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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1907
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 03.05.1907
- Sprache
- Deutsch
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manche Buchhändlergattin daheim beglückt hat. Ein Notizkalender in vornehmer Ausstattung, geschmackvoll in Leder gebunden, zum Teil gar noch üppiger, in Krokodil leder und in echtem Juchten als Brieftasche. — Auch an die »Speisenfolge und Weinkarte« ist Geschmack und Sorgfalt gewendet worden. Eine künstlerische Tuschzeichnung von W. Heyland (Leipzig), von Renaissance-Motiven in matten Farben umrahmt, schmückt den Titel. — Auch ihr Inhalt befriedigte in hohem Grade. Es war das erste Kantate mahl des neuen Wirts im Buchhändlerhause, eines bewährten Kochkünstlers. Er hat durch seine ausgesucht feine »Speisen folge« die Probe bestens bestanden. Nicht minder befriedigte die Weinkarte, auf der diesmal unser alter Freund Eduard Witter - Neustadt a. d. Haardt mit erlesenen Weinen reich vertreten war. Gar zu gern wäre der alte Kollege gleich seinem Sohne Ludwig — der allseitig zu seiner im Vorjahre erfolgten Ernennung zum Kom merzienrat begrüßt wurde — wieder einmal dabei ge wesen; aber seine 83 Jahre, die er übrigens mit großer Frische trägt, zwangen ihm Bedenken auf. denen man Be rechtigung nicht versagen wird. — Eine angenehme Über raschung brachte ein Gang der Speisenfolge unter dem Namen »Rauchröllchen«, die vor dem Kaffee serviert wurden. Ein havannabraunes mürbes Gebäck, durch gelbseidene Zigarrenbändchen zur Rolle geschlossen, darin in sauberem Umschlag vortreffliche Zigarren und Zigaretten, je zwei in jeder Rolle. Gleichzeitig öffnete sich das Zeltdach. Man atmete wohltuende Frische, und bald erhoben sich allent halben die Rauchwölkchen zur kaum ermeßlichen Höhe des Saales. Die Behaglichkeit des Kaffeestündchens hielt die Fest genossen noch lange beisammen, obwohl der späte Anfang auch eine späte Beendigung des Mahls zur Folge hatte. * Für den Abend des Montags hatte der Festausschuß wieder die Pforten seines »Theaters des Börsenvereins« ge öffnet und Herren und Damen, Chefs und Gehilfen in den sehr geräumigen Varistssaal des Krystallpalastes geladen. Der Einladung war so ausgiebig entsprochen worden, daß an den zahllosen Tischen kein Plätzchen frei blieb. »Heesemann redivivus, Burleske mit Gesang und Tanz in einem modernen Prolog, einem dllstern Vorspiel, zwei Aufzügen und einem düstern Nachspiel, von Max Möller. Musik von Otto Findeisen und andern«. So verkündete der Theaterzettel. Max Möller hat uns schon vor zwei Jahren im Zentraltheater am Thomasring mit einem muntern Schwank erfreut. Auch der Name des Sortimenters Heese mann dürfte den meßbesuchenden Kollegen in lustiger Erinnerung sein. Er entsteigt seinem »Etui«, wie er es nennt, einem — Sarg, der in einem Kellergewölbe des Buchhändlerhauses zur ewigen Ruhe niedergestellt ist. Drei Zeitalter, einander folgend, wecken zur Mitternacht den Schläfer aus seiner Ruhe. Die ersten beiden vergeblich, der dritten folgt er zum Tanz und verpaßt darüber das dröhnende »Eins« des Glockenschlags. Unerbittlich klappt »das Etui« zu. Er ist auferstanden. »Aber mein Schärm!« tönt sein Verzweiflungs- schrei. Er hatte ihn mit in den Sarg bekommen. Ver geblich! Genug, er ist »reäivivas« und gründet mit der charmanten »Neuzeit« ein Vermittlungsbureau für fahrende Künstler aller Art, zugleich ein nicht ganz unbedenkliches neuzeitliches Buchhandlungsunternehmen. — Es ist hier un möglich, den weiteren Gang der Handlung zu schildern. Ein bühnengerechter Zusammenhang war auch nicht zu ersehen, wohl auch kaum beabsichtigt. Vielmehr beherrschten alsbald die in der Variete-Agentur sich meldenden Künstler das Feld und die volle Aufmerksamkeit der Versammlung. Einer Vortragskünstlerin, einem italienischen Sängerquartett, zwei, übrigens vortrefflichen Balletteusen (bekannten Künstlerinnen des Leipziger Stadttheaters), der Köchin, die ein vegetarisches Kochbuch in Verlag geben möchte, einer »Signora Rettynetti« folgte schließlich ein Tausendkünstler, der fast den vollen wei teren Abend für sich und seine bewundernswerte Gewandtheit in Anspruch nahm und die staunende Versammlung dauernd in Atem hielt. Als Zauberer und Kartenkünstler beschämte er einen Bellachini, als Schnellmaler, japanischer und moderner Jongleur, als Kunstreiter auf engem Bühnenraum, in ikarischen Spielen, als Kunstschütze, als verblüffender Nach ahmer von Meistern der Violine, in olympischen Spielen, als erdballtragendec Atlas, in allen diesen, in schneller, unmittelbarer Folge sich jagenden Künsten zeigte der junge Mann, Sylvester Schäffer junior, ein phänomenales Maß von Gewandtheit, Kraft, Verwegenheit, Sicherheit und Ausdauer, das den stürmischen Beifall, den er erntete, wahr lich verdiente. Man sieht, daß die Handlung des Stücks nur einen schwachen Rahmen um eine vortreffliche Variete-Vorstellung gezogen hatte, und des war man völlig zufrieden. Ver schwiegen aber sei nicht, daß die Dichtung doch ihren regel rechten Schluß bekam; denn nach Sylvester Schäffer, der etwa Ist, Stunden die Aufmerksamkeit gefesselt hatte, setzte der Dichter von neuem mit seinem Stücke ein, und Heese mann schlüpfte wieder in sein »Etui«. Obwohl es recht spät geworden war, gab es doch noch weitere Überraschungen: die sehr interessante kinemato- graphische Vorführung einer Amerikafahrt Hamburg— New Jork in einer langen Reihe von Bildern, danach leider eine andre Bilderfolge: »Die bestrafte Neugier«, die berech tigtes Befremden erregte. Der Festausschuß des Börsen vereins legt Wert darauf, hier festzustellen, daß dieses wenig taktvolle Bild ohne sein Vorwissen und sehr gegen seine Absicht durch Eigenmächtigkeit der Kiystallpalast-Direktion vor Augen gebracht worden ist. Wohl jeder Besucher wird — wie sicher anzunehmen — diese Überzeugung mit nach Hause genommen haben. Nach Schluß der außerordentlich reichen Vorführungen, die die Stunden im Fluge entschwinden ließen, trat der Zweite Vorsteher des Börsenvereins Herr vr. Erich Ehler mann vor die Rampe der Bühne und sprach den um die Unterhaltung ihrer Gäste so wacker bemühten vier Herren des Festausschusses, den Herren Fritz Hochmeister, Karl Weisser, Daniel Rahter und vr. Ernst Reclam, den Dank des Vorstandes und aller Festteilnehmer aus, eine Anerkennung, die sehr verdient war und lebhafte Zustimmung fand. Auch des Dichters, der Künstler und aller, die sich um das schöne Gelingen dieser Kantatefeier bemüht hatten, gedachte Herr Or. Ehlermann mit anerkennenden, dankenden Worten. Insbesondere freue es den Börsenverein, den heutigen Abend gemeinsam mit zahlreich erschienenen Ge hilfen in unserm Beruf verleben zu können, unfern fleißigen, treuen Mitarbeitern. Sein Hoch auf die Gehilfenschaft fand ein brausendes Echo im weiten Raum des Saales. Der großen Versammlung folgte noch ein zwangloses Beisammensein im selben Saale, das sehr behaglich verlief, der späten Stunde wegen leider aber bald abgebrochen werden mußte. * Wir schließen unfern Bericht mit Mitteilung des Wort lauts des von Herrn Hartmann vorgeschlagenen Tele gramms und der Antwort unsers verehrten Altvorstehers, Herrn Geheimen Kommerzienrats Adolf von Kröner in Stuttgart:
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