Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.04.1923
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1923-04-19
- Erscheinungsdatum
- 19.04.1923
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19230419
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192304192
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19230419
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1923
- Monat1923-04
- Tag1923-04-19
- Monat1923-04
- Jahr1923
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
R-daktioneller Teil. X° 91, 19. April 1923. andere immer geltend gemachte Fehler und Schwächen durch das Merwuchern einer materialistischen Weltanschauung zugrundegc- gangcn ist. Die Bausteine flir eine gesunde und idealistische Weltanschauung aber sind die guten Bücher. Und diese dürfen nicht nur auf die Kreise der Gelehrten, der Kunst- und Literaturkcnner beschränkt bleiben, sie müssen in die weitesten Volksschichten dringen. Handwerker und Tage löhner müssen das gute Buch zum Freunde haben. Vor allem aber müßte es in weit höherem Maße, als es bisher der Fall in Deutsch land gewesen ist, auf das Land dringen. Nirgends ist-die Freude und der Segen einer guten Bücherei wohl so ersichtlich wie auf dem Lande. Bleibt dem fleißigen Landmanne auch im Sommer keine Zeit zum Lesen, kann er da genugsam in dem immer neuen, immer schöpferischen Buche der Natur lesen — was wird ihm die langen Winterabende kurz, die dunklen Zeilen hell, die grauen Nebeltage licht und freundlich machen, was ihn vor Einseitigkeit und engem Mick bewahren, wenn es nicht ein gutes Buch ist? »Hätte ich die Freiheit«, schreibt ein fein gebildeter Engländer, »mir eine Neigung zu erwählen, die mich für alle Wechsclfälle des Lebens auf einen festen Grund stellte, die mir eine Quelle der Freude und Freudigkeit wäre, ein Schild in jenen Tagen, wo alles verkehrt geht und die Welt sich von mir wendet es würde die Neigung zum Leseu sein . . . Das Lesen ist für mich nur eine Neigung, ein Mittel, eine Form ergötzlichen Genusses. Schaffe einem Menschen diese Neigung, und du wirst zugleich sein Glück gründen«. Und von Proctor stammen die schönen Verse: Rings an den Wänden mir wartend stehn Viel Frcun-de, viel Diener zu jeder Zeit. Ihr Weg war weit, Denn mit leiser Lippe und süßem Wort, Bald Engel, bald Geister in einem fort Kommen und gehen. Aber — die Bücher sind zu teuer. Wer kauu heute noch Bücher kaufen? Sicht man, wofür die Menschen heute gern und schnell ihr Geld ausgeben, wie man für allerlei Luxusgegcnständc und Geschenke, für Blumen nnd duftende Wasser, für Weine und Liköre ohne jedes Be denken die höchsten Summen zahlt, dann sollte man ein Auch, das nicht, wie jene Dinge, eine schnell vorüberrauschendc, sondern eine dauernde, eine ans Geschlechter sich fortcrbende Freude bedeutet, nicht teuer nennen, sollte vor allem nicht vergessen, daß andere Genüsse dem äußeren Menschen zugute kommen, das Buch aber den inneren Menschen baut, fördert, ergötzt und auf eine immer höhere Stufe des geistigen und seelischen Wachstums ruft. Und nichts tut uns Deutschen heute so not wie die rechte Verinner lichung. Was wir an äußeren Schätzen eingebüßt, an äußeren Werten unwiederbringlich verloren haben, das durch innerliche Schätze nnd Werte zielbewußt zu ersetzen, darin gipfelt die Weisheit unserer Tage. Aber ich leiste mir keine dieser Genußmittel. Ich bin froh, wenn ich mein tägliches Brot mir kaufen, kunn. Gewiß — und doch sollte man die ewige Wahrheit des Wortes nicht hintanstellen, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt. Für ein gutes Buch sollte man vieles opfern, sollte man unter Umständen hungern und dürsten können. Die Seele braucht ihre Nahrung wie der Körper, vielleicht in einem noch höheren Grade. Man soll sie nicht hungern und frieren lassen. Sonst rächt sie sich einmal bitter — — vielleicht wenn es zu spät ist. Sie kann die Höhenluft nun einmal nicht entbehren und verschmachtet in der Niederung. Freilich nicht jedes Buch führt auf die Höhe. Sondern nur ein solches, das, wie Shakespeare einmal sagt, »goldne Lehr' in goldnen Spangen hält«. Der Siegelbewahrer eines solchen Buches ist dev Buchhändler. Man hat vom deutschen Buchhändler gesagt, daß er immer ein schlechter Kaufmann, aber ein um so besserer Freund seines Volkes ge wesen ist. Ein größeres Lob kann ihm nicht gespendet werden. »Ten deut schen Sortimenter macht uns niemand nach«. Dies Wort ist erst vor kurzem aus berufenem Munde gefallen. Und es ist außer Frage, daß der Stand eines Buchhändlers, ins besondere in einer Zeit wie dieser, nicht nur geschäftliche, sondern kultu relle, ethische und vaterländische Pflichten zu erfüllen hat. Wohl dem Buchhändler, der sich der hohen Sendung seines Berufes bewußt ist. der sich nicht als Kaufmann, sondern als ideeller Kultur träger fühlt! Wohl auch denen, die sich zu seinen Schutzbefohlenen rechnen, vor dem Kaufe eines Buches seinen Rat einholen und diesem unbedingt ver trauen dürfen! Sie sind gut geborgen. 624 Aus der Naturgeschichte des „Waschzettels". Von OttoNiebicketn Berlin-WilmerAdvrs. »Waschzettel» bedeutet nicht Gewäsch. »Waschzettel» ist etwas sehr Nüchternes. In der Wortbedeutung ist es die Bezeich nung eines Zettels, auf dem man die Wäsche notiert, die man seiner Waschfrau gibt. Wie kam das Wort ins Literarische? Goethes NachlastschnlMcr brachten cs dahin. Sic stürzten sich mit einem solchen Eifer aus alles -Schriftliche, was Goethe hinter- lasscn hatte, baß sic auch seine Haushaitszettcl für so literarisch hielten, daß ihre Veröffentlichung unumgänglich notwendig erschien. Unter ihnen nahmen die Notizen über die Hemden- und Strumpfwäsche des großen Olympiers einen nicht ktcincn Raum ein. Mau sonderte auch für diese Dinge össenilichcs Interesse . . . Diesen Ürbegrisf des Waschzettels sollten sich doch die Verleger vor Augen halten, die noch immer in den gedruckten Beibriefen zu Besprechnngsstucken vor lauter Worten — nichts sagen. Die, statt nüchtern, sachlich und knapp eine Inhaltsangabe des Buches zu geben, den Fing in höhere Regionen unternehme» und sich von der Sonne der Cclbstbe-wcihräuchcrun-g überstrahlen lassen. Was in -den Waschzetteln geleistet -wiird, davon kann jeder Kritiker rin Lied singen, da geht es schon mitunter nach der wunderschönen Film-Neklamcmclodie »Ter Film der großen Welt», »Ter größte Film der Welt», »Der Welt größter Film» u. s. f. Immer denkt man: höher gcht's nimmer — und es geht do ch noch höher in den Lobhudeleien. Es scheint, daß manche Verleger nicht mehr glauben, zurück zu können, weil sie einmal das Loblied zu hoch augcstimmt haben, und so suchen sie krampfhaft in jedem neuc-n- Waschzettel noch höheren Ton. Ein Lexikon über Woribegri'ffs-steigerun-gcn.müßte sich bezahlt machen! Mag sich der Verleger in Lobeshymnen- über sein eben zur Welt gekommenes Kind berauschen, mag er sich meinethalben eine -be rauschende Tauspredig-t dafür in glühendsten handgemalic» Karben- auf Pergament und was er sonst noch «Ul über scin-an Arbeitstisch hänge« — aber er lasse so etwas nicht über seinen Verlagsraum hinausgchcn .... dcn-n: cs gibt Zeitungen, die es wörtlich nach-drnckcn und damit das Vertrauen zur ernsten- Kritik untergraben. Das Ablfassen von Waschzetteln überlasse man nicht Jünglinge» im ansbrausende-n Temperament der Litcraturkundc ober des Menschen- sriihtings; auch nicht jungen Mädchen, die im Maid» wandeln! Es ist keine Kunst, einen Waschzettel llicderzuschreiben, wenn man die Recht schreibung beherrscht, eine große Kunst aber ist es, ihn so abzusassen, daß er nicht nur verwendbar, sondern i-tl setnc-n- letzten Auswirkun gen durchdacht ist. Hundertfältig find die Klippen, die man umsegeln muß, man muß alle Register des überlege »de n Verstandes ausziehcn. Ein Wasch zettel muß aus der Verantwortung heraus -geschrieben werden, daß er durch die Presse unter den beabsichtigten »Umstünden» Hn-ndert- tansendcn von Lesern verschiedenster Richtungen, Temperamente. Anf- sassnngcn usw. zu Gesicht kommt — und nicht nur geschrieben wird s-llr das Häuslein der fünfzig oder hun-deriftinfzig Zettel »Sehr geehrt! Cchristlettiing». Blau komme doch endlich davon ab, im Waschzettel eine Kritik zu gebe-n- und von der Leistung des Verfassers oder des Verlegers statt von ihren Absichten zu sprechen! D c r d e st e B a schz-c t t e l ist der, den der Verfasser oder Heraus geber des Buches selbst -geschrieben'hat und ln dem er kurz und klar sin knappe» Sätzen und nicht ver—stilisiert) den tatsächlichen Inhalt wicdcrgibt oder das sagt, was er mit dem Buche bezweckt. Ein solcher Waschzettel gibt dem Kritiker brauchbare Unterlage,» und vor allen Dingen auch die richtig«, vom Autor -beabsichtigte Ein stellung zum Buche selbst. Ein solcher Waschzettel ist aber auch, an sich vcrösfcutlicht, schon dem Zeitungsleser -willkommen, d. h. er kann sich ans dem gekennzeichneten Inhalt oder der gekennzeichneten Ab sicht des Verfassers ein Selbsturteil bilden, zwar nicht im kritischen Sinne, aber darin, worauf es- ihm, dem Autor, und de», Verleger an kommt: ob nämlich das Buch für ihn Interesse Hat. Und noch ein Drittes: Ter Inhalt eines Buches ist eben der Inhalt, mait kann Ihn in Worten anders wiedcrgebcn, aber es bleibt gleich, ob ich ihn inhaltlich -wiederhole oder jemand anders. Das heißt ins Prak tische übertragen: dem vielbeschäftigten Kritiker bleibt cs erspart, sich selbst die Inhaltsangabe z» rekonstruieren, er kann sie — unbeschadet seines kritischen Urteils — aus dem so und objektiv bearbeiteten Wasch zettel ganz oder teilweise übernehmen. Man wird also durch derartige, sinngemäße Waschzettel !in nicht -wenigen Fällen auch die meines Er achtens sehr wichtige Wiedergabe des rein tatsächlichen Inhalts der betreffenden Buches erreichen können.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder