4433 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Fertige Bücher. ^ 90, 18. April 1908. ^ Johannes V. Zensen: Das Rad Roman. Geh. 4 Mark, geb. 5 Mark. (Neuerscheinung Februar 1908.) Es ist beachtenswert, daß die flammendsten Propheten Amerikas und des Amerika nismus nicht aus dem eignen Lager, sondern aus fremden Landen kommen. Wiederum ist es ein Nordländer, auf dessen Netzhaut sich das ganze tausendfältig bewegte ameri kanische Leben zusammengedrängt abspiegelt, und in einem eminent reichen Buche wird er dessen geistsprechender Verkünder. Bei Fensen hat dieser beinahe evangelistische Glauben an der Land der unbegrenzten Möglichkeiten einen tieferen Zusammenhang. Er ist Züt^ länder, die alten Wickingerhelden nennt er seine Ahnen. Nun hat er sich die Theorie zurechtgemacht, daß Wickingerblut auch in den echten Amerikanern lebt. Die Geschichte Amerikas habe ihren Anfang in Dänemark, durch eine Art Völkerwanderung sei in grauer Zeit von den Nordländern der Grund zur jugendfrischen amerikanischen Republik gelegt worden, die für ihn eine Bauernkultur im großen ist. Dieser Eisenstaat mit seiner un geheuren Schwungkraft, die auf der Lebenstllchtigkeit des einzelnen beruht, habe seinen Antergrund im Gotenkum. Der Verfasser spielt mit dieser Idee, verbeißt sich in sie und türmt sie mit geistiger Gewalt zur Pyramide Der Gedanke reißt ihn hin, diese Pyra mide zu krönen, Amerika zum zweitenmal zu entdecken in seinem geistigen Leben, in seiner Geisleskultur. Anter die zyklopische Mahlmühle, die ihm Chicago ist, hält er seinen Sack und fängt gleichsam das Leben auf. And wie ein Zauberer schüttet er wiederum diesen Sack vor dem Leser aus. Es quillt hervor, häuft und überstürzt sich, eine Fülle der Gesichte drängt ineinander. Was für Bilder hat der Verfasser für die Szene einer Straße, was für Vergleiche für Dinge und Situationen! Zwei Männer lösen sich heraus. Evanston, der unheimliche Geselle aus Zeusens erstem Roman Madame d'Ora, und Lee, der Prophet von Amerikas geistiger Renaissance. Beide suchen einen Vernichtungskampf gegeneinander, in dem Evanston, das in unerhörter Beredsamkeit schwingende Wortrad, von Lees physischer Kraft zermalmt wird. And der Verfasser läßt seine schönen Gedanken von amerikanischem Geistesleben fahren, denn in Amerika triumphiert der motorne Gigant: das Eisenrad. Das ist die Kultur Amerikas: „Die Amerikaner leben und arbeiten, einer anderen Richtung bedürfen wir nicht." Zensen ist ein Bestauner dieses Lebens, das er mit dem Reichtum seiner eigenen Seele füllt. Zm Brausen und der flutenden Be wegung Chicagos schwingt er selbst mit, Phantasie und ein unerhörter Wirklichkeits sinn fließen zusammen, so daß er bald mit erregenden Spannungen operiert, bald mit den feinsten Fühlern sich in seinem Stoff aufsaugt. Dabei hat er seine allereigenste Sprache, die der Multiplikationspoesie Walt Whitmans, den er anbetet, verwandt ist. Wie dieser hat Zensen den Schwung und Rhythmus für die realen Dinge. Seine Sprache ist wie eine elektrische Batterie, die Funken sprüht, unregelmäßig in ihrem Ausdrucksllberschwang, und man müßte ganze Seiten zitieren, wollte man einen Begriff von dieser ganz erstaun lichen Bildkraft und der strotzenden Lebenskraft des Stils geben. Es ist, als ob man mit dem Autor auf einem Motor dahinsaust, wie im Fluge Prallen die Eindrücke aufeinander. Die Äbersetzung ist von Mens. Das ist aber keine Äbersetzung, das ist ein geniales Nachschaffen. (Der Vorwärts, Berlin) S. Fischer, Verlag, Berlin V- . — —