1366dörsenbla11 f. d. Dtschn. Buchhandel. Fertige uird ikürifttg erscheinende Bücher. Ar 2t. 28. Januar IMS. s d. Cäsar Flaischlen, Das Buch unserer deutschen Dichtung Aus der Vorrede: /Ls ist die Sehnsucht jedes Volkes gewesen, die Schriften der Großen, auf denen seine Kultur ^ und seine Ethik aufbaut, als geschloffenes Ganzes zusammen zu haben, als Denkmal eigenen Mollens und Werdens, und es wäre längst an der Zeit, die Werke unserer Literatur zu einem solchen Volksbuche zu vereinigen. — Was die Veden für die Inder, was das alte Testament für die Juden, was die in der Bibel vereinigten Schriften für das gesamte Abendland, was dem gegenüber der Koran für den Orient, was Homer für die Griechen und die in der Edda ge- sammelten Sagen und Lieder für die alte Welt der germanischen Völker . . . das sind, wenn auch auf veränderter Grundlage, für unser deutsches Volk von heute die Werke unserer Dichter. - Schon Goethe erkannte die Notwendigkeit einer solchen Sammlung. Es blieb jedoch bei bloßen Entwürfen. — Was Niethammer und Goethe vor hundert Jahren als dringende Notwendigkeit empfanden im Sinne eines festen Punktes inmitten der Verworrenheit der Zeit, erscheint im Hin blick auf die Zersplitterung der Welt von heute geradezu als unerläßliches Gebot. - Sollte aber mit der Ausführung eines derartigen Volksbuches wirklich Tat gemacht werden . . . und ich trug mich mit Plänen dazu, ehe ich von den Entwürfen Niethammers und Goethes Kenntnis hatte... so galt es vor allem, das Ganze auf technisch mögliche Grenzen zu bringen und auf eine Samm lung im Sinne eines deutschen Nationalbuches zu konzentrieren. - Es wäre schön gewesen, bis auf die Anfänge unseres Schrifttums zurückzugehen. Einerseits aber schließen sich die Denkmäler unserer gotischen, althochdeutschen und mittelhochdeutschen Vorzeit sprachlich von selbst zu einem besonderen Ganzen ab und hätten in Übertragungen gegeben werden müssen, andererseits hätten sie den Amfang des Werkes so belastet, daß die Durchführung vielleicht abermals fraglich geworden wäre. Es erschien daher zweckmäßig, das Ganze innerhalb unserer neuhochdeutschen Sprache zu halten . . . und so ergab sich als feste Grenze nach rückwärts das Jahr 150V. - Aber auch so galt es den immerhin noch ungeheuren Stoff von 375 Jahren zu bewältigen und zu geschloffener Einheit zu bringen. — Als erster Gesichtspunkt war dabei maßgebend: alles aufzusammeln, was in irgendeiner Meise lebendig geblieben und ... in geringerem Amfang . . . auch vielleicht Ein zelnes, das vielleicht verdient hätte, wieder lebendig zu werden. — Ausgeschieden wurde alles, was nur Ballast bildete, alles, was dem unbefangenen Menschen von heute nichts mehr gibt und nur noch als totes Gesträuch im Garten sieht und Anderem Licht und Luft nimmt. - Daß nur voll- ständige Werke zum Abdruck gelangten, bedarf wohl keiner besonderen Betonung und ebensowenig, daß alle kritischen, geschichtlichen und ästhetischen Schriften in Wegfall kommen mußten, sowie alles, was nur Übersetzung aus fremden Sprachen war. Ausnahmen freilich mußten überall ge macht werden, auf der einen Seite z. B. bei Herder, auf der anderen dem Simplicissimus und Klopstocks Messias gegenüber, deren übergroßer Amfang nur durch gewaltsame Lösung zu zwingen war. — Was hierdurch an Platz gewonnen wurde, konnte unseren Klassikern in engerem Sinne zugute kommen, von denen so viel als irgend möglich ausgenommen wurde. HV>ir stehen vor den Toren einer neuen Weltgestaltung, und so möge dieses Werk, das im stolzen Glauben an den Aufstieg unseres Volkes vor hundert Jahren einst gedacht und nun Gestalt gewonnen hat, von diesem als köstlichster Besitz genommen werden. Seine Dichter haben es ge schaffen. Möge unser Volk, was sie ihm gaben, immer aufs neue zur Tat werden lassen und zu festem Boden unter seinen Füßen und zu Laus und Heimat, und möge es immer sich eins fühlen mit dem Geist, der es^durch die Jahrhunderte hindurch von Löhe zu Löhe trug! Berlin, im Jahre 1914 Cäsar Flaischlen A Wilhelm Andermann Verlag, Königstein im Taunus