77, 5. April 1904. Künftig erscheinende Bücher. 3037 zwei Wiener Autoren Ein Roman. Mit Umschlagzeichnung von Karl Soffel. 22 Bogen. Geheftet 5.—, gebunden in Leinen ^ 6.—. Viktor Wall ist ein neuer Name und dieser Roman sein erstes Buch. Doch kaum habe ich je ein finanzielles Risiko, wie es die Veröffentlichung eines so umfangreichen Erstlingswerkes bedeutet, freudiger auf mich genommen, als in diesem junge Kraft, die wirklich etwas zu sagen hat, zum Wort verholfen zu haben, machte es mir leicht. — Ein Mensch schreibt die Geschichte seiner Kindheit, seiner Jugend bis zu der Stunde, in der sein Vater stirbt. Die Stunde weckt in ihm alle Kräfte. Er berichtet ernst und einfach die Tatsachen, mit großer Anschaulichkeit aber fast kunstlos. Jedenfalls ist ihm noch nicht das Wie die Hauptsache, sondern das Was. Daher ein Stil, der ganz natürlich und daher persönlich ist. der mit keiner literarischen „Schule" der Gegenwart etwas zu tun hat, der noch nicht reif ist, wohl aber die sichere Hoffnung weckt, in späteren Werken reif zu werden. Der Inhalt seines Berichtes ist nichts Ungewöhnliches. Wir verleben mit dem Verfasser die erste Kindheit in dem kleinen Fabrikort, die Schulzeit in der Großstadt, im geistlichen Stift, die Kadetten- und Leutnantsjahre, die trostlose Arbeit in einem Bureau, den an der Leiche des Vaters zum Durchbruch kommenden Entschluß, sich der Schriftstellerei zu widmen, alle Kraft auf ein Werk zu konzentrieren. Unsere lebendige Anteilnahme wird aber sofort gefesselt, denn hier macht keiner Literatur um der Literatur willen, sondern er schreibt aus seelischer Not. Zwischen den Idyllen der Jugendzeit stehen plötzlich Aufschreie und Anklagen, die ergreifender nie erhoben sind, über die auch der Fertige und sich überlegen Fühlende nicht mit einem Lächeln hinweglesen kann. Das Buch ist ein Stück Autobiographie, ein Entwicklungs roman wie etwa Gottfried Kellers „Grüner Heinrich" oder Strindbergs große Beichten. Wer in der Kunst den Menschen sucht, wird hier einen finden, von dem er nichv^gleichgülti g Abschied nimmt. 6 Bogen. Mit Umschlagzeichmmg von Alfred Keller. Geheftet 1.50, gebunden ^ 2.50. Wie zuerst 1896, veröffentlicht der inzwischen bekannter gewordene Lyriker wieder ein schmales Bändchen Gedichte, die halten, was die erste Sammlung versprach. Otto Julius Bierbaum schrieb damals: „Es sind viele und schöne Verheißungen in dem Buche. Erfüllen sie sich ganz, so werden wir einen ganzen Dichter mehr haben. Einen Dichter von der Art Conrad Ferdinand Meyers denke ich." Mir selbst scheint, als hätten wir einen ganzen Dichter mehr, aber einen von eigener Art. Klingt in dem ersten Bändchen vielleicht ein Meyerscher Ton mit, so ist der jetzt verstummt und Wertheimer hat ganz sich selbst gefunden. Der Gcfühlsgehalt des Bandes ist reich. Als Probe drucke ich zwei kurze Gedichte hier ab, die Sie überzeugen werden, daß das Buch von Menschen, die über haupt Gedichte lesen, gewürdigt werden wird. Das Erlebnis. Nacht. Früher, da ich nur Sehnsucht war, Sang ich von Küssen, Lauben, wildem Haar. Nun ist mein Herz ganz ruhig, leicht und klar. Nun wird es kaum von einem Takt bewegt. Seit sich das Glück in meiner Stube regt Und seine Arme flüsternd um mich schlägt. O komm, schon ist es Schlafenszeit. Die Nacht ist voller Heimlichkeit Und drängender Gewalten. Stumm vor der dunklen Macht in dir Und vor der dunklen Macht in mir Sollst du die Hände falten . Sollte Ihnen mein Zirkular nicht zugegangcn sein, so wollen Sie es bitte verlangen. Auch dieser Anzeige füge ich nochmals Bestellzettel bei. Hochachtungsvollst München und Leipzig, 5. April 1904 Königinstraße 59. Verlagsbuchhandlung.