen Buche: «Was lehrte Jesus? Zwei Ur- Evangelien.» (Berlin, Ferd. Dümmler.) Es ist für den, der sein logisches Denken über die Kirchenschwelle zu tragen wagt, oft ein Rätsel, wie manche Dogmen und Einrichtungen von Geschlecht zu Geschlecht weitergeschleppt werden, nicht etwa als altehrwürdiges Gedenkzeichen früherer Glaubensmeinungen, sondern mit dem festen Glauben, daß diese oft kleinlichen und widersinnigen Gebräuche und Lehrsätze aus ausdrückliche persönliche Anordnung eines Welten lenkers zurückzuführen seien. Die Geschichte zeigt, welche un geheure Autorität das befehlende, sich selbst für unanfechtbar er klärende Wort besitzt, wenn auch sein Inhalt einer unbefangenen Prüfung nicht standhält. Wieviel Menschenleben und DUnschenglück haben allein manche dogmatische Streitigkeiten in den verschiedenen Zweigen der christlichen Kirche hingerafft, deren Lehren doch in den Grundzügen dieselben sind; bis in die neueste Zeit gilt manchem braven Christenmenschen wiederum der Jude, auch abgesehen von der Rassenfeindschaft, fast als ein unreines Geschöpf, obwohl auch hier, von einem unbefangenen Standpunkte betrachtet, die Ähn lichkeit der Religionen die Verschiedenheiten gewaltig überwiept. Wenn der Begründer der christlichen Religion selbst die später so üppig wuchernden Keime der Zwietracht, des Mißverständnisses, der Verstandesknechtung, der Erstarrung in Formen, ja, des nackten Fetischismus in seine Lehre gelegt hätte, so wäre seine Botschaft keine frohe Botschaft gewesen. Dem ist aber nicht so. Ein Haupt hemmnis für die Entwicklung der, wie alles Große, einfachen sitt lichen Gedanken Jesu war es, daß man die Evangelien, die «nach" Matthäus u. s. w. geschrieben sind, in Bausch und Bogen als das Wort Gottes hinnahm, daß man, um den Frevel, nur an einem Buchstaben zu rütteln, zu vermeiden, Mißverständnisse und Wider sprüche in diesem teilweise recht naiven Menschenwerke durch die gewagtesten Tüfteleien und Auslegungen zu beseitigen suchte und die dem Orientalen eigne, an Bildern, Gleichnissen und Personi fikationen reiche Redeweise mit plumpem, täppischem Geiste wört lich auffaßte und diese wörtliche Auslegung als buchstäbliche Wahrheit der gläubigen Menge auszwang, die ihrerseits nach derben körperhaften Vorstellungen verlangte und für eine rein sittliche, auf Aristokraten des Geistes berechnete Weltanschauung kein Verständnis hatte. Man hat nun, seitdem die Kirche ihr drückendes Polizeiregiment aufgeben mußte und die -gesegneten Flammen des Scheiterhaufens-, wie ein aberwitziger Römling jüngst zu schreiben wagte, erloschen sind, häufig versucht, aus dem Wust von Aber glauben und Formelkram den Kern, die ursprüngliche Lehre Jesu aufzufinden. Einen sehr scharfsinnigen und entschlossenen Beitrag liefert hierzu das Buch Wolfgang Kirchbachs: Was lehrte Jesus? Kirchbach ist insofern Laie, als er selbst nicht Geistlicher ist, aber er hat während langer Jahre, auf sein hohes Ziel hinarbeitend, genaue historische, philosophische und vor allem auch philologische Studien getrieben; auch war ihm der bei streng wissenschaftlichen Werken zuweilen nicht unbedenkliche Umstand, daß er selbst ein Dichter ist, hier von Nutzen, da der Verfasser, an poetisches Schaffen gewöhnt, eher die poetischen Bilder und Redewendungen der biblischen Geschichten nachzuempfinden und zu erklären vermochte. Daß Kirchbach die im Schoße der Christenheit selbst entstandenen Verdunkelungen und Verballhornungen der Lehre Jesu scharf kri tisiert, ist selbstverständlich; zugleich aber wendet er sich auch gegen die jetzt sehr beliebte Auffassung, daß diese Lehre hauptsäch lich auf indische Einflüsse zurückzuführen sei. Wir wissen nicht, ob Kirchbach in letzterer Hinsicht einem Prinzip zuliebe etwas zu scharf vorgegangen ist. Zunächst zwei leicht verständliche Beispiele, wie Kirchbach durch rein philologische Forschung wichtige Sätze in das Gegenteil der bisherigen Auffassung umkehrt: Jesus antwortet auf die Frage des Pilatus, ob er Gottes Sohn sei: „Du sagst es." Diese Antwort ist immer als Bejahung aufgesaßt worden, Kirchbach dagegen weist nach, sie sei richtig zu übersetzen: „Das sagst d u", d. h. umschrieben: Das magst du zwar meinen und sagen, ich denke anders darüber. Die sonderbaren kulturfeind lichen Worte der lutherischen Uebersetzung der Bergpredigt: „selig, die da geistig arm sind", lauten nach Kirchbach im Original: selig sind die Bettler um Geist, d. h. diejenigen, die lebhafte geistige Bedürfnisse haben, also grrade das Gegenteil von denjenigen, die das zweifelhafte Verdienst haben, dumm und stumpf zu sein. Es würde zu weit führen und das Studium des Kirchbachschen Werkes in keiner Weise ersetzen, wenn wir den Autor weiter bei seiner philo logischen Auslegung der von den Evangelisten berichteten, teilweise verstümmelten, teilweise durch Zusätze vergröberten Reden Jesu bgeleiteten. Die Ergebnisse sind oft überraschend und jedenfalls wert, von der Wissenschaft auf die Tagesordnung gestellt zu werden. Es ist natürlich, daß Kirchbach stets in engem Zusammenhang mit dem Alten Testamente bleibt. So legt er z. B. den größten Wert auf das hochbedeutende 18. Kapitel des Hesekiel, in dem der stets weitergeschleppte, zu entsetzlichen Konsequenzen anregende Syna gogenbegriff von der Erbsünde so gründlich abgeschüttelt wird, wie es nur möglich ist; Jesus hat keine direkte Aeußerung über diesen doch so wichtigen Begriff gethan, und erst Paulus, angeregt durch die synagogische und griechische tragische Eclösungslehre, hat die Erbsünde und die Lehre von der Möglichkeit der „Erlösung" von dieser durch die „Gnade" eingeführt. Die positiven Grund sätze der Kirchbachschen Forschung lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenstellen: Jesus betrachtet sich weder im jetzt gebräuch lichen Sinne als den Sohn Gottes, noch weiß er überhaupt von Gott selbst etwas anderes, als eben das, daß wir ihn nicht kennen; wenn er ferner von sich als der Auferstehung und dem Leben spricht, so meint er damit nach orientalischem Brauche seine Lehre, seine Weltanschauung; Jesus operierte nie mit dem Jenseits, der vltims, ratio der jetzigen Kirche, sondern fußte durchaus in dem zeitlichen Leben des Menschen. Ueber die ethische Seite der reinen Lehre Jesu bringt Kirchbach hauptsächlich an der Hand des Matthäus- und Johannes-Evangeliums wertvolle Auseinandersetzungen voll tiefer und schöner Gedanken, wenn wir auch Bedenken haben, ob nicht hier und da Kirchbach Jesus aus dem Gedankenkreise seiner Zeit und Umgebung zu radikal herausgehoben habe. Um auch nur annähernd einen Begriff von der Reichhaltigkeit der scharf sinnigen Forschungen Kirchbachs zu geben, müßten wir in gelehrte und verwickelte Einzelheiten eindringen, die sich auf beschränktem Raume nur höchst mangelhaft wiedergcben lassen. Jedem, der an den größten Interessen der Menschheit nicht gleichgiltig vorüber geht, jedem, der, mag er auch einen andern Standpunkt einnehmen, an scharfsinniger Denkarbeit Freude hat, sei Kirchbachs Buch em pfohlen. Um etwaigen Mißverständnissen zu begegnen, sei noch erwähnt, daß das Buch mit der oberflächlichen Broschürenlitteratur unserer Tage nichts gemein hat, es ist eine durchaus ernste Arbeit; auch die Wissenschaft wird sich mit ihm befassen müssen.
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