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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.05.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-05-08
- Erscheinungsdatum
- 08.05.1911
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- Deutsch
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5584 vörsenblatt s. v Drichn. vuchhanbe». Nichtamtlicher Teil. 105, 8. Mai 1SI1 einem Kinde einen großen gotischen Buchstaben, etwa ein U bei zubringen. Für die Buchdrucker ist die gotische Schrift kein Vorteil, aber da sie in den Romanausgaben gedruckt wird, so müssen sie diese Schrift noch beibehalten. Die Kollegen, die alte Herren studentischer Verbindungen sind, sollten einmal versuchen, ob ein einziger studentischer Zirkel ohne Antiqua möglich wäre. Es ist eine durchaus vernünftige Forderung, die Kinder zuerst die Antiqua zu lehren. Daß der Abgeordnete Pfeiffer sich auf Luther bezogen hat, ist eigenartig. Bei dem Wunsche der Petenten handelt es sich um einen kulturellen Fortschritt, um die Möglich keit, dem internationalen Verkehr, ohne den wir gar nicht existieren können, eine größere Beweglichkeit zu geben, und um die Mög lichkeit, daß die Völker in ihrem gegenseitigen Verkehr besser auskommen. Abgeordneter Streseman« (nl.): Die Angelegenheit hat eine außerordentlich große Erregung in weiten Kreisen hervorgerufen; man streitet mit Leidenschaftlichkeit darüber, und diese Leiden schaftlichkeit baut sich auch auf einem nationalen Untergründe auf. Die jungen Studierenden, die uns in dieser Beziehung ihre Ansicht zur Kenntnis gebracht haben, haben ein gutes Recht dazu, und man soll sie nicht lächerlich machen. Die Herren rechts übertreiben aber doch die Bedeutung der Frage ganz wesentlich. Das Deutschtum soll in Gefahr kommen, wenn wir einem Kommissionsantrag zustimmen! Wie kann man im Ernst solche Behauptung wagen! Warum lernen wir überhaupt in den deutschen Schulen die lateinische Schrift, wenn sie undeutsch ist? Es gibt eben keine einheitliche deutsche Schrift; Namen von bestem Klang haben sich für die Fraktur, und Namen von bestem Klang haben sich für die Antiqua aus- gesprochen. Da kann man nicht nach dem Maßstabe des deutschen Empfindens die Scheidelinie ziehen. Goethe hat zahlreiche Gedichte in lateinischer Schrift niedergeschrieben, so auch die Marienbader Elegie. Gerade um deutsches Geistesleben den Völkern des Erdballs näherzubringen, bedient sich die Goethe- Gesellschaft der Antiqua. Die deutschnationalen Lehrerverbände empfehlen sie, kann da deutsches Empfinden auf dem Spiele stehen? Es handelt sich am letzten Ende um eine reine Zweck- mäßigkeitsfrage, eine große Zahl deutscher Missionare hat sich auf denselben Standpunkt gestellt, das kann man doch nicht einfach mit Lachen abtun. Noch auf keinem deutschen Bahnhof habe ich den Stationsnamen anders als mit großen Antiqualettern an gegeben gefunden. Wird dadurch das Ansehen des Deutschen Reiches geschädigt? Die Fraktur, an sich im kleinen ein Kunst stück, erschwert im Verkehr die Verständigung, während die Antiqua sie erleichtert. Der Kommissionsantrag soll ja schließlich der Regierung nur eine Anregung geben, sich mit der Frage zu beschäftigen. Um eine Parteifrage kann es sich hier wirklich nicht handeln. Abgeordneter vr. Naumann (fortschr. Volksp.): Ich für meine Person unterscheide mich von meinem Parteigenossen Stengel darin, daß ich die psychologischen und charakterologischen Werte, die hinter der deutschen Schriftform stecken, höher bewerte. Daß nur 12 Kollegen sich deutsch in die Präsenzliste eingeschrieben haben, bedeutet nichts weiter, als daß sich die andern, wenn es sich um Urkunden handelt, lieber der alten römischen Rechtsschrift bedienen. Die deutsche Schrift wird jetzt plötzlich als mittelalter lich und zopfig hingestellt. Gewiß schreibt Goethe gelegentlich Antiqua, so wenn er ein Denkmal setzte, das meiste aber, was wir von ihm haben, ist in deutschen Lettern geschrieben. Auch die Völker mit nur einer Schrift zeichnen sich weder orthographisch noch kalligraphisch vor den zweischriftigen Deutschen aus. Jede Schreibweise hat ihre Vorteile und ihre Nachteile. Die deutsche Schreibweise ist komplizierter und schwerer zu lernen; ist es aber, pädagogisch betrachtet, richtiger, nur die leichtere Hand habung zu lehren und damit auf den ersichtlichen Wert der Erlernung der komplizierteren zu verzichten? Die Quali tätsleistung der Linie, der Form hängt mit dieser Frage zu- sammen. Daß den Ausländern das Studium der deutschen Sprache durch die Antiqua erleichtert wird, gebe ich zu. Aber die deutschen Zeitungen im Auslande, z. B. in Amerika, werden in Fraktur gedruckt, um den Heimatton festzuhalten. Wäre unser gewerbliches Ideal das Renaissanceideal, so müßten wir allerdings zur Antiqua übergehen. Mit Nachahmung der Renaissancevorbilder werden wir aber niemals weiter kommen. Wollen wir vorwärts auf diesem Gebiete, so müssen wir unsere so eigentümlichen Elemente aus unserm deutschen Wesen herausholen, wir müssen an deutsche Stilperioden anknüpfen, wo wir nicht in dem großen Kielwasser der Renaissance geschwommen haben. Alles, was wir heute sehen, ist ein Protest gegen die Renaissance im Gewerbe. Das Bild der deutschen Sprache ist die zwar etwas eckige und spitze, aber charakteristische und erzieherische Schrift. Jakob Grimm schrieb zwar in lateinischer Schrift, aber Wilhelm Grimm in deutscher Schrift, wenn er wohl auch einmal in lateinischer Schrift geschrieben hat. Goethe würde heute auch nicht mit der latei- nischen Ausgabe seiner Schriften einverstanden sein. Die deutsche Sprache hat ihr eigenes Kleid, und dies soll sie behalten. Abg. von Liebert (Rp.): Nach der eben gehörten rednerischen Leistung kann ich mich kurz fassen. Ich möchte nur mein Be- fremden der Kommission und der Regierung ausdrücken, die hier so wenig Fühlung mit dem Volksempfinden gezeigt haben! Die Frakturschrift ist ein Stück deutschen Wesens. Wir müssen uns auf den Boden der großen Masse, des großen deutschen Volkes stellen, nicht auf den der Geschäfts leute. Die Antiqua ist uns fremd oder wenigstens mit der Zeit fremd geworden. Unsere Kinder haben nun einmal seit einem Jahrtausend deutsche Schrift gelernt. (Zuruf: Muß der alte Kinder haben!) Wir Deutschen sind doch stolz darauf, daß unsere Kinder alle lesen und schreiben können, während andere Völker, deren Kinder nur eine Schrift lernen, eine große Zahl von Analphabeten haben. Auch das Russische mit seinem eigenen Charakter liest sich leichter als das Polnische, das in Antiqua ge- schrieben wird. Ein Volk, das in hundert Millionen auf der ganzen Welt verbreitet ist, hat einen Anspruch auf eigene Schrift. Wir sind auch das Volk, das die meisten Bücher exportiert. Die Bücher in Frakturschrift können doch nicht als altes Eisen beiseite geworfen werden. Der Hinweis auf die Schreibmaschinenschrift ist nur ein höchst bedauerlicher Beweis dafür, daß wir uns von Amerika haben überrumpeln lassen. Das sollten wir uns nicht gefallen lassen. Wozu haben wir denn römische Ziffern? (Große Unruhe und lebhafte Zurufe links.) Den Goethe will das deutsche Volk in deutscher Schrift. Es wäre eine Barbarei, wollte man die Fraktur jetzt beiseite schieben. Das deutsche Volk sollte seine Schrift, die es sich durch die Jahrhunderte erhalten hat, bewahren, die Schrift seiner großen Männer, die Schrift Luthers, Wolfgang von Goethes und Bismarcks. Abg. Bindewald (D. Rfp ): Wenn von der Linken gesagt ist, es handle sich nicht um eine Parteisache, so begrüße ich das mit Freude. Aber es ist gewiß keine unparteiische Behandlung, wenn bei der Rede des Abg. von Liebert ein solcher Lärm auf der Linken entstanden ist, daß wir die Rede nicht mehr verstehen konnten. Der Abg. Naumann ist ohne irgendwelchen ihn störenden Zwischenruf von der Rechten angehört worden, denselben Anstand können die Redner der Rechten von der Linken verlangen. Die Frage ist tatsächlich mit ein paar Redensarten nicht abzumachen, am wenigsten durch Lärm. Verlängern Sie deshalb nicht unnützerweise diesen Tag, was ich sagen will, sage ich doch. Der Kommissionsbericht stellt sich bereits als eine Agitations schrift für die Antiqua dar, genau so wie die Rede des Berichterstatters eine Agitationsrede war. Dadurch hat die ganze Verhandlung eine andere Wendung genommen: man war über die parteiische Art der Berichterstattung erregt. Die Frage ist nicht nur eine rein völkische, sondern von so großer Vielseitig keit, daß man stundenlang darüber reden könnte. Aber haben Sie keine Sorge. Das meiste von dem, was ich sagen wollte, ist bereits gesagt. Die Ausführungen des Abgeordneten Geck waren sehr humoristisch, ober dem Gegenstände nicht recht angemessen. Jeder, auch jeder Volksschullehrer wird bestreiten, daß die Organi sation unseres Volksschulunterrichts mangelhaft sei. Der deutsche Schüler liest und schreibt viel besser als der ausländische. Es ist auch nicht richtig, daß die Antiqua den Kindern leichter faßlich wäre. Ist doch beispielsweise nichts schwieriger, als einen Kreis richtig zu zeichnen. Jeder Lehrer und jeder Familienvater wird mir bestätigen, daß, wenn ein Kind die Antiqua nicht exakt schreibt, das Wiederlesen viel schwieriger ist als bei der Fraktur. Das Charakteristische prägt sich ein, deshalb ist auch die Fraktur leichter zu lernen. Wenn es wirklich gelungen ist, 60 000 Unterschriften von Lehrern zu gunsten der Antiqua zu sammenzubringen, so hat das deutsche Volk doch mindestens
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