Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.12.1871
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1871-12-20
- Erscheinungsdatum
- 20.12.1871
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18711220
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187112207
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18711220
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1871
- Monat1871-12
- Tag1871-12-20
- Monat1871-12
- Jahr1871
-
4273
-
4274
-
4275
-
4276
-
4277
-
4278
-
4279
-
4280
-
4281
-
4282
-
4283
-
4284
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
293, 20. Decembcr. Nichtamtlicher Tbeil. 4275 sein. Denn die wenigen Briefe, die dem Erzähler vorliegen, geben aufs neue Zeugniß für die wunderbare Anziehungskraft, die der würdige Philipp Erasmus auf seine Umgebung muß geübt haben. Wenn schon aus den Mittheilungen des Candidaten ein unbegrenztes Vertrauen hervorleuchtet, so gewinnt dieses Vertrauen im Laufe der Jahre noch an Werth. Denn es wird gehegt von einem Manne, der mit freiem Blick die Menschen zu schätzen versteht und der vom einfachen Candidaten zum geehrten Gliede des akademischen Körpers hcraufgekommen ist. So steht der junge Professor dem 37 Jahre älteren Reich als Freund gegenüber, und daß er ihn mit Recht so nennen, daß er in vertraulichster Angelegenheit ihn begrüßen darf, dafür zeugt die Stelle im Weidmannschen Hauptbuche: „An Pastor Senf 20 Thaler." In Halle lebte nämlich in den achtziger Jahren der Prediger Senf, ein Mann, der that, was er Andere lehrte und von Andern gethan wissen wollte, der aber bei einem höchst mäßigen Einkommen ein ganzes Haus voll Kinder hatte. So wohl nun diese auch er zogen waren, so machten Erziehung und Unterhalt dem Vater immer hin manche Sorge, und die Ausgaben wuchsen noch, als ein Sohn erkrankte. Dem mit der Predigerfamilie befreundeten Niemeyer war das kein Geheimniß und er sah mit stillem Bedauern, wie Senf an. seinem geringen Vermögen Schaden litt. Noch mehr; das Christfest kam heran, und der junge Professor mußte sich sagen, Heuer werde der Prediger nicht wie sonst seinen Kindern eine Weihnachtsfreude bereiten können. Der Verkehr zwischen Niemeyer, der als Junggeselle mit seiner Mutter zusammen lebte, und der Familie Senf war zu freundschaft lich, als daß der Erstere unmittelbar helfend hätte eintreten mögen. Denn es konnte sich da vornehmlich nur um ein Geldgeschenk han deln, dessen Gewähr wie Annahme für feinfühlende Menschen stets peinlich blieb. Was aber war da zu thun? Die Mitte des December kam heran, und wenn etwas durch Beihilfe Dritter geschehen sollte, dann war keine Zeit zu verlieren, und das um so weniger, als in Halle sich füglich Niemand eignete zur Erledigung dieses zarten Auf trags. Gewiß, solche Dinge besorgt man am besten von einem andern Orte aus und schriftlich. Und Niemeyer war nicht zweifelhaft, an wen er sich deshalb zu wenden habe. Der Mann, der hier helfen konnte und sicher auch wollte, war Herr Reich in Leipzig. Also setzte sich der Professor Niemeyer am 15. December 1782 zum Schreiben. Er habe, so meldete er dem Leipziger Freunde, sich eine Freude ausgedacht, zu der ihm jener gewiß gern behilflich sein werde. „Aber Sie sind auch der einzige Mensch auf der Erde, dem ich sie mittheilen will, und meine erste Bitte ist also die, gegen nie mand, wie doch leicht zufällig geschehen könnte, etwas davon zu erwehnen." Und Niemeyer erzählt nun von der Lage des Freundes, dessen Kinder zu den wohlgczogensten der Stadt gehören und vor Allen eine Weihnachtsfreude so sehr verdienen. Er knüpft daran die Bitte, daß doch Herr Reich dem Pastor Senf vier Louisd'or und einige besonders namhaft gemachte Wcidmannsche Verlagsbücher senden möchte, alles das natürlich auf des Professors Rechnung. Dann wäre auch zweckmäßig, einige erläuternde Zeilen beizufügen, nnd Herr Reich schriebe dann vielleicht etwa Folgendes: „Ich habe den Auftrag bekommen, vier Louisd'or nebst einigen Büchern mei nes Verlages Denenselben zu überschicken. Ein wahrer Freund von Ihnen wünscht, daß es zu einigen kleinen Geschenken auf Weihnach ten angewandt werde. Er gibt was er kann und möchte gern doppelt so viel geben. Seine einzige Bedingung ist, daß Sic die Güte haben, nie nach seinem Namen zu fragen und weder in noch außer Halle auch nur davon mit irgend jemand zu reden. Nur durch mich wünscht er nach Weihnachten den richtigen Empfang zu wissen, und wenn Sie ihm dann sagen können, daß sich Ihre würdigen Kinder «in wenig freuten, so ist er belohnt." Das dachte sich Niemeyer als Inhalt des Briefes, dessen eigent liche Fassung, wie die Erledigung des Geschäftlichen dem Leipziger Freunde mit Ruhe übergeben werden kann. „Ich kenne ja," meint der Hallenser, „den Mann, an den ich mich adressirt habe, und der so gern Genoß meiner stillen Freude seyn wird." Niemcyer täuschte sich nicht, wenn auch Reich seinen Wünschen nicht genau entsprach. Zwar wurden die bestimmten Kinderbücher — einige Schriften der Frau von Bcaumont und Anderes — mit vier Louisd'or zusammen verpackt, aber als der Leipziger Verleger sein Hauptbuch aufschlug, da hielt er es für passend, seinem jungen Freund nur die vier Louisd'or zu belasten. Und mit gewohnter knorriger Hand schrieb er auf Niemeyer's Soll die bekannten Worte: „An Pastor Senf 20 Thaler." In Scnf's Hause war begreiflicherweise große Freude, als die Sendung des Unbekannten mit einem Begleitbrief des Herrn Reich ankam. Nur ein übler Umstand war, daß man von diesen herrlichen. Sachen, welche das Leipziger Christkind gebracht, eigentlich gar nichts sollte sagen dürfen. Da waren doch verschiedenebefreundeteFamilien, die man so gern ins Vertrauen gezogen hätte, z. B. der Herr Pro fessor Niemeycr und seine würdige Mutter. Wie hart, daß man auch ihnen gegenüber schweigen mußte, doppelt hart, da man zum Feste selbst zu ihnen gebeten war. Und wie dann Senf's ihren Besuch bei Niemeyer's abstatteten, da entwickelte sich eine Scene, wie sie ein Novellist nicht artiger er finden könnte. Die beiden Töchter des Predigers, „ein Paar liebe verständige Mädchens", fanden cs besonders schwer nicht herauszu platzen, und vollständig geschwiegen konnte doch nicht sein. Sie er wähnten eines gewissen Umstandes, von dem sie gern redeten, wenn sie nur dürften, und ihnen gegenüber stand der junge Professor und machte ein sehr ernsthaftes Gesicht. Zur Unterhaltung der Mädchen holte er dann einen Band der Physiognomischen Fragmente, und wie man da beim Durchblättern zu Reich's Bild kam, da sagte der Professor erläuternd, das sei Herr Reich in Leipzig. Die Mädchen aber riefen wie aus einem Munde: „Kennen Sie den Herrn Reich?" Und Professor Niemeyer machte nun abermals ein so kaltsinniges Gesicht, wie sonst nie, wenn er Herrn Reich's Namen nannte und sagte, er habe den Mann wohl in Leipzig gesehen. Am Tag vor Sylvester schrieb dann Niemeyer an Reich. Zu nächst sprach er den Wunsch aus, daß die Vorsehung für alle Freund schaft und jede einzelne Probe derselben dem greisen Verleger und seiner Gattin einen frohen Ausgang aus dem alten Jahr und wahrer Freuden viel in dem neuen geben möchte. Daran reihte sich weiter der Dank für die so gütige Besorgung des gehcimnißvollen Weih nachtsauftrags. Doch hätte Reich billig dies kleine Verdienst Nie- meycrn allein lassen sollen. „Sie sind ja reich genug an ähnlichen. Doch Sie wollen cs und so thcilcn Sie nun auch Freude und Dank. Ich bin mehr, als ich ausdrücken kann, belohnt." Und nun erzählt der Hallenser mit'vielem Behagen von dem Besuche der Senf'schen Familie, von den „lieben verständigen Mädchens", die trotz der besten Vorsätze doch nicht völlig das auferlegte Stillschweigen zu be wahren vermochten, von sich selbst, der bei aller innerlichen Erregung so kaltsinnig drein schaute und sich erst auf Befragen besann, daß er Herrn Reich Wohl schon einmal möge gesehen haben. Der junge Professor fühlt sich, das spürt man aus seinen Mittheilungen, un gemein beglückt in dem Bewußtsein, Gutes gethan zu haben und doch nicht als der Wohlthäter erkannt zu sein. Denn, wie er er fahren hat, vermuthen Senf's, ein anderer Freund der Familie sei der Sender der Gaben. So knüpft sich an die trockenen Bemerkungen des alten Haupt buchs, das mehr als drei Geschlechter kommen und gehen sah, gar Manches an, das uns zu enträthseln nicht möglich ist. Aber wie uns die Natur nun einmal geschaffen hat, so verbirgt sich hinter den 605"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht