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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.02.1877
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1877-02-05
- Erscheinungsdatum
- 05.02.1877
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- Deutsch
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wie Gustav Hempel, Wir sind überzeugt, daß keiner der geehrten Herren, die infolge ihrer Verbindung mit dem großen Unterneh men, sei es in Person, sei es schriftlich mit Hempel in säst täglichem Umgang standen und daher sein eigenes stets richtiges und fördern des Eingreisen kennen, das obige Urtheil nicht unterschreiben werde. Daß das an sich selbst bedeutende Werk ein durch und durch natio nales, daß es ein von allen Kennern und wahren Literatursreun- den hochgehaltener, für alle Zeiten hervorragender, und heute schon vom ganzen deutschen Volke gekannter literarischer Schatz wurde, — das verdanken wir in erster Reihe dem Verleger, das ist das große, bleibende, unverwelkliche Verdienst Hempel's, Von dem Verfasser einer Biographie eines so hervorragenden Mannes, oder auch nur einer biographischen Skizze, als welche die vorliegende — wenige Tage nach dem Tode desselben geschrieben — nur betrachtet werden dars, verlangt man vor allem die Schilderung der allmählichen Geistescntwickelung vom Kinde bis zum Manne; man will von ihm erfahren, wie derselbe das wurde, was er war; man will die Anfänge bezeichnet wissen, wo und wie die spätere Größe ihren Ursprung genommen, und in welcher Weise sie ihren Verlauf gesunden, Uebcr all das stießen leider die Quellen nur spärlich. Der Verstorbene war weit entfernt von aller Ruhmredig keit; er liebte am wenigsten von sich selbst zu reden, und war, auch auf Befragen, mit Nachrichten über sein Leben sehr karg. Die schrift lichen Zeugnisse, welche über seine Entwickelung Aufschluß geben konnten, hat der Verstorbene selbst vernichtet. Die in tiefsten Schmerz versunkenen nächsten Angehörigen konnten in diesen Trauer- i tagen natürlich nicht darum befragt werden. Was wir daher hier geben, kann nur lückenhaft sein und bedarf späterer Berichtigung I und Bereicherung, Wir verdanken die Nachrichten über Hempel's I Jugend hauptsächlich einem Jugendfreunde des Seligen, der uns I das, was ihm aus fast vierzigjähriger Vergangenheit in Erinnerung I geblieben, schriftlich mitgetheilt hat; über sein späteres Leben hat I uns der langjährige bewährte Buchhalter der Firma werthvolle I Notizen gegeben; endlich konnten wir Manches aus eigener Ersah- I rung und persönlichem Umgang beifügen. So ist das Folgende ans I Bruchstücken zusammengesetzt und bittet um die Nachsicht des Lesers, I Gustav Hempel ist am 9, Januar 1819 zu Waltcrshausen I bei Gotha geboren. Seine Eltern waren einfache, schlichte Bürgers- I leute von jener wackcrn thüringer Art, welche das Zeug in sich hat, I Tüchtiges hcrvorzubringen. Der Vater ist längst gestorben; seine I Mutter, eine ganz einfache Frau, von dem Verstorbenen hoch verehrt, I lebt noch in ihrem geliebten Thüringen; die hagere, mehr kleine als I große Frau hat in Gesicht und Wesen etwas von Schiller's Mutter I und macht den Eindruck eines kräftigen, cholerischen Temperaments, I Bon ihr hatte Gustav jedenfalls jene Energie und Ausdauer bei I jeder Arbeit, die ihn später auszeichnete. Der Vater scheint ein I ruhiger und klarer Kopf gewesen zu sein, der auch an dem, was über I die Tagesarbeit hinauslag, Interesse hatte. Ein Mehreres ist von I ihm nicht bekannt, indessen wird seine Denkweise hinlänglich dadurch I gekennzeichnet, daß ihm die Schule in Waltershausen, die damals I höchst primitiver Natur war, selbst für die erste Bildung seines Soh- I nes nicht genügte, sondern er ihm Privatunterricht crtheilcn ließ. Der Lehrer muß ein gebildeter Mann gewesen sein, da er seinem Zög- I linge thatsächlich einen gewissen Grad von Neigung zur Literatur s cinzuflößen verstand, Bis zum 14. Jahre dauerte dieser Unterricht; nach der Einsegnung aber hieß cs: Jetzt, mein Junge, hilf Dir selbst! Gustav hatte sich für die Buchhändler-Laufbahn entschieden und ein in Leipzig wohnender Oheim vermittelte für ihn eine Lehrlingsstclle in Bautzen, in der noch heute, unter anderer Leitung, blühenden Weller'schen Buchhandlung Im Jahre 1833 nahm Gustav Abschied vom Vatcrhause, um seinen künftigen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen. Damals vermittelte hauptsächlich der Postwagen den Personenver kehr zwischen den deutschen Städten, Dieses Vehikel war aber nicht billig, und es ist möglich, daß das Geld nicht überreichlich vorhanden war. Kurz, unser Gustav, ein prächtiger kräftiger Junge, entschloß sich, nach der Gewohnheit junger Leute in einer Zeit, wo es noch keine Eisenbahnen gab, zur Fußwanderung nach dem neuen Bestim mungsorte. Er vollendete die Reise glücklich und traf gesund und frisch bei Hrn. Magister Weller ein. Die lästigen Dienstleistungen, welche das Lehrlingswesen damaliger Zeit in einer kleinen Stadt mit sich brachte, wurden ihm nicht erspart. Er mußte den Laden reinigen, Pallete austragen, Bindfaden lösen und knüpfen und dergl. Das alles verminderte aber seinen mitgebrachten Humor nicht. Er selbst erzählte später unter lustigem Lachen, wie weit die Sparsam keit bei Hrn, U, Weller (und wohl auch anderwärts) damals ging. Die Briefe wurden zu jener Zeit allgemein mit Siegellack geschlossen; da mußten denn die Lehrlinge die Siegel der eingehenden Briese immer sein säuberlich ablösen und sie dann im Lichte zusammen- schmclzen, um damit den Bedarf für die eigenen Versendungen zu decken. Unter Weller's Leitung widmete sich der junge Mann mit aller Liebe dem Buchhandel, Bon der Natur mit vortrefflichen An lagen begabt und mit tüchtigen Schnlkcnntnissen ausgerüstet, arbei tete er zugleich unablässig an seiner geistigen Ausbildung, Hierbei kam ihm der von seinem Ches eingerichtete Jonrnalcirkcl und die ansehnliche Leihbibliothek, welche mit der Buchhandlung verbunden war, sehr zu statten. Die letztere enthielt außer den besten Werken der deutschen und der neueren französischen Literatur auch viele wissenschaftliche Werke; denn das Streben nach allgemeiner Bildung drang zu dieser Zeit in immer weitere, bisher fast verschlossene Kreise. Hempel wurde bald davon angesteckt und verfiel zu Zeiten in eine wahre Lcsewuth, in der er alles verschlang, was ihm in die Hände gericth. Er selbst erzählte, daß er oft ganze Nächte an einem interessanten Buche gesessen sei. Und sein Gedächtniß war ein so gutes, daß er nichts von dem Gelesenen ganz vergaß. Dies kam ihm auch im Buchhandel zu gute. Er war damals mit ganzer Seele Sortimenter und noch Niemand konnte in ihm den künftigen gro ßen und glücklichen Verleger vorausahncn. Da war es denn er staunlich, mit welcher Sicherheit und Schlagfertigkeit er bald den in dem Buchladen verkehrenden Kunden über Titel, Auslage, Format, Preis und Bändezahl Auskunft geben konnte. So wurde er in allen Fächern der Literatur in hohem Grade bewandert. Daneben hatte er sich eine große Fertigkeit in der französischen Sprache, und zwar lediglich durch eisernen Privatfleiß angecignct. Englisch undLateinisch trieb er später ebenso eifrig; er las die Classiker dieser drei Spra chen und gewann so jene Universalbildung, die so oft die Bewunde rung Derer erregte, die diesen seltenen Mann näher kennen lernten. Dieses ernste Streben wirkte schon in früher Zeit auch auf seine Commilitonen und gab ihnen den Impuls, ihm nachzueifern, Hem pel besaß von Natur ein heiteres und geselliges Temperament und wußte sich viele Freunde zu erwerben. An Neidern und Feinden, dieser nicht immer angenehmen Würze des menschlichen Lebens, hat es ihm später freilich auch nicht gefehlt; aber — „viel' Feind', viel' Ehr'!" sagten unsere biederen Vorfahren, Manche von Denen, mit welchen er damals in Berührung kam, haben Jahre hindurch mit ihm in freundschaftlichem Verkehre gestanden. Nach seiner feierlichen Lossprechung scheint er noch einige Zeit als Gehilfe bei Weller geblieben zu sein. Wir wissen wenigstens, daß während der langwierigen Krankheit Weller's und nach dem Tode desselben bis zum Antritte des neuen Geschäftsführers G, Schlüssel, nachherigen Besitzers der Handlung, die größere Last des Geschäfts, trotz vorhandener älterer Kräfte, auf Hempel's Schultern > ruhte. Er kannte das Geschäft nach allen seinen Beziehungen gründ- 64"
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