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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.02.1877
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1877-02-07
- Erscheinungsdatum
- 07.02.1877
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- Deutsch
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— Heute ist dieser Streit, der, wie gesagt, nicht aus den reinsten Motiven hervorgin^, bereits veraltet; kein denkender Mensch wird Gedichte, die ein Schiller geschrieben, heute als unsittlich betrachten und ihre Aufnahme in eine vollständige Sammlung seiner Werke perhorresciren. Die Urheber haben sich selbst gerichtet. Wersen wir deshalb den Schleier darüber! — Nachdem wir im Vorhergehenden Hempel den Geschästs- mann mit kurzen Strichen geschildert, erübrigt uns noch, einige Worte über Hempel den Menschen zu sagen. Wie Jeder, der ihn genauer kannte, können wir auch hier nur einen Paneghrikus liefern. „Er war ein braver Mann!" sagte Consistorialrath Büchsel in seiner Gedächtnißrede am Sarge. Angebetet von seiner Familie, von seinen Freunden geliebt, von seinen Untergebenen hoch verehrt, immer achtungswerth, auch wo er irrte, überall Vertrauen erweckend und dasselbe verdienend,—so ging GnstavHempel durch das Leben! Schon seine äußere Gestalt war würdig und einnehmend, und wer sie einmal gesehen, der vergaß sie nie. Etwas über Mittelgröße, in jüngeren Jahren schlank, in der letzteren Zeit zum Embonpoint neigend >— mit freundlichen Augen, Haar und Bart bereits ergraut —,so trat er dem Besucher mit säst immer heiterem Antlitz entgegen. Von Natur gesellig, zog er sich in den spätern Jahren doch mehr und mehr in seine angenehme Häuslichkeit zurück; nur auf ausdrück- lichen Befehl des Arztes zwang er sich zu Spaziergängen, Ritten oder Fahrten. Er lebte äußerst mäßig; bei Tisch aß er nur von wenigen Gerichten, und trank dazu ein Glas guten, aber nicht star ken Tischwein. Gab er, wie dies bei Familienfesten fast immer der Fall war, Gesellschaften, so war er ein heiterer und freigebiger Wirth. So feierte er am 2t. September 1871 das 25jährige Jubi läum seiner Firma mit einem großen Kreise geladener Gäste im Englischen Hause. Angesungen, angetoastet, angeredet, gab er sich an diesem Festtage ganz der Freude hin. Anders war's freilich, als er im Juni 1876 seine silberne Hochzeit feierte! Seine damals schon gefährliche Krankheit erlaubte keine öffentliche Feier; ein ein facher Choral, woran sich etwas elastische Musik schloß, wurde von einem Musikchore im Garten hinter dem Hause geblasen. Mehr hatte der Arzt nicht erlaubt! In religiösen und Politischen Dingen dachte ergemäßigt; Wohl liebte er den Fortschritt in allen Dingen, aber nur den ruhigen, vorbereiteten, reifgewordenen. Er wußte wohl, daß alle neuen Ideen durchgekämpst werden müssen, und daß der wahre und er probte Gedanke früher oder später jeden Widerstand überwindet und den Sieg erringt (gleich dem Gedanken von der Einheit des Deutschen Reiches). „Nur kein Wasser ausgießen, ehe man frisches hat!" sagte er. — Von den deutschen Dichtern liebte er Goethe vor allem; auf eine würdige Ausgabe der Werke dieses Heros hat er auch den meisten Fleiß verwandt und war so glücklich, für die Hauptwerke einen der tüchtigsten Goethe-Kenner, Herm. v. Loeper, zu gewinnen. Auch darin war er ein guter Deutscher, daß er sein specielles Vaterland, Thüringen und insbesondre Sachsen-Gotha, in seinem Herzen am höchsten stellte, lieber seinen Herzog Ernst ging ihm kein anderer Fürst. Von jedem wichtigeren neuen Verlagswerke sandte er demselben ei» Prachtexemplar. Und sein Herzog war ihm dankbar; er ernannte ihn zum Commissionsrath, dann zum Ritter des S. Ernestinischen Hausordens, später zum Commerzien- rath. Schreiber dieses war gerade bei ihm zu Tische, als der Orden in einem schönen Etui und wohlverpackt von der Post einlief. Hempel öffnete sogleich verwundert das Packet; als er das Etui sah, rief er sreudig aus: „Oh, das kommt von meinem Herzog!" Dann erst las er das sehr verbindliche Schreiben des Herzog!. Ca- binetsraths Tempeltcy. Nicht gerade der Orden an sich freute ihn — er hat ihn nur bei festlichen Gelegenheiten getragen; aber daß er von seinem Herzog kam, das war ihm eine innere Befriedigung. Sollen wir auch von Hempel's Wohlthaten nach allen Seiten hin, im Oeffentlichen und Geheimen sprechen? In seinem Sinn und Geiste dürften wir es nicht; denn in hundert Fällen wußte seine rechte Hand nicht, was die linke that. Wohlthun war ihm geradezu Bedürfnis Welche Summen erden, „Unterstütznngsverein der deut schen Buchhändler" zuwandte, ist bekannt: bei jeder geschäftlichen und Familien-Veranlassung flösse» diese Gaben reichlich; so erhielt derselbe z. B. aus Anlaß des Jubiläums 600 Thaler; bei jeder Einsegnung eines seiner Kinder 100 Thaler. Bei dem neulich«, Nothruf der Vorsteher war er, wie Hr. R. Gaertner bezeugen wird, der erste, der 300 Mark gab. Weit größer aber war Hempel's Privatwohlthätigkeit, von der Niemand erfuhr. Schreiber dieses hatte in der Zeit seiner Mit arbeiterschaft an der „National-Bibliothek" seinen Platz im Privat cabinet Hempel's, hinter einer mit Büchern besetzten Wand, war daher „othwendig stiller Zeuge von dem, was vor dieser Wand ge schah. Wie oft kamen da Hilfesuchende: hier eine Frau, der zur Miethe noch einige Thaler fehlten — Hempel gab sie; dort ein Kind mit einem Bittzcttel seines Vaters — Hempel wickelte 1 Thaler in Papier mit ein Paar freundlichen Worten an die Kleine; dort ein Arbeiter, der um Vorschuß bat, und ihn sofort erhielt, u. s. w. Kurz das riß nicht ab, — so Woche für Woche, Monat für Monat! Wenn er alle diese Gaben aufschrieb, was ich übrigens bezweifle, — die Summe kann am Jahresschluß keine kleine gewesen sein. Das war der Mensch Gustav Hempel, wie ihn der Ver fasser dieser Zeilen in den Jahren seines Umgangs mit diesem vor trefflichen Manne kennen und täglich mehr lieben und bewundern lernte. Es hat denselben auch wahrhaft gedrängt, das, was er und mit ihn, nur Wenige wußten, öffentlich bekannt zu machen. Mögen Hempel's Gegner, Neider und Verleumder erkennen, wen sie belei digten! — „Geht hin und thut desgleichen!" — Hempel's letzte Krankheit war ein organisches Herzleiden, das eine starke Wassersucht im Gefolge hatte, welche endlich den Tod herbeisührte. Stoff dazu war schon lange in ihm, und das stete Sitzen am Arbeitspult, das ununterbrochene Arbeiten bis in die Nacht hinein hat diese» Stoff weiter entwickelt. Schon im Jahre 1871 schrieb er dem Verfasser dieses: „Ich arbeite, um die täglichen Klassiker-Arbeiten zu bewältigen, jeden Abend bis zehn Uhr und jeden Sonntag ebenso wie an den Wochentagen; — aber jetzt fange ich an, erlahmt die Hände sinken zu lassen und unter der Bürde zu seufzen. Ich sehe, daß die Kräfte mir versagen und die Nothwendig- keit, einen Beistand zu haben, macht sich mir gebieterisch fühlbar." — In einem andern Briese schreibt er: „Ich habe die letzte» Mo nate nie vor zehn Uhr Abends zu arbeiten ausgehört, und wenn ich dann in meine Familie kani, so war ich so mürbe, daß ich erst lange, lange Zeit stumm uud in völliger Apathie saß, ehe ich essen und spre chen konnte. Diese Sclaverei des bloßen und stets gehetzten Arbeiters, ohne eine einzige Stunde der Sammlung und Erholung, halte ich nicht mehr aus, und mein Arzt sagt mir, wenn ich es so sorttriebe, würde ich in kurzem unter der Erde liegen." — Schon um diese Zeit kam es vor, daß er manchmal vom Sitze aussprang, tief auf- athmetc und beide Hände auss Herz drückte. Der Keim des später» schweren Leidens lag also schon in ihm; er fühlte ihn in sich, ließ aber aller Mahnungen ungeachtet doch nicht ab von der unablässigen Arbeit. In den folgenden Jahren machte sich das Ucbel zeitweise fühlbar; aber er achtete nicht daraus und ließ wenig davon merken. Er klagte nur, daß es ihm so sauer werde, die Treppe zu seiner Wohnung hinaufzusteigen. Im Sommer 1875 mußte er nach Kis- singen und kam auch ziemlich gestärkt von dort zurück. Da er aber, kaum nach Hause gekehrt, das frühere Leben wieder anfing, so konnte die Wirkung keine nachhaltige sein. Am Neujahrstage 1876 erkrankte er ernstlich, und mußte Januar bis Mitte Februar Bett und Zimmer hüten. Dann war er bis zu Ende April wieder im Geschäft thätig. 68*
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