10864 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Künftig erscheinende Bücher. »O 245, 19. Oktober 1907. Menschen, die den Weg verloren T> Zwei Novellen (Die Flüchtlinge * Llrsula) von Verfasser der „Zwei Seelen" Preis gebunden 5 Mark In diesen Tagen erscheint das 4. bis 6. Tausend mit neuem künstlerischen Einband nach einem Entwürfe von Maler Alfred Weßner. Einige Auszüge aus der Fülle glänzender Besprechungen: Wilhelm Specks mitteldeutsche Landschaft reiht sich mit Otto Ludwigs, Raabes, Immermanns, mit K. F. Meyers und Storms Landschastsbildern den großen Schilderungen deutscher Landschaft ein. Diese Landschaft umgibt die Ursulahandlung wie ein romantischer Märchenwald. Wilhelm Speck ist keiner von den fruchtbaren Dichtern, und das Wenige, das er uns bis jetzt gegeben hat, bewegt sich in einem nicht eben weiten Rahmen. Aber es trägt dafür die un verkennbaren Züge echter, reifer, großer Kunst: tiefe, menschliche Fragen mit wahrer Lerzenswärme ersaßt, in vollendeter Kunst- form aufgefangen. Seine künstlerische Erscheinung trägt die klassischen Züge auf den ersten Blick erkennbar an sich. Er ist einer von den so seltenen wirklichen Poeten, die den besten ihrer Zeit genug tun und für alle Zeiten leben. Zu dieser Löhenkunst gibt es freilich keine Bergbahnen für bequeme Vergnügungs- reisende; wer sie erreichen will, muß sie im eigenen Wander- schweiße erklimmen. Eckart (Ioh. Gg. Sprengel) Was in „Ursula" besonders köstlich geworden ist, sind die Naturschilderungen. Schöner hat kaum je ein deutscher Novellist den Wald geschildert, weil kaum einer ihn inniger in sich ausge- nommen hat. Die Grenzboten (Heinrich Spiero) Gleich die ersten Seiten atmen so viel Frische, so viel An schaulichkeit, spinnen so zarte Zauberfäden um den Leser, daß er sich ihrem Banne nicht wieder zu entziehen vermag. Gleich der Anfang zeigt die Macht und Eigenart der Darstellungskunst des Dichters: wie leicht baut sich diese Wanderung auf, dieser Gang durch die erwachende Stadt, durch den maifrischen Wald Diese Mädchengestalt (Ursula) ist aber so sorgfältig, so über allen Vergleich zart herausgearbeitet, wie es nur einem Meister möglich ist; ihre Charakterisierung ist von so seiner psychologischer Gliederung, daß man nicht leicht etwas Ähnliches an ihre Stelle stellen kann; ich scheue mich deshalb auch, den Inhalt der Er zählung in wenigen nackten Sätzen anzugeben: sie würden dem Schmetterling gleichen, dem eine ungeschickte Land den Gold schimmer von den Flügeln strich. Hessenland (Karl Lotze) Die erste der beiden Novellen: „Die Flüchtlinge" ist schon vor geraumer Zeit entstanden und bildet eine liebliche und zarte Variation über das traurig süße, alte Lied von dem Reif, der in der Frühlingsnacht fiel. Ohne Pathos, ohne romanhafte Verwicklung erzählt einer, der die Ausgestoßnen kennt und liebt, „wie alles kam", wie ein wolhbehütetes Kind guter Eltern auf den Pfad der landstreichenden Vagabunden aus die Bahn des Verbrechens gerät. Die Novelle (Ursula) ist in ihrer Art unvergleichlich, von einem zarten und keuschen Duft, den man durch eine Wieder- gäbe zerstören würde. Es ist einer der bezeichnendsten Züge von Specks Talent, daß seine Muse die seltne Gabe besitzt, bis in die dunkelsten Tiefen des Lasters und der Verderbnis führen zu dürfen, ohne daß nur der Saum ihres Gewandes »och derer, die ihr folgen, befleckt würde: das reine Auge der erbarmenden Seele, das die ursprüngliche Anbeflecktheit der verirrten armen Seele durch allen Erdenstaub hindurch erkennt. Das Daheim (I. Löffner) Ich bitte Sie, sich für das schöne Buch auch in seinem neuen Gewände wieder energisch zu verwenden. Prospekte mit Porträt Wilhelm Specks und Kritiken seiner Bücher stelle ich gern in größerer Anzahl zur Verfügung und bitte Sie, freundlichst zu verlangen. Leipzig, Mitte Oktober 1907. Fr. Wilh. Grunow