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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.04.1904
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1904-04-29
- Erscheinungsdatum
- 29.04.1904
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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3764 Nichtamtlicher Teil 98, 29. April 1904. In unserm vorjährigen Bericht haben wir Ihnen von dem Fortgang des Rechtsstreits, den die Firma Mayer L Müller gegen Ihre Vorstandsmitglieder Karl Siegismund nnd R. L. Prager seit Jahren führt. Kenntnis gegeben. Wir hatten Ihnen mitgeteilt, daß nachdem der 2. Zivilsenat des Reichsgerichts am 24. Oktober 1902 das Urteil des 9. Zivilsenats des Königlich Preußischen Kammergerichts zu Berlin vom 18. März 1902 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Be rufungsgericht zurückverwiesen habe. Wir teilten ferner mit, daß das Kammergericht unter dem 3. Februar 1903 einen Beweisbeschluß erlassen habe, nach dem der Inhaber der Göschenschen Verlagsbuchhandlung als Zeuge vernommen werden solle, daß diese Vernehmung am 13. März in Leipzig stattgefunden Habs, und daß wir nun abwarten müßten, wie das Kammergericht weiter entscheiden werde. Diese Ent scheidung ist am 15. Mai 1903 gefällt worden und zwar durch kostenpflichtige Zurückweisung der gegnerischen Berufung. Den Taibestand dürfen wir als allgemein be kannt voraussetzen und entnehmen wir der Begründung die nachstehenden Sätze! Das Berufungsgericht verbleibt überall bei den Aus führungen des frühem Urteils, soweit sie vom Reichsgericht nicht beanstandet sind. Mochte auch das nächste nnd un mittelbare Ziel des Vorgehens des einen oder der beiden Beklagten die Aufdeckung des satzungswidrigen Verhaltens eines Vereinsmitgliedes sein, so richtete sich in der Haupt sache das Ziel doch gegen die Klägerin, deren Rabatt bewilligung über das vom Börsenverein festgesetzte Maß hinaus entgegengetreten werden sollte. Allein Bestrebungen zur Verhinderung von Preisunterbietungen sind an sich erlaubt, und es war deshalb auch der Börsenverein be rechtigt. zur Verhinderung der sogenannten Schleuderei satzungsgemäß nicht nur seine Mitglieder zu verpflichten. Rabatt nur innerhalb bestimmter Grenzen zu gewähren, sondern ihnen auch zu untersagen, an solche Nichtmitglieder, die die gesteckten Rabattgrenzen überschreiten, gegen den Willen der Verleger Bücher abzugeben. Darin lag keine Verletzung der Gewerbefreiheit, es wurde nur im Wege der genossenschaftlichen Selbsthilfe innerhalb bestimmter Grenzen der Freiheit des einzelnen hemmend entgegengetreten und gegen die Betätigung dieser Freiheit des einzelnen eine Art wirtschaft lichen Kampfes geführt. Dies ist an sich zulässig, und unzu lässig. wie das Reichsgericht feststellt, nur dann, wenn in der Art und Weise des Vorgehens ein Verstoß gegen die guten Sitten zu finden ist. Daß dies aber der Fall, hat das Berufungsgericht auch bei erneuter Prüfung der Sachlage und unter Berücksichtigung der Aus führungen des Reichsgerichts nicht zu erkennen ver mocht. Die Bestellung stellt eine List dar. deren sich zu bedienen im allgemeinen nicht für zulässig und wohl anständig gilt, besonders dann nicht, wenn im eignen Inter esse und auf Kosten der Gegner wirtschaftliche Vorteile er strebt werden. Allein die Umstände des vorliegenden Falls waren besondere. Die Beklagten waren an dem wirtschaft lichen Kampfe, den der Börsenverein seit vielen Jahren führte, nicht ohne jedes eigene Interesse, allein dieses eigene Interesse zweier einzelner Firmen war ein untergeordnetes. Dabei bestand die ohne Zweifel durch die spätern Ermittelungen bestätigte Überzeugung, daß die Inhaber der Klägerin bei den von den Berussgenossen mit den Standesinteressen nicht für vereinbar gehaltenen geschäft lichen Gepflogenheiten von dem einen oder andern Vereins mitglied unterstützt werden, in gröblicher Verletzung der Satzungen und damit der Vertragstreue. Durch ein solches Vorgehen und Ausnutzung im Interesse des Wett bewerbs dursten sich mit den übrigen Mitgliedern des Börsen- vcreins auch die Beklagten beschwert fühlen, um so mehr, als sie wußten, daß der Vertrieb der Bücher zu den so genannten Schleuderpreisen dem erklärten Willen der Ver leger zuwider war. Wenn unter diesen besondern Umständen und in vollem Einverständnisse mit dem Verleger die Beklagten geglaubt haben, sich einer durch die Verhältnisse fast von selbst an die Hand gegebenen List bedienen zu sollen, so ist es nicht Sache des Berufungsgerichts darüber zu ent scheiden. ob trotz dieser besondern Sachlage das Verfahren der Beklagten an und für sich als völlig einwandfrei zu erachten ist. Nicht jedes zu be anstandende oder auch von einer größeren oder geringeren Anzahl von Personen tatsächlich bean standete Verfahren enthält schon im Sinne des Ge setzes einen Verstoß gegen die guten Titten. Der Be griff der Sitte erfordert, daß das Rechtsbewußtsein des Volkes wenigstens im allgemeinen sich An erkennung verschafft hat. daß es sich nicht nur handelt um das Anstandsgesühl und die Sitten anschauungen einzelner, vielleicht strenger ur teilender Kreise, sondern mindestens um das feste Urteil der überwiegenden Mehrzahl der zunächst zu einem Urteil berufenen Kreise. Dies entspricht dem Urteil des Reichsgerichts vom 11. April 1902 (Jur. Wochenschr. 1901, S. 349), für den vorliegenden Fall aber ist nicht anzunehmen, daß die Beklagten, indem sie sich jener List bedienten, dadurch nach den besondern Umständen des Falls mit den Anschauungen der großen Mehrzahl ihrer Berufs genossen oder auch mit den Pflickten, die allgemein an das Verhalten eines ehrbaren Kaufmanns ge stellt werden, in Widerstreit getreten sind. Daß die Angelegenheit unter Nennung der Namen, namentlich auch des der Klägerin auf der Hauptversammlung des Verbandes besprochen und über das Ergebnis ohne Namensnennung im Börsenblatt berichtet ist. verstößt gegen die guten Sitten nicht. Daß eine Angelegenheit, die von erheblichem Interesse für die Vereinsmitglieder war und bei der es sich uni schwere Verfehlungen eines Mitgliedes gegen die Vereinssatzungen handelte, auf der Verbandsversammlung zum Gegenstand der Erörterung und demnächst im Vereinsblatt zum Gegen stand eines Berichts gemacht wurde, kann nicht befremde» und nicht als eine Verletzung des Rechtsbewußtseins oder des Anstandsgesühls »aller billig und gerecht Denkenden- erachtet werden, ebensowenig wie die Nennung des Namens der Klägerin auf jener Verbandsversammlung. Durch diese Vorgänge ist die Klägerin auch nicht geschädigt. Sie selbst findet ihren Schaden nur in dem Abschneiden der Bezugsquelle und diese Tatsache ergab sich von selbst, sobald nur der Vorstand des Börsen oereins von dem statutenwidrigen Verhalten der Firma S. Kenntnis erlangt hatte. Zudem be stand in den Kreisen der Berufsgenossen kaum ein Zweifel, daß von irgend einer Seite statutwidrig der Klägerin Verlagsartikel zugängig gemacht wurden. Geheimnis war nur die Bezugsquelle und ihre Offendeckung enthielt nicht einmal eine weitere besondere Verletzung der geschäftlichen Ehre der Klägerin oder ihres Ansehens im Kreise der Be rufsgenossen oder Kundschaft. Nach alledem mußte ein Ver stoß gegen die guten Sitten verneint werden und die Klage erschien deshalb weder aus 828 BGB. noch aus Z 9 des Gesetzes wider den unlauter» Wettbewerb begründet. Gegen diese Entscheidung erhob, wie wir es nicht anders erwartet hatten, die gegnerische Firma Widerspruch. Die Revision kam am 29. März 1904 vor dem 2. Zivilsenat des Reichsgerichts zur Verhandlung. In dieser ist entschieden
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