Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.09.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-09-14
- Erscheinungsdatum
- 14.09.1911
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19110914
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191109144
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19110914
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1911
- Monat1911-09
- Tag1911-09-14
- Monat1911-09
- Jahr1911
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
pE 214, 14. September 1911. Mchtamtlicher Teil. j. ». Dtjch«. «nchhanvtt 10377 Nichtamtlicher Teil, Leipziger Briefe. IV. Wenn die sengenden Strahlen der Hochsommersonne über unserer Ebene brüten und gar wie in diesem Jahre eine besondere Ausdauer und Glut dabei entfalten, dann pflegen sich die Reihen der Berufsgenossen zu lichten. Draußen auf dem Lande, im Gebirge oder am Meere suchen sie Freiheit und Erholung. Auch die Börsenblätter weiden dünner und die Ereignisse im Buchhandel spärlicher. Es tritt dann auch für den Schreiber der Leipziger Briefe eine Art Sauregurkenzeit ein, über die angesichts eines besonders kritisch veranlagten Leserkreises keine in der Sonnenglut schnell ausgebrütete Ente oder sorgsam präparierte See schlange hinweghilft. Unruhig wandelt er in dem von einer fürsorglichen Redaktion umgrenzten Gehege der Leipziger Angelegenheiten herum, bis er sich endlich mit einem kühnen Satze über den Zaun schwingt und ein wenig auf den Nachbargebieten spazieren geht. Die Hitzwelle, die unsere Schaffenslust mehr oder minder stark beeinträchtigte und uns außer der schönen Aussicht auf eine vortreffliche Weinernte nicht viel Gutes für die nächste Zukunft verspricht, spülte ein Buch auf meinen Schreibtisch, dessen Titel in jenen tropischen Tagen auch fleißigere Menschen, als ich einer bin, sympathisch berührt hätte: »Der Fluch der Arbeit«. Von Hermann Gottschalk, Verlag von Albert Langen in München, dessen verlegerische Tätigkeit sich damit bis ins tief wissen schaftlich - philosophische Gebiet hinein erstreckt. Wir wollen uns nicht dabei aushalten, wenn der Verfasser die Lehre Ernst Haeckels in Grund und Boden tritt und gleichsam auf dieser selbstgeschaffenen Tenne den Weizen seiner eigenen Erkenntnistheorie menschlicher Freiheit ausdrischt. Lediglich eine für den Buchhändler, vielleicht auch für die vielen be rufenen oder unberufenen Volkserzieher und Kulturenthusiasten interessante Stelle sei hier angeführt, die über das Kapitel Schundliteratur handelt und psychologisch bemerkenswert scheint. Da heißt es recht temperamentvoll, aber vielleicht ebenso zutreffend: »Die große Masse des glücksbedürstigen Volkes hat, allem Neide der Haeckelschen Konkurrenten zum Trotz, den Be- glückungstvert der Entwicklungslehre voll und ganz anerkannt. Es folgt darin dem gleichen sicher:» Instinkte, mit dem es Räuber- und Detektivromane aus Lieferungen kauft. Auf dem ersten Hefte steht: Komplett in 100 Lieferungen zu 10 H. Die sparsame Köchin überlegt ihr Budget und darf sich Wohl diesen Luxus gestatten. Denn ihr untrügliches Gefühl sagt ihr: Du kaufst dir das Glück! Nun wird sie Woche sür Woche aus eine wahrhaft wollüstige Folter gespannt. Sie durchlebt die Geschichte mit Leib und Seele, ganz und gar Partei sür das Gute und Edle, dessen Sieg über die schrecklichsten Hindernisse in ihrem eigenen Herzen geschrieben steht. Indessen — die neunundncunzigste Lieferung läßt sie noch mitten in der höchsten Spannung, die hundertste weiter vom Ziel entsernt als je! Die zehn Mark sind bezahlt, und unaufgefordert, mit unsäglicher, kornblumen blauer Bescheidenheit beginnt der Kolporteur das nächste Hundert zu liesern. Er verstärkt nur die Gier. Der Roman wird niemals fertig werden. In diesem Zustande versuche deine Köchin vor dem Schwindel zu warnen ...., ein Auge ist das wenigste, was sie dir aus- kratzt. Sie abzuhalten, den Sieg des Guten und Edlen zu erleben, das ist Parteinahme sür das Böse. Lieber wird sie aus ihr ganzes Hab und Gut als auf den Schluß verzichten, der ihr nicht weit genug hinausgeschoben werden kann. Liest sie nicht vielmehr, um die Spannung, alz um die letzte Lieferung zu erleben?« Hätte diese Köchin oder ein anderer ähnlich veranlagter Börsenblatt sür den Deutschen BuchlMdcl. 78. Jahrgang- Mensch einige Jahre später und in Leipzig gelebt, so wäre durch den Rat unserer Stadt sicherlich das große Unglück verhütet worden. Die Eltern hätten das jüngst veröffentlichte Merkblatt gegen die Schund- und Schmutzliteratur durch Vermittelung der Schule erhalten, und die Tochter hätte ihre Lesewut an dem Konglomerat von Literaturerzcugnissen aus- lassen können, wie sie in Gestalt einer ganzen Anzahl neuer Kollektionen durch Bildungsvereine, Ausschüsse usw. geschaffen worden sind. Keine Frage, diese Sammlungen haben ihre Existenzberechtigung erwiesen und sollen qualitativ unan gefochten bleiben. Wenn aber auf einem in Leipzig ver teilten Merkblatt ausschließlich die Deutsche Jugend bücherei, die Quellen, die Bunten Jugendbücher, die Bücher der Deutschen Dichter-Gedächtnisstiftung, Der Schatzgräber und die Wiesbadener Volksbücher zur Lektüre empfohlen werden und weder von Reclams noch von Meyers Sammlung noch von irgend einem anderen in Leipzig verlegten Buche die Rede ist, so macht das einen sehr befremdenden Eindruck. Es scheint fast, als sei der Rat der Stadt Leipzig nicht gut beraten worden. Man muß sich darüber wundern, daß überhaupt Geld sür den Druck eines Merkblattes aus öffentlichen Mitteln ausgegeben wird. Der Buchhandel, der alljährlich Millionen von Prospekten ver breitet, hätte durch Zusammenschluß der beteiligten Verleger sicherlich ein Merklatt auf eigene Kosten geliefert, das auch den Zensoren der Jugendschristenkommissionen und Bildungs vereine genügt hätte. Diese scheinen sich aber neuerdings in bedenklicher Weise zu isolieren und ihren Einfluß namentlich bei den Behörden geltend zu machen. Wir hätten sonst nicht gerade hier in Leipzig diese merkwürdige Erscheinung ein seitiger Empfehlung, die den regulären Verlag so gut wie ganz ausschließt. Nicht erst von heute oder gestern datiert die Erfahrung, daß wir unter einer Laienzensur leiden, die hauptsächlich von den Volksschullehrern ausgeübt wird. Sie, die nicht müde werden, über Überbürdung in der Schule zu klagen, sind längst aus Kindererziehern Volkserzieher ge worden und von ihnen könnte das Wort gelten: Wehe, wenn sie losgelassen! Man versuche sie zu überzeugen, daß dis Produktion des Buchhandels an guten und billigen Jugend- und Volksschriften vollständig ausreiche und auch den ver wöhntesten pädagogischen Ansprüchen genüge — die Folge wird stets ein neuer Ausschuß und die Schaffung einer neuen Büchersammlung sein, für die, wenn sie sich aus eigenen Mitteln nicht erhalten kann, die Hilfe wohltätiger Spender in Anspruch genommen wird. Dadurch kann es kommen, daß selbst die besten Produkte des Buchhandels hintenangesetzr werden und eine Verschiebung des Marktes eintritt zugunsten einer Literaturgattung, die, weil sie von gemeinnützigen Ver einen und Ausschüssen geschaffen, die Wege zu behördlichen Empfehlungen leichter findet, als der Buchhändler, in dem man daun nur den Profitmacher sieht, der aber insofern sich in be sonderem Nachteil befindet, als er als rechtlicher Geschäfts mann die öffentliche Wohltätigkeit zur Beschaffung von Be triebsmitteln nicht in Anspruch nehmen kann. Es wäre eine interessante und lohnende Aufgabe, einmal die Leistung des Buchhandels auf dem Gebiete guter und billiger Jugend- und Volksliteratuc in Vergleich zu bringen mit der Arbeit der Jugendschriftenausschüsse und Volksbildungsvereine und auf dieser breiten Grundlage das Fazit zu ziehen, wie groß der beiderseitige Anteil an der Bildung und Aufklärung des deutschen Volkes ist. Das Resultat würde sicherlich ausreichen, um ein für allemal die Lehre daraus zu entnehmen, daß die ganze Bewegung gegen die Schundliteratur viel wirk samer und mit Ausbietung viel geringerer Geldmittel hätte inszeniert werden können, wenn man in erster Linie die 1Z48
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder