Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.01.1877
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- 1877-01-17
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- 17.01.1877
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198 Nichtamtlicher Theil. öt? 13, 17. Januar. trat er als Setzerlehrling in die Druckerei, arbeitete dort zwei Jahre und genügte im letzten daneben der Militärpflicht, indem er als Einjahrig-Freiwilliger in das Garde-Schützcn-Bataillon trat und als qualisicirter Landwehr-Offizier am I. April 1824 zur Reserve überging. Jetzt rüstete er sich zu der längst ersehnten Reise, die vom seligen Vater zu Rudolph's fernerer Ausbildung für das Geschäft als nothwcndig anerkannt und in seinem Testamente genau be stimmt war. Im Juni 1824 verließ er Berlin, besuchte Leipzig, Dresden und Tcplitz, ging dann über Frankfurt a/M. und Würz burg nach Basel, der Wiege seines Geschlechts. Von hier aus durch zog er die Schweiz. lieber Straßburg und Nancy eilte Rudolph dann nach Paris, um dort den Winter 1824—25 zu verleben, indem er den Vor lesungen der berühmten Chemiker Thönard und Gay-Lussac an wohnte und bei Mol« seine Kenntnisse in der Schriftgießerei ver vollkommnet!. Der April 1825 sah ihn in London, um auch hier, sowie in den übrigen Theilen Englands und Schottlands, die wichtigsten industriellen Etablissements kennen zu lernen. Erst im Januar 1826 traf er über Metz, Carlsruhe, Heidelberg, Frankfurt wieder in Berlin ein. Den Winter 1826—27 brachte er in der ewigen Siebenhügelstadt Rom zu und eilte dann, nachdem er vorher noch Neapel bewundert, über Florenz, Turin, Mailand und die Schweiz nach Hause zurück, um jetzt die Früchte seiner Reise zu ver- werthcn und sich mit seinem Bruder Gustav vereint ihren umfang reichen Etablissements zu widmen, in welchen sie bereits seit dem 1. November 1827 ihren Platz nahmen, obwohl die gerichtliche Einweisung erst zwei Monate später nach Rudolph's eingetrelcner Großjährigkeit, am 31. Januar 1828, erfolgte. Aus der Uebcrnahmc des gesanunten umfangreichen Geschäfts durch die Beüdrr Gustav und Rudolph entwickelte sich ein Geschäfts- vcrhältuiß, ohne daß jedoch darüber ein besonderer Vertrag ge schlossen wurde. Leider war demselben keine lange Dauer be schielten; denn schon am 20. April 1829 ries der Herr den Ersteren, nachdem er kaum das achtundzwanzigstc Lebensjahr vollendet hatte, zu sich. Mit der hinlerlassenen Wittwe und Tochter fand am 27. Mai 1830 eine Auseinandersetzung statt, welche Rudolph als alleinigen Eigenthümer in die Geheime Ober-Hosbuchdruckerei sammt ihrem Anwesen einsührte. In der Kürze sei hier noch an geführt, daß er am 8. Januar 1832 den Bürgerbrief Berlins er hielt sich am gleichen Tage mit der durch herrliche Gestalt, frische Jugcndblüthc, sowie schöne umsangreiche Stimme ausgezeichneten Sängerin Fräulein Pauline von Schätzcll verlobte und mit ihr am 22. August desselben Jahres den ehelichen Bund schloß. Decker gab sich von nun an mit voller Liebe seinem Geschäft hin. Unbestritten ist sein Verdienst um die Einführung eines edleren Styles in dieSchriftschneidekunst, wie alle seine Schriftproben deutlich bekunden; namentlich wandte sich sein Streben der Vervollkommnung der deutschen Typen zu, wofür er das klarste Verständniß besaß, und im Schnitte der griechischen Lettern erreichte er durch Wiederannähern an die alten Formen den monumentalen Charakter des Alterthnms auf das glücklichste. Was die Schriftgießerei unter Decker's Führung leistete, be kunden die zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Formaten ausgegebencu Schriftproben, worin überall das Ringen nach mög lichster Vollkommenheit unverkennbar hervortritt. Alles, was sich von dem Inhalte der früheren Proben noch ansertigen ließ, vereinigte Decker 1851 in einem großen, für die Londoner Industrie-Ausstellung geschaffenen Quartbande, den er 1859 mit einem Nachtrage versah. Beide umfassen 827 verschiedene Gattungen von Schriften. Die Gießerei stand bald in so großem Ansehen, daß die hiesige König!. Akademie der Wissenschaften unter Wahrung ihres Eigenthumrechtes in ihr koptische, arabische, Sanskrit - u. a. Schriften schneiden und gern auf Ansuchen Abgüsse davon nehmen 'ieß, so daß fast sämmtliche Universitäts-Buchdruckereien Europas (Bonn, Halle, Greifswald, Göttingen, Breslau, Upsala, Lund, Leyden, Kiew, Petersburg, Christiania, Turin u. s. w.) mit diesen anerkannt vollendet hergestellten Typen von der Decker'schen Schriftgießerei versorgt wurden. Von einer so trefflichen Anstalt unterstützt, stellte Decker nun auch an seine Druckerei höhere Forderungen. Immer galt es ihm als erste Pflicht, alle typographischen Staatsarbeitcn, selbst die ge wöhnlichen Drucksachen mit neuesten Schriften und besten Materialien unter sorgfältigster Aussicht und Controle ausführen zu lassen. Zu diesem Zwecke suchte er stets zuverlässige und erprobte Gehilfen und Arbeiter anzustellen und zu erhalten, was beides nur durch Bewilligung höheren Lohnes, durch Gestattung von Verheirathung und durch Fixirung eines bestimmten Gehalts, sowie durch Gewährung von Pensionen für das Alter und unverschuldete Arbeitsunfähigkeit zu erreichen war. Dadurch stellte sich auch ein so freundliches, anhäng liches Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern her, wie cs nur an wenigen anderen Orten zu treffen sein dürste; dadurch kam cs, daß viele der Mitglieder länger als ein halbes Jahrhundert ihr Schicksal mit dem des Decker'schen Hauses verknüpften, wie dies durch die oftmalige Feier fünfzigjähriger Jubiläen in der Ossicin hinläng lich bestätigt ist. Ein epochemachendes Jahr war für die Druckerei das Jahr 1840, welches als das vierhundertjährige Jubelfest der Erfindung der Buch- druckcrkunst Decker durch ein Prachtwerk „Zwanzig alte Lieder von den Nibelungen", hcrausgegebcn von Pros. Carl Lachmann, würdig feierte. Zu diesem Abdruck der Nibelungen ließ er sämmtliche Lettern eigens schneiden, indem er der gewählten deutschen Schrift eine gewisse mäßige und geschmackvolle Annäherung an die gothische verlieh. Der Druck, von einer tiefen Schwärze, läßt nirgends eine Lücke, auch nicht die kleinste: alles erscheint scharf, rein und unversehrt. Vier Jahre später konnte Decker an das genannte ein zweites Prachtwerk reihen, die »Oeuvres cke kü'öckeric le Kramt«:. Von dieser Ausgabe wurden auf Besehl König Friedrich Wilhelm's IV. nur 200 Exemplare abgezogen, die in 30 Bänden größten Quartformates etwa 60 Bildnisse historischer Personen, mehrere Ansichten von großen Bauwerken, zahlreiche Vignetten u. s. w. enthalten; sie gehört gleichfalls zu den schönsten Kunstwerken, die jemals aus der deutschen Presse hervorgegangen. Aber der Edelstein, welcher im schönen Kranze der Prachtwerke, die Decker's Meisterhand ausgcfllhrt, am hellsten strahlt, ist doch, ohne den übrigen das gebührende Lob zu versagen, das „Neue Testament. Deutsch durch M. Luther nach der Ausgabe von 1545", von welchem Rudolph bei Gelegenheit der großen Londoner Weltindustrie-Aus stellung 1851 nur 80 Exemplare in Oliphant-Folioformat veran staltete. Durch dieses Unternehmen hat er die Buchdruckerkunst wieder zu dem Range erhoben, den sic in den ersten Zeiten nach ihrer Er findung einnahm: zu dem Range einer bildenden Kunst, welche die dem geistigen Wertste des Werkes entsprechende künstlerische Form zu schaffen Iveiß. Die schönen klaren Typen, durch den ticfschwarzen Druck besonders hervortretend, sind in ihrer Art ebenso sehr ein Meisterwerk von Form und historischem Verständniß, als die reichen Initialen und die musterhaften Holzschnitte nach Cornelius' und Kaulbach's großartigen Conceptionen. Mit dieser künstlerischen Aus stattung und einer ausgewählten Art des Papiers, das an Solidität, Weiße und Glätte Pergament übertrifft, und einem Einband, der für sich ein ebenso herrliches Kunstwerk bildet, hat Decker ein Pracht buch hergcstcllt, dergleichen in früheren Zeiten nur Fürsten sich er freuen durften. Die Anerkennung für solche große Bestrebungen blieb nicht aus; mit dem Nrtheilsspruch der richtenden Jury in London, welche hierfür
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