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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.08.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-08-05
- Erscheinungsdatum
- 05.08.1907
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- Deutsch
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7666 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 180, 5. August 1S07. Bibliophilie. Wie manches Buch wird nur deshalb gekauft, weil der Käufer glaubt, es so billig nicht wieder erwerben zu können, oder weil er es später, d. h. in seinen Mußestunden ein mal lesen möchte, oder weil er erwartet, daß es ihm bei seinen Arbeiten einmal nützlich werden könne, sei es auch nur zum Nachschlagen, oder schließlich, weil er es eben einfach besitzen möchte. (Und dann! — wäre die strikte Befolgung der Lehre Janins nicht halbwegs gleichbedeutend mit dem Ruin des Buchhandels?) Die Frage, warum ein Buch gekauft wird, hat nach der >Vossischen Zeitung« ein englischer Verleger sich im Jahre 1903 von den Käufern eines neuen Verlagswerks beantworten lassen. Die Antworten sind auch vom buch händlerischen Standpunkt beachtenswert genug, um hier mit geteilt zu werden. Zwei Käufer ließen sich durch den Um schlag verleiten, zwei durch die Illustrationen, 25 durch den Titel, 108 durch Annoncen und andre Reklame, 69 durch Empfehlungen von Verwandten und Freunden, 76 durch den Namen des Autors, von dem sie schon andre Werke ge lesen hatten, und — last, not les.sk — 126 auf Empfehlung des Buchhändlers oder seines Angestellten. (Die letzte, größte Zahl ist ein neuer, beredter Beweis für die Notwendigkeit der Erhaltung eines leistungsfähigen Sortiments, nicht nur in Frankreich und England, sondern auch bei uns. Frei lich ist diese Erkenntnis weitaus einfacher als die der hierzu nötigen Reformen.) Im Anschluß hieran wird in den nächsten Absätzen die verlegerische Reklame be sprochen. Von der geschickten Wahl des Titels, namentlich bei der belletristischen Literatur, von der im Folgenden ausschließlich die Rede ist, hängt oft ganz allein der Erfolg eines Buches ab. Diese Ansicht vertrat schon im siebzehnten Jahrhundert Antoine Furetisre, einer der Schöpfer des modernen Romans; sie war auch die Meinung von Scribe und Sainte-Beuve. Es ist natürlich nicht leicht, bei der ungeheuren Produktion von Romanen und Theaterstücken stets wieder auf einen neuen, originellen Titel zu verfallen, und wie mancher davon mag sich im Laufe der Jahrhunderte ohne Wissen der Autoren und Ver leger so und so oft wiederholt haben. Über die belletristische Überproduktion, die eine der Ursachen davon ist, daß die Kritik in Frankreich fast völlig versagt, ist offenbar zu allen Zeiten geklagt worden. Interessant aber dürfte es sein, daß schon Charles Corel um die Mitte des siebzehnten Jahr hunderts festgestellt hat, daß zuviel »Liebesgeschichten und andre Albernheiten« gedruckt würden und der Buchhandel durch Überschwemmung mit »Sammlungen von Narrheiten« in der Produktion ernster Werke behindert würde. — Daß an die Stelle der Kritik die bezahlte Annonce im Text getreten ist, die manches minderwertige Buch mit dem schamlosesten Selbstlob überschüttet, hat beim ernsthaften Publikum große Verstimmung hervorgerufen und soll Zu der »Buchkrise«, mit der sich die Zeitungen und Zeitschriften in den letzten Jahren öfters beschäftigt haben — es erscheint mir allerdings sehr fraglich, ob eine solche tatsäch lich besteht —, offenbar viel beigetragen haben. Die unrichtige, mithin betrügerische Angabe einer höhern Auflagenzahl gehört zur gleichen Kategorie von Mißständen. Der Verfasser weist nach, daß ein derartiger Betrugsfall im Jahre 1897 vom Seine-Gerichtshof zwar sestgestellt, jedoch als eine Art der Reklame nicht verurteilt worden ist. Ich glaube jedoch kaum, daß alle Gerichtshöfe ebenso urteilen würden. Den besten, nachhaltigsten Erfolg erzielt ein Buch immerhin selten durch die bloße Reklame; viel wichtiger dafür ist die persönliche Empfehlung, die nach Octave Uzannes treffendem Ausdruck den Titel eines neuen Buchs von Mund zu Mund trägt, von der Straße in den Salon, aus dem Cafe ins Boudoir. Mit diesem Erfolg und dem literarischen Ruhm, seinem Entstehen und, leider, seiner Vergänglichkeit beschäftigt sich der Verfasser in den letzten Abschnitten des ersten Teils. Obwohl diese, 36 Seiten einnehmenden Ausführungen mit dem eigentlichen Thema dieses Teils, dem Kauf der Bücher, nur in ganz losem Zusammenhang stehen, sei doch gerade dieses Kapitel als eins der interessanten zur Lektüre warm empfohlen und an einigen Beispielen seine Eigenart kurz ge zeichnet. So erfahren wir aus Paul Stapfers verdienstvollem Buch »Oes reputstions littürsires« (klonvells eäiticm, 1901), daß zwischen dem fünften Jahrhundert vor Christi Geburt und dem sechsten Jahrhundert nach Chr. in Griechenland mehr als 600 Geschichtschreiber gelebt haben, darunter 30 von allererster Bedeutung; von 350 tragischen Dichtern sind 32 übrig geblieben. »Was ist aus Stesichorus geworden, dem großen epischen und lyrischen Dichter? aus Symonides, der in den Wettbewerben fünzigmal Sieger war; Corinnus, der fünf Siege über Pindar davontrug und den man die zehnte Muse nannte? aus Parthenius, dem Meister Vergils? aus Gallus, über dessen Bedeutung die Aussagen von Vergil, Ovid und Properz keine Zweifel lassen? aus Euphorion, Varius, Pollio, Calvus, dessen Verteidigungsreden denen Ciceros ebenbürtig geschätzt wurden und der als Dichter stets nach Catull, Ovid, Horaz, Properz gestellt wurde; aus Ennius, dem ehrwürdigen Vater der lateinischen Dichtkunst, suvuos. xoets nostör; Naevius, Cinna, Philetas, dem Meister des Theokrit, und vielen anderen? Die Erfindung der Buch druckerkunst hat dieses gänzliche Verschwinden literarischer Größen und geistig hervorragender Männer in gewissem Umfange unmöglich gemacht. Charakteristisch ist der Fall des Fabeldichters Phaedrus, der unter dem Kaiser Augustus nicht die Anerkennung fand, die er erwartet hatte, und im Jahre 44 starb. Während fünfzehn Jahrhunderte absolut vergessen, werden seine Fabeln im Jahre 1562 bei Plünderung einer Klosterbibliothek entdeckt, im Jahre 1596 zum erstenmal gedruckt. Phaedrus ist seitdem eben bürtig mit Asop in die Weltliteratur übergegangen und, von La Fontaine in dessen Fabeln verwandt, zu einer Volks tümlichkeit und einem Weltruhm gelangt, die seine kühnsten Träume sicher übersteigen. Das Wort des Terentianus Maurus »?ro osptu lsotoris bsbönt sus, tsts. libslli« ist aber in der Neuzeit nicht weniger wahr. Auch dem er fahrensten und geschicktesten Verleger ist es nicht möglich, den Erfolg eines neuen Buches mit Sicherheit vorherzu- sagen. Daß Geld, viel Geld allein dazu führen könne, möchte ich jedenfalls nicht so verallgemeinern, wie Cim es nach Sainte-Beuve und Collignon behauptet. Sainte-Beuve zeigt uns an einem Beispiel der neueren Literaturgeschichte die Vergänglichkeit des literarischen Ruhms. Im Jahre 1813 starb der Dichter Delille, zu seinen Lebzeiten als »der Fürst der Dichter« gepriesen; seine Bestattung, nachdem die Leiche, das Haupt mit Lorbeer gekrönt, mehrere Tage lang im »Oolltzgk äö b'rsooö« ausgestellt gewesen war, war prunkhafter, glänzender, lärmender als diejenige Victor Hugos im Jahre 1885. Was wissen wir heute noch von ihm? Ein Glück, daß die Handbücher der Literaturgeschichte seinen Namen als den des charakteristischsten Vertreters der beschreibenden Poesie im achtzehnten Jahrhundert der Nachwelt überliefert haben. Aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert sind der Beispiele nicht weniger, es sei nur an Bossuet er innert, von dem heute höchstens noch die langweiligen »Oraisovs tnnsdrös« gelesen werden, während seine einst ge feierte, triviale »Oistoiro umversöllö« der verdienten Ver gessenheit anheimgefallen ist. Anderseits ist zu bedauern, daß die kraftvollen, stilgewandten Werke des Sozialpolitikers und Polemikers Proudhon (1809—1865) heute bereits nicht mehr gelesen werden. Daß die Romane Zolas, gleichwie die-
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