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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.06.1889
- Strukturtyp
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- Band
- 1889-06-12
- Erscheinungsdatum
- 12.06.1889
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- Deutsch
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Seit längerer Zeit schon treibt der deutsche Provinzialbuchhandel einer unverkennbaren Krisis entgegen, hcrvorgcrusen dadurch, daß ein Ring Leipziger und Berliner Schleuderer darauf ausgcht, durch rücksichts lose Rabattübcrbictungcn das gesamte Provinzgcschäft an sich zu ziehen und die dortigen Buchhandlungen einfach tot zu machen. Diesem Trei ben ist leider in bedenklicher Weise Vorschub geleistet worden dadurch, daß staatliche und städtische Behörden, Institute, Schulen, Bibliotheken u. s. w. begonnen haben, ihren Bedarf ebenfalls ausschließlich von Berlin und Leipzig zu beziehen und damit dem heimatlichen Buchhandel die Lebensadern zu unterbinden. Vom Standpunkte des Staatsbürgers und Steuerzahlers, sowie der revidierenden Oberrcchnungskammer ist cs gewiß richtig, daß die öffent lichen Bedürfnisse so billig als ausführbar befriedigt werden. Aber dieses Interesse findet doch seine Begrenzung in jenem größeren wirtschaftlichen Interesse, welches das Wohlergehen der Allgemeinheit zum Ziele hat. Ter berechtigte Wunsch, ja die anzuerkenncnde Pflicht der Behörden u. s. w., ihre Bücher möglichst billig zu beziehen, darf nichi der Beförderung eines bedenklichen sozialpolitischen Mißstandes dienen, als welcher der Nieder gang des Provinzialbuchhandels ohne Zweifel zu betrachten ist. Daß wir damit zu einer völlig ungesunden Einwicklnng drängen, erhellt nicht zum wenigsten aus dem Umstande, daß jene großstädtischen Schleuderer sogar vor vorübergehenden Verlusten nichi zurückschrccken, um den Absatz in den Provinze» au sich zu ziehen. Was iviid die Folge sein? Einfach die, Laß die Verleger alsbald von dieser Handvoll »Grossisten» abhängcn, welche naturgemäß nicht daS Interesse habe», sich mit einem mühsamen Liltcralurvrrlrirb abzugcbcn, d. h. Vermittler zwischen Schriftsteller und Publilum zu sein und damit der gesamten geistigen Entwicklung der Nation zu dienen; sondern jene Grossisten werden nur -das Gangbarste» vertreiben. Zu dem Monopol eines so gearteten Buchhandels gesellt sich dann als selbstverständlich auch das Monopol bestimmter politischer, wirt schaftlicher und wissenschasilicher Richtungen, und ein ziemlich eng gezo gener Kr,iS von Altloren, Verlegern und Bücherversendern beherrscht alsdann das- gesamte geistige Arbeitsgebiet des deutschen Volkes. Nun würde cs aber eine arge Täuschung sein, wenn diejenigen, welche liente derartige Bestrebungen fördern, ohne sich Rechenschaft über deren Folgen zu geben, etwa an eine lange Dauer des billigen Bücher- bczugcs glauben wollten. Je schneller durch die Prcisschlcuderung der Provinzialbuchhandcl erdrückt wird, desto eher werden die Büchcrprcise wieder ganz erheblich steigen und die Abnehmer in der Provinz ihre Bücher aus Berlin und Leipzig dann nicht mehr billiger, sondern ganz erheblich teurer beziehen, mit dem Unterschied freilich, daß an die Stelle solider, seßhafter Buchhändler in der Provinz ein unzuverlässiges, rasch wechselndes und vagicrcndes Büchcrhändler-Prolctariat getreten sein wird. Damit dürste aber weder dem Interesse des Publikums, noch dem öffent lichen Interesse, dem des Staates, gedient sein. An einzelnen Stellen hat man dies bereits erkannt, und wir re gistrieren mit Befriedigung die Thatsache, daß aus Anordnung des Herrn Oberbürgermeisters Miguel die städtischen Behörden und Institute von Frankfurt a. M. angewiesen sind, ihren Bücherbcdarf in Frankfurt selbst einzukaufen. WaS dem Buchhandel recht ist, ist ja den andern Han delszweigen billig; wohin sollte es aber wohl führen, wenn die staatlichen und städtischen Behörden generell dem Grundsatz folgen wollten, ihren gesamten Bedarf aller Art aus Berlin zu beziehen? Wir gelangten da mit zu einer Cenlralisation, welche dem deutschen Volksgeiste entschieden widerstrebt und nach den verschiedensten Richtungen zu ungesunden Ver hältnissen sichren muß — einer Centralisation, gegen welche man sich in der Gestaltung unsrer Bundes- und Neichsverhältnisse nach Möglich keit gewehrt und die man aus das wirklich notwendige Maß eingeschränkt hat. Die Vielgestaltigkeit deS deutschen Volkslebens, ehedem eine Quelle unsrer Schwäche, ist, seitdem sic durch die Aufrichtung des Reiches einheitlich zusammcngesaßt worden, eine Quelle unsrer nationalen Kraft. Wir glauben, daß eine Centralisation für Deutschland in Berlin, wie sie für Frankreich in Paris besteht, sich im Gegensatz zu unsrer nationalen Entwicklung befinden und die letztere in hohem Grade beeinträchtigen würde. Zu einer solchen Centralisation, anfangs in wirtschaftlicher Be ziehung, dann durch die Schwerkraft der Dinge auch in politischer, müßten wir aber gelangen, wenn sämtliche Behörden ihre Bedürsnissc aus Berlin beziehen würden, einfach aus dem Grunde, »weil dort billiger zu kaufen ist». Durch einen derartigen riesenhaften Zuwachs würden die Berliner Geschäfte zu einer so gewaltigen Umsatzstcigerung gelangen, daß sie in ihren Preisen immer weiter hcrabgehcn könnten, und die Pro vinz müßte in unerbittlicher Folge mehr und mehr verarmen und veröden. In verschiedenen anderen Geschäftszweigen wird die Wandlung sich vielleicht langsamer vollziehen, weil hier das Vertrauen des Käufers zum Verkäufer, das Bedürfnis einer persönlichen Prüfung der Ware, nicht so schnell zu ersetzen ist. Am schlimmsten ist aber jedenfalls der Buch handel daran; denn ein Band von Berlin oder Leipzig bezogen, ist genau der nämliche, als wenn er in Nürnberg, München, Stuttgart oder Karlsruhe cingekauft wäre. Damit gegen diese Darlegung nicht der Einwand erhoben werde, als sei sic von einer partikularistisch mißgünstigen Abneigung gegen Berlin eingcgcbcn, so mag ausdrücklich hinzugefügt sein, daß der Verfasser ein Berliner ist, der ungeachtet aller Anhänglichkeit an seine Vaterstadt, sei ner Freude an ihrem großartigen politischen, wirtschaftlichen und kommu nalen Aufschwung, sich doch den offenen Blick für die ringsum im Werden begriffenen Verhältnisse bewahrt hat und wünscht, daß Berlin als Reichs- Hauptstadt führend und vervollkommnend, nicht aber aufsaugcnd und zerstörend wirken möge. Den berufenen Wächtern des öffentlichen Gemeinwohles werden diese Dinge in ihrem Zusammenhänge und in ihrer Tragweite nicht ent gehen, und wenn der deutsche Buchhandel sich mit einem viäsant 6on- imlas an die elfteren wendet, so darf er hoffen, für seine vitalsten Lebensfragen dort nicht nur vollem Verständnis, sondern auch wohl wollendster Beurteilung seines Verlangens zu begegnen: -daß die Be hörden nicht durch Unterstützung einer ungesunden Centralisation die Grundlagen des deutschen Buchhandels und damit in weiterer Folge die wissenschaftliche Entwicklung und geistige Reife unsres Volkes zu zerstören, sondern durch möglichste Begünstigung des Provinzialbuchhandcls jene alten und bewährten Grundlagen sichern helfen mögen.« Anders viel leicht steht ein Teil des Publikums zur Sache, welches in der Freiheit, seine geistigen und leiblichen Bedürfnisse nach Gefallen zu befriedigen, eines seiner kostbarsten Rechte zu erblicken und gegen jede Beeinträchti gung desselben entschieden Front zu machen geneigt sein dürfte. Dem Publikum Schranken für seinen Warenbezug auferlcgcn wollen, hieße unser ganzes heutiges Verkehrs- und Kulturleben aus den Kopf stellen. Der Privatmann, welcher seine Bücher in Leipzig oder Berlin einstweilen billiger cinkauft, als in Tübingen oder Heidelberg, mag dies immerhin thun, wenn er anders nicht durch diese Zeilen belehrt sein sollte, daß die Umgehung des lokalen Buchhandels dessen Vernichtung und diese eine schwere Schädigung nicht nur sozialpolitischer, sondern auch geistiger Jntcresjcn unsres Volkslebens bedeutet. Aber vielleicht trägt diese Dar legung doch dazu bei, in ernsteren Naturen Bedenken über die Richtung wachzurnfcn, welche durch eine derartige, lediglich mit einem augenblick lichen Nutzen rechnende Gleichgiltigkeit des Publikums befördert wird. Darüber, daß nach Beseitigung des Provinzialsortiments mit seiner mühevollen, dem Publikuni in tausend Dingen dienenden Arbeit die Bücher nicht billiger, sondern teurer sein würden, daß der jetzigen Preisunterbietung alsbald eine erhebliche Preiserhöhung folgen würde, sollte ohnehin jeder Zweifel ausgeschlossen sein. Zunächst sei hier noch ein Wort über die Organisation des deutschen Buchhandels angefügt, welche dem größeren Publikum wohl im ganzen ziemlich unbekannt ist. Die Gesamtheit der deutschen Buchhändler gliedert sich in Verleger (Büchcrcrzeuger) und Sortimenter (Büchervertreibcr), wobei das Wort -Büchcrcrzeugcr» in dem Sinne gebraucht ist, daß der Verleger cs dem Schriftsteller erst ermöglicht, sein Werk hcrzustcllen und dem Publikum zugänglich zu machen; in unendlich vielen Fällen geht von dem Verleger wohl auch die erste Anregung zu der schriftstellerischen Leistung aus. Verleger und Sortimenter haben sich zum -Börsenverein der Deutschen Buchhändler» zusammengeschlosscn — einem Verein, der keine Jnnungs- noch sonstige staatliche Zwangsrcchtc hat, sondern zur Förderung des Wohles des Buchhandels und seiner Angehörigen geschlossen ist und in der Absicht dieser Förderung seinen Mitgliedern die Verkehrs- und Verkaussbcdingungen verschreibt. Scheinbar stellt dieser Börscnverein mit einer Mitgliederzahl von 2000 nur eine Minderheit des deutschen Buchhandels dar, da in Wahrheit sich etwa 7000 Geschäfte in Deutsch land mit dem Verkauf von Büchern befassen. Unter diesen 7000 sind jedoch 5000 Buchbinder, Papier- und sonstige Händler, also mehr Bücher händler, aber nicht Buchhändler; die eigentlichen Buchhändler dagegen, Verleger wie Sortimenter, gehören mit geringen Ausnahmen sämtlich dem Börscnverein an, der also als maßgebend für den deutschen Buch handel angesehen werden darf und in dessen Namen zu sprechen be rechtigt ist. Neben der Regelung des Verkehrs betrachtet der Verein namentlich die Wahrung des Standesinteresses seiner Mitglieder als seine Aufgabe; das vornehmste Standcsintcrcffe ist die Erhaltung des Standes selbst und damit verbunden die Erhaltung eines über ganz Deutschland ver breiteten Netzes leistungsfähiger Sortimcntsbuchhandlungcn. Dieses Be streben wird auch von den Verlegern aufs wärmste gefördert; denn ein solches Netz ist der Unterbau des gesamten deutschen Buchhandels in seiner verschiedenartigsten Bedeutung für unser nationales Leben. Wie Herr Wilhelm Ruprecht, Doktor der Staatswissenschaft und Vcrlagsbuch- händlcr zu Göttingen (Vandcnhocck L Ruprechts Verlag), in einer kleinen recht lehrreichen Schrift: »Der Ladenpreis im deutschen Buchhandel. Seine volkswirtschaftliche Bedeutung und Berechtigung«, näher ausführt, ist ein Netz leistungsfähiger Sortimcntshaudlungcn das billigste und wirksamste Vcrtriebsmittel für den Verleger und daher die Vorbedingung einer wirklichen Ermäßigung der Buchprcise. Daran ändert auch die Thatsache nichts, daß ein Buch bei einem Provinzialbuchhändlcr jetzt 5 Prozent teurer ist, als bei einem Bcrlmer oder Leipziger Schleuderer. Der Preis eines Buches richtet sich nach den Herstellungskosten und dem zu erwartenden Absatz. Zum Beispiel ein Buch, welches bei einer Auslage von 500 Exemplaren mit 5 Mk. Verkaufspreis angesetzt werden muß, kann bei einer Auflage von 1000 Exemplaren zu 4 Mk oder 3 Mk. 50 Pf. verkauft werden. Um aber diese 1000 Exemplare abzusetzen, ist die Vertriebsart der Provinzialsortimenter erforderlich; denn die Berliner -Grossisten« können eben nur den Rahm abschöpfen und nicht die inten sive Arbeit der draußen ansässigen Sortimenter thun, welche mit dem
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