Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.08.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-08-23
- Erscheinungsdatum
- 23.08.1911
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19110823
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191108238
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19110823
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1911
- Monat1911-08
- Tag1911-08-23
- Monat1911-08
- Jahr1911
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
9444 «niq-nbtau s. d. Dtschn. «ach»»nd-i Nichtamtlicher Teil. ^ 195, 23. August 1911 des Großantiquariats auskommen zu lasten. Das Groß antiquariat in seiner heutigen, weitausgedehnten Geschäfts gestaltung wäre sür den ordentlichen Buchhandel keine sonderliche Gefahr, wenn sich die »Ramscher« begnügten, mit billiger schlechter Ware auf die unedlen Triebe und Leiden schaften der Welt und der Menschen zu spekulieren. — Im wirtschaftlichen Leben eines Volkes oder eines Berufes hat sich das Schlechte oder auch nur Mittelmäßige nie auf die Dauer erhalten können, und auch das Groß antiquariat würde zu gründe gehen und sich in sich selbst verzehren, wenn es nur den Bedürfnissen der niedersten Instinkte, die sich über kurz oder lang erschöpfen, diente. — Gerade das Gegenteil ist der Fall und wirkt in unserem Gewerbe untergrabend und wirtschaftlich-geschäftlich ent sittlichend. Das Großantiquariat und seine Kunden (nicht die schlechtesten Sortimentsgeschäfte Deutschlands) haben gar kein Interesse daran, auf die Dauer minderwertige Erzeug nisse umzusetzen. Ihre Ziele sind weit höher — darauf gerichtet, möglichst bekannte und wohlakkreditierte Werke zu Spottpreisen zu vertreiben, zu Preisen, über die selbst der Laie sein ungeheucheltes Erstaunen ausdrückt und die den Eindruck erwecken, als könnten alle Bücher nach einer gewissen Zeit billiger erworben werden. Daß unter den durch Großantiquariate vertriebenen Büchern auch minderwertige Erzeugnisse sich befinden, kann selbstverständlich nicht geleugnet werden, und »der große Stapel schöner Einbände« wird eben zu der letzteren Kategorie gehören, da Stapel oder ganze Auflagen moderner Literatur, die in die Hände des Großantiquariats gelangen, schon durch dis Totalität der Verramschung den Stempel des Unzuläng lichen nach Inhalt und Form tragen. Klassikerausgaben, die vom Großantiquariat in »schönen Einbänden« vertrieben werden, sind durchschnittlich mit minderwertigem Material hergestellt. Das Besondere solcher Ausgaben liegt ausschließ lich im Embaud und Vorsatzpapier. Weit schlimmer und für unser ganzes Gewerbe gefährlicher ist das Verramschen von Reftauflagen, Remittendenexemplaren oder an sich wertvollen Werken, die durch irgend ein Ereignis die Aktualität und da mit die Absatzmöglichkeit verloren haben. Wir Verleger sitzen da alle in Glashäusern und brauchen uns nicht gegenseitig mit Steinen zu werfen, denn unter den von mir festgestelltcn 871k verschiedenen Büchern, die zu herabgesetzten Preisen in den 3 Millionen Prospekten an- geboten wurden, waren Autoren und Verleger von beson derem Klang; und wer einmal Gelegenheit hatte, durch die Lagerstätten einiger Großantiquare zu wandern, wird mit Erstaunen wahrnehmen, wieviel bekannte Namen die wohl- affortierten Lager aufweisen. Ich selber will mein Licht nicht unter den Scheffel stellen, denn auch ich habe mit schwerem Herzen den Gang zum Großantiquar antreten müssen, um das Werk eines be kannten, trefflichen Autors in den Abgrund des Großantiquar lagers zu werfen, weil es ebenso wie viele andere Bücher, die ihre Schicksale haben, -nicht ging«. — Und so wie es mir ergangen ist, ergeht es hundert anderen, und es wäre ein Selbstbelügen und der sicherste Schritt zum Untergang, wenn man aus falscher Scham diese oft geschäftlich not wendige Alternative leugnen wollte und aus den mit Fingern zeigte, der den Weg zum Großantiquar einschlägt. Das Großantiquariat ist eben nichts anderes als die nackte, offenkundige Spekulation auf die Nackenschläge im Verlagsbuchhandel, gleichgültig, ob die Nackenschläge da durch entstehen, daß der Verlag eines Buches an sich eine verfehlte Spekulation war, oder ob der Verleger nicht mehr gängige Restauflagen oder ramponierte Remittenden- ezemplare abstößt. In jedem Falle profitiert das Grotz- antiquariat am materiellen Verlust des Verlages, und zwar in einer Weise, die das Übel zu einer Kalamität macht. — Es ist ja sehr schön, aber auch sehr billig gesagt: der Buch handel solle sich das Publikum dadurch zu gewinnen suchen, daß er ihm gute billige Literatur biete, aus der es Welt und Menschen kennen lernen und Sinn für das Echte und Schöne im Leben gewinnen könne. Obschon der Begriff »des Guten« ein sehr subjektiver ist (das lehrt uns die Geschichte der Kritik, die das Widersprechendste vom Widersprechenden ist), so frage ich: Welcher ernst gesinnte Verleger und Sortimenter wollte das nicht? — Gutes und Gediegenes zu schaffen, ist am Ende unser aller Ziel, aber in dem Zeitalter der Normaldruckpreistarife, Buchbinder tarife, Papierkonzerne und wie die Tarife und Konzerne alle heißen, die das Rohmaterial und die Roharbeit von Jahr zu Jahr verteuern, — das Fertigfabrikat — das Buch — billig zu liefern, ist eine Frage, zu deren Be antwortung ich die oerehrliche Redaktion ausfordere?) *> Man gewinnt manchmal den Eindruck, als ob sich selbst Be- rufsgenvssen nicht mehr über die einfachsten Begriffe oerständigen könnten. Schon kann angeblich kein Mensch mehr eine Buch handlung von einem Zigarrenladen, ein gutes Buch von einem schlechten, ein billiges von einem teuren unterscheiden. Dieser Mangel an Begriffsvermögen scheint indes, auch wenn man die Relativität aller Erscheinungen gelten läßt, mehr im Wollen als IM tatsächlichen Unvermögen begründet zu sein, da es sich doch hier nicht um die Wandlungen von Begriffen in Jahrhunderten, sondern um ihre Geltung in der Gegenwart handelt. Wenn wir dem Sortimenter empfehlen, das Publikum — es ist da von ganz bestimmten Kreisen die Rede — mit billiger guter Literatur zu gewinnen, so ist dieser Sah schon in seiner Gegenüberstellung zu billiger schlechter Literatur gar nicht mißzuverstehen und ver liert auch durch die mangelnde Originalität nicht an Klarheit. Billig heisst in dem Falle auch nur, was es sonst immer heißt: eine unter Berücksichtigung aller Verhältnisse, also: »der Normaldruckpreistarife, Buchbindertarife, Papier- Konzerne, und wie die Tarife und Konzerne alle heißen« gerecht zustande gekommene Preisanstellung. Mehr als diese Aequitas haben wir auch vom Buche nicht gefordert. Daß es Hexenküchen gibt, in denen die Preisbildung nach einem andern Rezept vor genommen wird, ist uns nicht unbekannt, nur ist die Adresse der Apotheken dasür nicht in der Redaktion dieses Blattes, sondern eher bei den mit Literatur hausierenden Wohltätigkeitsvereinen zu ersragen. Viel wichtiger als die Erörterung dieser Fragen ist die An regung des Herrn vr. E. H. D-, die Großantiquariate durch »plan mäßige vom Buchhandel organisierte Lombardgeschäste zu ersehen«. Daß die Großantiquariate — es ist hier immer nur von einer bestimmten Gruppe, keineswegs von allen die Rede — sich zu einer Gesahr nicht nur sür den Buchhandel, sondern sür unser gesamtes Kulturleben ausgewachsen haben, ist schon in Nr. >88 er örtert worden. Vom Kauf sind sie übrigens längst zur Eigen produktion übeigegangen, indem sie alle »Gattungsware« — das Wort hier zum Unterschied von Jndividualware ge braucht — gleichviel ob Klassiker, Unterhaltungsliteratur oder Kochbücher, an sich gerissen haben und nach den Grund sätzen des Ramschgeschästs Herstellen und vertreiben. Da wird mancher zum Klassiker ernannt, der vielleicht kaum als Schrist- steller zweiten oder dritten Ranges gelten kann, und auf ein Prokrustesbett gespannt, wenn der Umfang des Buches nicht mit dem »Serienpreis« in Einklang zu bringen ist, oder »gestreckt« und mit anderen zusammengepfercht, wenn das Buch an »Ansehen« gewinnen soll. So sind auch die vermeintlich guten Bücher — ost sind es nur Bücher guter Autoren — in Wirklich keit schlechte, da, von diesen Mätzchen abgesehen, der Text oft in haarsträubender Weise durch Druckfehler entstellt ist oder dis Über setzung nicht entfernt an das Original heranreicht. Alles ist eben daraus berechnet, das Buch ma-ktgängig, d. h. sür die große urteilslose Masse zurecht zu machen, die, wenn sie nur einen guten Namen hört sviele sragen auch nicht einmal darnach), meint, auch ein gutes Buch dahinter zu finden. Die nahen Beziehungen der Ramscher zu den Warenhäusern sind nicht rein zufällig, sondern in der Wesensverwandtschast beider begründet.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder