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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.02.1877
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1877-02-12
- Erscheinungsdatum
- 12.02.1877
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- Deutsch
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568 Nichtamtlicher Theil. 35, t.2. Februar. Werke greisen. Unter dieser Bedingung, aber auch nur unter dieser, kommen Leistung und Gegenleistung in das richtige Gleichgewicht. Daß nur unter solcher Voraussetzung ein gebüh rendes Honorar sür ausgezeichnete Mitarbeiter aus die Länge bestritten werden kann, ist noch lange nicht das Wichtigste. Wie sehr ei» Schriftsteller auf den Ertrag seiner Feder angewiesen sein mag, soweit er überhaupt frei über sich selbst verfügt, stellt er in seiner Empfindung das Bedürfniß voran: gelesen zu werden, und zwar vom richtigen Publicum. Dies ist das Erste. Alles Andere knüpft sich von selbst daran. Wie viel Vortreffliches wird in Deutschland geschrieben, das nicht über einen Kreis von einigen hundert Mensche» hinausdringt! Die „Revue des deux Mondes" hat selten mehr als mäßige Honorare bezahlt. Aber sie besaß doch immer die besten Kräfte, weil schon die Thatsache, daß man etwas sür sie geschrieben, dem Schriftsteller und seinen Productionen eine neue Welt öffnete. Es war Grundsatz der Revue, daß der erste Beitrag, den sie von cinem Schriftsteller aufnahm, ihr gratis gegeben werden mußte. Die Zulassung allein ward als genügendes Honorar angesehen. Unzähligcmal ist in Deutschland versucht worden, ein ähnliches Unternehmen aus die Beine zu bringen. Noch nie ist es bis jetzt auf die Dauer gelungen. Und gerade je schwerer es gelingen will, desto mehr ist der Beweis des Bedürfnisses geliefert. Jedem neuen Versuch muß so fort das aus so oft wiederholter Erfahrung entsprungeneMißtrauen begegnen, ob er nicht auch ein vergeblicher sein werde? Doch jeder neue Versuch verdient von neuem die lebhafte Theilnahme der Schriftsteller und des Publicums, sofern er die Aussicht auf ein besseres Endresultat eröffnet. Die active Theilnahme der Schrift steller ist vielleicht noch wichtiger als die passive der Leser. Wenn Männer der Wissenschaft, wie Helmholtz, Zeller, H. v. Shbel, Max Müller (ich nenne nur aus dem Gedächtniß) sich bereit finden, für eine eben entstehende Revue zu schreiben, so leisten sie ihr einen un schätzbaren Dienst für den Versuch, aus die Höhe ihrer Ausgabe sich emporzuschwingen; und es ist anzunehmen, sie thun dies gerade im Bewußtsein dieses Verdienstes und mit der vorherrschenden Absicht auf diesen Erfolg. Es hat aber auch sein Bedenkliches, einem solchen neuen Unter nehmen das Wort zu reden, vornehmlich aus zwei Gründen. Zu nächst hat Jeder nach einigem Umhertreiben in dieser Welt des Kampfes und der unzulänglichen Kämpfer die Erfahrung gemacht, daß es kaum etwas Unklügeres gibt, als sür Andere cinzustehen, seien cs nun Personen oder Collcctivwesen. Es ist schon gerade Ausgabe genug, sür sich selbst einzustehen. Man hat das zukünftige Gebaren des Empfohlenen nicht in der Hand und macht in neun Fällen von zehn zu spät die Entdeckung, daß man — allen Lehren und aller Skepsis zum Trotz — doch all sein Lebtag naiv bleibt. Aber es gelingt auch nichts, was des Lebens Werth wäre, ohne etwas Wagen. „Erst wägen, dann wagen", ist der feine Wahlspruch unseres großen Feldherrn. Schade, daß man das Wort nicht nach sprechen darf, weil die Genialität seines Eigners jede Annäherung verbietet. In Summa kommt es darauf an, zu wissen, daß und was man wagt, und hier ist mir sehr wohl bewußt, daß es unbeson nen wäre, aus den ersten Anlaus deutscher Verleger und Heraus geber eine feste Burg zu gründen. Dieser Weg zur Hölle ist mit Maculatur gepflastert. Indem ich der „Deutschen Rundschau" das Wort rede, möchte ich unter die Ueberschrift die bekannten vier Buchstaben setzen, mit welchen nach französischem Gesetz alle sich ans ihr Erfinduugspatent berufenden Fabrikanten ihre Waare zu stempeln haben: 8. S. ck. d. h. saus Aarautis clu Zouvvrnvmvnt. Das zweite Bedenken entspringt aus der unvermeidlichen An griffstendenz, welche gegen andere chrcnwcrthe Zeitschriften mit der Begünstigung der Einen von selbst gegeben ist. Zumal wenn diese Bemühung eingestandener Maßen von centralistischer Ansicht auS- geht. Das ist doppelt schmerzlich, wenn man mit vielen dieser Zeit genossen (wie es die Engländer nennen) auf dem besten, zum Theil aus sreundschastlichem Fuße lebt. Aber was Hilsts? Ordnung muß sein! Es gibt unter den bestehenden manche, die eine lange und ehrenvolle Geschichte hinter sich haben und die in ihrer Besonderheit weiter bestehen würden, auch wenn die „Rundschau" cs zur Hege monie brächte. Der Absatz der meisten ist so bescheiden, daß es kaum lohnte, sie der Erbschaft wegen umzubringen. Jede von ihnen allen mag die schönsten Tugenden besitzen. Ihr Verbrechen besteht darin, daß keine die einzige vorherrschende geworden ist. Und was nun jene oben definirte oberste Bestimmung einer Revue betrifft, so hat vor zwei Jahren die „Deutsche Rundschau" in ihren, Programm dieselbe in klaren Worten sich vorgesetzt, sogar in der Fleischsarbe ihres Umschlags versinnlicht. Sie hat sich nicht gescheut, zu bekennen, daß ihr die große» Revuen Frankreichs und Englands zum Vorbild dienen sollen. Sie hat ganz recht daran gethan. Wir haben in der Organisation unseres Lebens noch viel von den Nachbarn zu lernen. Sie hat auch die Sache mit solchen Mitteln angegriffen, welche ihr die unentbehrliche finanzielle Grund lage geben. Sie hat keine Anstrengungen gescheut, um ihre Ver sprechungen zu erfüllen. Noch bleibt viel zu thun, und ihr dies voran» publica vorzuhaltcn, ist die Absicht dieser Zeilen. Denn sie hat ihre Sache bereits so weit gebracht, daß cs weniger vom Publi cum als von ihr abhängt, ob sie das Ziel erreicht und vor allem, ob sie sich am erreichten Ziel sestsetzen wird oder nicht. Denn — das ist das Charakteristische bei uns: an munter und geschickt begonnenen Unternehmungen hat es nie gefehlt. Sie sinken nur bald wieder herab, theils weil den Unternehmern selbst mit dem ersten Erfolg zu rasch der Appetit nach Gewinn kommt, theils weil der fremde Brotneid hinter jedem Erfolge mit wohl- scilcren Concurrenzen herläust. Beide Uebel sind charakteristisch für das ganze deutsche Gewerbsleben. Es sehlt noch an Ehrgeiz, das dauernd Gute mit Liebe zur Sache zu Produciren. So wie die Kundschaft angelockt ist, denkt der Producent: sie werden nicht mer ken, wenn man ihnen auch was Schlechteres gibt. Ich will sosort einen Beleg aus dem besonderen Fache geben, um das es sich hier handelt. Gar viele — ich will aus Vorsicht nicht sagen die mei sten — unserer Wochen- und Monatsschriften bemühen sich unver kennbar, die ersten Lieferungen des Quartals mit besonders ge wählten Leckerbissen auszustatten. Ist das Abonnement einmal erneuert, so mag der Rest mit durchgehen. Das ist so ein kleiner Zusammenhang mit der dunklen Seite unserer gewerblichen Praxis. Eine Publikation, die nach Anstand, Würde, Großartigkeit strebt, halte sich fern davon. ä.v»s au — rvckavtsui! Der geschästverderbende Brotneid ist auch ein solcher Erbfehler. Man sollte es nicht glauben: er lieferte sogar eines der stillen Hin dernisse bei der Durchführung unserer Münz- und Bankreform. Wenn Hans in seinem Kramladen das schlechte Geld nicht in Zah lung nehmen wollte, so sagte Nachbar Kunz: „Ihr Leute kommt zu mir, ich nehme all die fremden Münzen und unterwerthigen Pa piere weiter für voll an." Dafür wog er ein bischen schlechter aus oder mischte etwas Holz unter den Zimmt. Was thats! Unser Publicum wars nicht besser gewöhnt und wollte mit dem alten Plunder wirthschaften. Noch heute ist das Elend nicht ganz über wunden, trotz allem, was geschehen ist, um Ordnung zu schaffen. Seitdem die „Deutsche Rundschau" Glück zu machen scheint, erwarte ich stündlich die Ankündigung des Programms einer „Deut schen Umschau" oder eines „DeutschenRundblicks", welche um2HM. billiger abgegeben werden und noch ein Modebild dazu liefern. Haben doch „Gartenlaube" und „Daheim" den Geist der Verleger
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