Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.02.1877
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- 1877-02-12
- Erscheinungsdatum
- 12.02.1877
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- Deutsch
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35, 12. Februar. Nichtamtlicher Theil. 569 nicht ruhen lassen, bis als Drittes ein „Heimgarten" in die Welt gesetzt war! Eine wesentliche Bedingung, um über die Verbreitungsgrenzen der früheren Zeitschriften hinauszukoinmen, suchte von vornherein die „Rundschau" dadurch zu erfüllen, daß sie die schöne Literatur mit der wissenschaftlichen grundsätzlich combinirtc. Jedes Hcst soll eine Novelle oder den Theil eines Romanes enthalten. Auch hierin hat sie sich die „Revue des deux Mondes" zum Vorbild genommen, auch hierin mit Recht. Wer hier Vieles bringt, wird nicht bloß Jedem etwas bringen, sondern den höheren Nutzen stifte», Jedem Vieles näher zu bringen. Die „Rundschau" hat darin, wie in zahl reichen Stücken, einen schwereren Stand als ihre französische Kollegin. Wir haben eine Reihe hervorragender Novellisten. Aber das große Feld der ganzen Gattung gehört bei uns der Species des Romans. Auch die französische Revue bringt im Ganzen mehr Romane als Novellen, aber sie hat den für diesen Fall wichtigen Vortheil, daß sie alle vierzehn Tage erscheint. Ucbcr solchen kurzen Zwischenraum kann man mit Fortsetzungen hinaus kommen; über Monatsfrist läßt sichs zwingen, aber mit Schmerzen. Die Rundschau kann und soll vorerst nicht daran denken, öfter als jeden Monat zu erscheinen. Die Zersplitterung des deutschen Lebens gibt uns in allen Stücken mehr zu thun als andern Menschenkindern, zwingt uns zu unsinni gem Zeit- und Krästcverlust. Man denke nur an die Ueberbürdung mit etlichen fünfzig Kammern neben dem Reichstag — ohne vom andern zu reden! Wir vermögen nicht mehr als eine Revue im Monat zu lesen. Es kann auch der ganzen Gattung dieser Erzeug nisse nur förderlich sein, wenn die kurzgeschürzte Novelle gegenüber dem mit philosophischen Gesprächen ausgestopften Dreibänder noch mehr Aufmunterung crsährt. Mit dieser Zusammensetzung der Hefte aus unterhaltendem und belehrendem Stoffe ist dem umschwebenden Ideal einer Revue das Wesentliche nachgebildet. Dagegen wurde bis vor kurzem in einem anderen nicht minder wichtigen Punkte von der Linie des Originals abgewicheu. Die angesehenen Revuen des Auslands bringen alle im einzelnen Heft nur längere Aufsätze. Zwei Bogen ist der richtige Umsang für einen solchen Beitrag, eher mehr als weniger. Die „Rundschau" hat in den ersten zwei Jahren mit Hilfe zahlreicher kleiner Beiträge erschreckend lauge Register, Wasch zettel möchte ich sagen, aus dem Titel jedes Heftes gebracht. Aber das ist gar nicht ihr Berus: dieselben Feuilleton-Artikel, die wir täglich in den Journalen und sonntäglich in den Wochenschriften lesen, noch einmal monatlich in einem dicken Baud aufzustapeln. Von solcher Nahrung erhalten wir genug. Was wir brauchen, ist solidere Kost. Erfreulicher Weise hat die „Rundschau" in den neuesten Heften den besseren Weg eingeschlagen. Die Klage, daß die perio dischen Schriften das Lesen und Wissen zersplittern und dem ernsten Buchstudium schaden, ist gewiß nicht aus der Luft gegriffen. Aber sie kann von einer Revue, wie sie sein soll, zu einem guten Theil parirt werden. Gegen historische Darstellungen, die sich durch mehrere Lieferungen sortsetzen, ist nichtseinzuwenden, ja sie dringen eher durch als dicke Bände. In der „Revue des deux Mondes" sind zahlreiche Gcschichtswerke, welche in keiner Bibliothek fehlen, auf solide Weise nach einander veröffentlicht worden. Guizot, Michelet, Geffroh, Lansreh, Gaston Boissier, Thierry und viele Andere haben dieses Verfahren bei Werken, die zu ihren größten Erfolgen zählen, eingeschlagen. Die literarische und musikalische Kritik darf nicht fehlen, aber sie muß sich bescheiden, eine bloße Beigabe zu sein. Schon um deswillen, weil sie bei uns sonst gar zu leicht überwuchert. Die Revue, dem Buche möglichst nahe kommend, soll Stoff, nicht Urtheile liefern. Die Besprechungen theatralischer Aufführungen vollends (nicht die theatralischer Werke) mögen am sparsamsten zu gemessen werden. Bei der geringen Bedeutung, welche die Berliner Bühnen für das deutsche Kunstleben haben und zu haben bean spruchen können, würde in einem auch diesen Bereich umfassenden Programme eine Verkennung der Aufgabe liegen. Alles örtlich und täglich sich Abwickelnde trete in den Hintergrund. Es kann nicht genug daraus Nachdruck gelegt werden: die Arbeit einer Revue be ginnt erst da, wo die der Zeitungen und Wochenblätter aushört. Man kann fragen, wie sie sich zur Politik zu stellen habe? Im An fang gab die Rundschau nach Analogie des französischen Organs ihren politischen Ueberblick am Schluß jedes Heftes. Die Sache hat sich nicht bewährt und wurde mit Recht verlassen. Auch die poli tischen Rösumös der „Revue des deux Mondes" genießen wenig Beachtung, seitdem der talentvolle Eugöne Forcadc, welcher sie zu großer Bedeutung erhoben hatte, tvdt ist. Ein selbständiger hervor ragender Geist kann eben alles werthvoll machen. Bei uns wäre sogar die Anstrengung eines solchen an solcher Stelle verloren, da das unentwickelte Staatslebcn doch für die feinere Art der Einwir kung weder im Publicum noch viel weniger in der Regierung mit entsprechendem Gefühl begabt ist. JmGanzen ist es dieAufgabederLeitung einer solchen Monats schrift, das Gleichgewicht zwischen den Hauptelcmenten, aus welchen sie sich zusammensetzt, mit größter Sorgfalt fortwährend zu pflegen, und wenn etwas mit besonderer Aufmerksamkeit: die novellistischen Beiträge. Denn diese sichern den lebhaftesten Antheil des leibhafte sten und darum wichtigsten Publicums. Eine mit ernster Hingabe und feiner Kennerschaft geleitete Monatsschrift könnte in Deutsch land in der Pflege der erzählenden wie der belehrenden Darstellungs gabe Dienste leisten von größter Bedeutung für unsere gesummte im Punkte der Formschönheit so sehr mangelhafte Bildung. Die „Rundschau" hat mit überraschend durchgreifendem Erfolg von vornherein ihren Weg gemacht. Auch den besten ausländischen Unternehmungen dieser Art ist es nicht so schnell geglückt. Alles kommt daraus an, daß sie, nicht zu früh siegestrunken, nach innerer Verbesserung zu ringen fortfahre. Bewahrt sie sich vor dieser Ge fahr, dann bleibt noch dem Publicum die Ausgabe, vom nächsten Concurrcnznachläufer, der unausbleiblich bevorstcht, sich nicht „aus- spanncn" zu lassen. Die Uebersicht des Absatzes, welche die Verleger mit genauem Nachweis der Einzelheiten veröffentlicht haben, zeigt einen Ver brauch von 9000 Exemplaren sür 1875 und dieser ist 1876 nach neuer Angabe aus 10,000 gestiegen. Aber diese glänzende Bilanz hat doch eine schwache Stelle. Unter den 9000 nach Ortskundschaft aufgeführten Exemplaren sind über 3300, die ins Ausland gehen, die stärksten Posten nach Rußland und nach Amerika. Der russische Konsum niag zum größeren Theil aus Rechnung unserer östlichen Nachbarn selbst kommen, die trotz ihres vorherrschend französischen Geschmackes in ihrer kosmopolitischen Bildung auch noch Platz genug sür deutsche Studien übrig haben. Dagegen was Amerika und das übrige Ausland ausnimmt, dient ohne Zweifel wesentlich zur Befriedigung der daselbst wohnenden Deutschen. Diese Theil- uahme an dem heimischen Geistesleben verdanken wir dem natio nalen Selbstgefühl, welches die Ereignisse des letzten Jahrzehends in unseren >enseits der Grenzen lebenden Landsleuten erweckt haben. Fern vom engherzigen und geistesbeschränkten Getriebe unseres Partcihaders schöpfen sie mit ihrem Sinn für den deutschen Staat aus dem Ganzen und Bollen. Immerhin bedeuten 5000 bis 6000 inländische Abnehmer eine Kundschaft, welche über die der bloßen Leseanstallen hinausgeht. Die Privathäuser, welche mehr als die Auslagen sür eine „Garten laube" aus sich allein verwenden und sich eine Monatsschrift auf ihren eigenen Leib gönnen, sind jedoch noch immer nicht sehr zahl reich. Sechs ganze Mark im Vierteljahr, soviel kostet ja eine gute Flasche Wein oder ein Theaterbesuch. Man denke doch! Auch ist
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