12394 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Künftig erscheinende Bücher. 25k, 3. November 1903. Eine reiche Ernte liegt zum Einholen bereit. Seit nunmehr neun Jahren üben die iesbadener ^Volksbücher Herausgegeben vom Volksbildungs-Verein Wiesbaden ihre segensreiche Kulturmission aus. Juni erstenmal versuchten hier die Begründer dieses Unternehmens im höheren Sinne die Vvlks- erziehung aufzufassen, als es bisher in all den unzähligen für diesen Zweck eigens verfaßten Schriften für das Volk geschah. Man wollte sich nicht herablafsen zu den minder Gebildeten und eine Sprache reden, deren gekünstelte Einfalt von vornherein den Verdacht eines absichtlichen, hochmütigen Befreiungs- und Befserungsbestrebens Hervorrufen mußte, aber auch nicht künstlich emporheben zu einer vornehmen, fremd artigen Bildung. Ohne pedantisch aufklärende Schulmeisteret, ohne moralisierende Absichtlichkeit, aber auch ohne jede politische oder religiöse Parteitendenz wollte man Vorgehen, mit ihrem Besten sollten die aus erlesensten Geister unserer Nation in eigenster, nicht zurecht gestutzter Gestalt vor das Volk heraustreten, das Schönste aus dem Schatze der Vergangenheit sollte jedem, auch dem Ärmsten, zugänglich gemacht werden, vor allem aber auch sollten die Lebenden mit ihren Geisteswerken, die bis dahin dem Volke verschlossen waren, nun dem großen Zwecke dienen. Glänzender, als man nur hoffen konnte, war der Erfolg. Im ganzen wurden bis jetzt von den 117 Nummern der Sammlung nahezu 4 Millionen Exemplare verkauft, davon allein 628 ovo Hefte, mehr wie je, im letzten Vereinsjahre. Seitdem sind nun andere Unternehmungen ähnlicher Art nachgefolgt, sie haben in kleinerem Kreise ebenso segensreich gewirkt, aber keine hat doch an Reichhaltigkeit des Stoffes, an Gediegen- heit des Inhalts wie auch an Billigkeit den Wiesbadener Volksbüchern gleichkommen können. Welche Steigerung des allgemein geistigen Niveaus, vor allem welche Lebung und Veredlung des künstlerischen Gefühls unserer Nation durch solche säende Arbeit errungen werden mußte, das wird eine spätere Zukunft noch weit mehr als die Zeitgenossen feststellen und würdigen. Ich bitte den geehrten Sortimentsbuchhandel, für das volkstümliche Unternehmen nachdrücklich ein zutreten, von dem die „Monatsschrift für höhere Schulen" sagt: „Es ist eine Volksbücherei im besten Sinne, und zwar eine solche, die von dem ganzen deutschen Volk, zu dem auch wir gehören, benutzt werde» muß, und nicht nur von dem Teil der Bevölkerung, der gewöhnlich wegwerfend so bezeichnet wird. Eine reiche Ernte liegt zum Einholen bereit!"