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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.09.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-09-23
- Erscheinungsdatum
- 23.09.1911
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- Deutsch
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- Saxonica
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10886 Börsenblatt s. d. Dtschu. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 222, 23. September 1S11 allzu leicht die Umstände, die ihm hierzu oeihalfen, ver gißt, alles abfindet, was nicht gleich ihm durch Titel und Orden, durch blinde bedingungslose Anerkennung des Publikums als wirkliche wahre Kunst sanktioniert ist. Diese Herren, sie vergessen, daß es Hunderte und Tausende von künstlerischen Energien gegeben hat (auch die Geschichte der alten Kunst gibt hier schöne Bei spiele), die wohl berufen waren, Schönes und Großes zu schaffen, die aber still und verborgen ihr trauriges Dasein fristeten, weil ihnen die belebende Sonne nicht schien. Sie stolzieren einher aus ihrem Kothurn und verkünden aufge blasen ihre Größe, die ihnen auf mehr oder minder echte Weise von dienstwilligen Trabanten an- gedtchtet wurde, und die staunende Menschheit glaubt an die Gloriole. Mache, Bluff, niederträchtiger Snobismus und geldwütige Geschäftsspekulation, die aus Kosten der ehrlichen Kunst mit jenen Dummen, die nicht alle werden, ihr freches Spiel treiben, sie eben haben ja jenes traurige Kunstproletariat erzeugt, das in einem so trüben Kontrast steht zu den Großen, Vielgepriesenen, deren Namen wir auf Schritt und Tritt begegnen und die wir, trotz ihrer menschlichen Eigenschaften, besonders in punkto Geld schon als wahre Heilige ansehen möchten. Die unerhörte Überschätzung Einzelner, Bevorzugter, bei denen fast in den meisten Fällen schon eine ursprünglich günstige Lebenslage die wirtschaftliche Ausnutzung der Kunst ganz erheblich erleichterte (wir wissen, daß fast die meisten der sogenannten Träger der modernen deutschen Kunst in sehr günstigen Verhältnissen ausgewachsen sind), sie ist ebenso zum Fluch für Tausende von ehrlich ringenden Künstlern geworden wie die sinnlose und oft kindische Formen annehmcnde Überschätzung der Werke der alten Meister. Jetzt hat man in Paris das herr liche Frauenbildnis des Lionardo da Vinci, der Mona Lisa gestohlen. Das ist ganz gewiß schmerzlich, und jeder, der wahre Freude an der Kunst empfindet, wird diese Tat bedauern. Aber ebenso schmerzlich wie diese muß auch die durch die Presse gegangene Notiz wirken, daß man das Bild jetzt auf fünf Millionen bewerte. Ist das nicht ein himmelschreiender Blödsinn, der unserem sogenannten aufgeklärten Jahrhundert direkt ins Gesicht schlägt? Sollen wir Menschen mit gesunden fünf Sinnen, und wenn wir noch so voll ehrlicher Begeisterung für die Großtaten der Kunst sind, wenn wir alles das aus dem Kunstwerk zu lesen vermeinen, was des Künstlers Genie hineingezaubert hat, wobei nebenbei bemerkt sich seine Seele sehr oft recht passiv ver halten kan», sollen wir uns wirklich weismachen lassen, daß der Wert dieses Bildes dem realen Werte von fünf Millionen, also einer Summe, von der SO Menschen ihr Leben lang sorgenfrei und ohne Berührung des Kapitals leben können, entspricht? Nein, bei aller persönlichen Bewunderung, die sich auch zum glühenden Enthusiasmus steigern kann, das kann ja nicht sein! Muß sich in unglücklichen Menschen, die ihr ganzes Leben lang mühsam jeden Bissen Brot erarbeiten, erobern müssen, nicht ein Gefühl des Haffes, des Neides festsetzen, wenn sie sehen, wie hier eine maßlose, durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigte Übertreibung (denn es gibt, ich wette, Tausende von Kunstwerken, die die Menschheit ebenso beglücken wie jenes) für ein Bild von 70:80 Zentimeter eine Summe fixiert, die dem gewöhnlichen Sterblichen ein unerhörter Besitz dünkt? Freilich, nach und nach sind wir daran gewöhnt worden. Wir wissen, daß die amerikanischen Krösusse ihren oft auf nicht gerade faire Weise erworbenen Reichtum dazu verwenden, ihren Besitzergelüsten zu frönen, daß sie exorbitante Preise für Dinge bezahlen, denen sie mit ihrem eigenen Verstand und Empfinden nicht näher stehen als ihrem Reisekoffer. Wir wissen, daß alljährlich aus den großen Auk tionen Unsummen hingegeben werden für imaginäre Werte, mit deren Verteilung, wenn man schon einmal der Kunst Opfer bringen will, man Hunderte von jungen Talenten fördern und glücklich machen könnte. Daran denkt man aber nicht. Lieber laufen die deutschen Museumsdirektoren von Pontius zu Pilatus, um für einen alten Schinken, den sie für unentbehrlich halten, das nötige Geld zusammenzu trommeln, für einen jungen unbekannten Künstler gehen sie keinen Schritt, ganz sicher aber nicht, wenn es ein armer Teufel ist. Und dieselbe Benachteiligung, die der junge oder unbekannte Künstler durch die absurde Über schätzung der alten Meisterwerke erfährt, sie wird ihm durch seinen lebenden Kollegen zu teil, der nicht wie er mühsam und bescheiden seinen be schwerlichen Weg gehen muß, sondern der hoch erhaben, stolz wie ein Fürst in seinem Palast thront und für eine in müßiger Laune hingeworfene Zeichnung mehr bekommt, als ein anderer für sein in Monaten mühevoller Arbeit geborenes fertiges Werk. Hier klingen die Dissonanzen am schrillsten auf! Und mit tiefer Betrübnis muß man sehen, wie einzig und allein der glanzvolle Name den materiellen Wert bestimmt, während das gleich gute Werk von unbekannter Hand eben nichts ist. Ganz gewiß, und das wird kein vernünftiger Mensch bestreiten wollen, muß es Unterschiede in der Bewertung der künstlerischen Arbeit ebenso geben wie bei jeder anderen. Aber diese wahnsinnige Überschätzung einzelner zu ungunsten soundsoviel anderer, die auch etwas können und leisten, ist ein verdammenswertec Auswuchs unserer Zeit, dem einsichtige Menschen entgegentreten sollten. Und wenn ein so großer Künstler wie Geheimrat Pcoseffor vr. Max Klinger als Juror einer Plakalkonkurrenz für die Inter nationale Baufachausstellung in Leipzig erklärt, daß alles das, was man da geleistet habe, miserabel gewesen sei, daß sich »besseren Künstler überhaupt nicht an solchen Kon kurrenzen beteiligen, so ist das eine sehr unschöne Selbstüber schätzung, die den wahrhaft großen Künstler nicht ehrt. Hat Klinger vergesfen, daß auch er einst ein Kunstschüler war und nicht gleich als Gehetmrat zur Welt gekommen ist? Er bleibt auch dann noch der große Klinger, wenn er auch die kleineren neben sich gelten läßt! Müssen die mit einer rührenden Gewissenlosigkeit in Szene gesetzten Preistreibereien, die besonders begabte Kunsthändler unter der gütigen Mitwirkung von Kunstschriftstellern mit den Werken ihrer Meister vornehmen, ohne jeglichen Widerspruch bleiben? Gewiß, es ist der Künstler und Kunsthändler gutes Recht, soviel zu nehmen, als sie kriegen. Aber das Unrecht liegt aus der Seite, die sinnlos und nur, um mit dem großen Namen zu protzen, gibt und auf andrer Seite ebenso tüchtigen Künstlern den wohlverdienten und anspornenden Lohn ent zieht. Bei aller Hochachtung vor den Uhdes, den Lieber manns, den Stucks, den Corinths, Thomas, Trübners und Konsorten, ist ihre Kunst prozentual so viel bedeutender als ihre Bezahlung im Verhältnis zu der andrer? Hand aufs Herz, gab es wirklich nur einen, der die Dinge des Lebens mit so unglaublichem Rasfinement mit dem Zeichenstist zu schildern wußte wie Adolf Menzel? Keinen neben ihm, der es auch so konnte? Ich habe kleine, unscheinbare Blätter ge sehen, die man mit stattlichen Summen ausgewogen hat, und ich meine, wenn ein anderer sie geschaffen hätte, sie hätten nicht mehr als den Papierwert gehabt. So ist es halt im Leben, und so wird es bleiben. Heute melden uns die Zeitungen die Riesengagen einzelner Bühnengrößen und Brettlsterne, und morgen lesen wir, Laß ein deutscher Schauspieler am Wege verhungert liegen geblieben ist. Dort bringt es so ein Münchener Malerpolentat fertig, ein Honorar von einer halben
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