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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.12.1900
- Strukturtyp
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- 1900-12-24
- Erscheinungsdatum
- 24.12.1900
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- Deutsch
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10258 Nichtamtlicher Teil. 298, 24. Dezember 1900. Nichtamtlicher Teil. Hermann Heiberg. Unser verehrter früherer Kollege Hermann Heiberg in Schleswig, der den Buchhändlerberuf nun schon ge raume Zeit hinter sich hat und als fleißiger und begnadeter Schriftsteller eine ehren- und erfolgreiche Laufbahn beschritten hat, durfte an feinem sechzigsten Geburtstage, den er am 17. November d. I. gefeiert hat, auf eine lange Zeit schrift stellerischen Wirkens znrückblicken. Die Schwierigkeiten und auch die Seligkeiten dieses Schaffens, die ganze Stufenleiter von Streben, Erfolg, Entsagung, die sich mit mehr oder minder zwingender Kraft im Künstlerleben offenbart, faßt Heiberg in einem Rückblick auf »Zwanzig Jahre Schriftsteller- überzeugend und anschaulich zusammen, wobei er manches zutreffende Urteil mit einfließen läßt. Das »Magazin für Litteratur« vom 17. November 1900, dem sechzigsten Ge burtstage des Künstlers, hat diesen Rückblick veröffentlicht. Von der uns auf unsere Bitte erteilten Erlaubnis machen wir gern Gebrauch und lassen den gedankenreichen Aufsatz nachstehend folgen, überzeugt, daß er bei vielen Lesern des Börsenblatts teilnahmoollem Interesse begegnen wird: Zwanzig Jahre Schriftsteller. Ein kurzer Streifzug von Hermann Heiberg.*) Der erste Gedanke, mich litterarisch zu bethätigen, ent stand, als ich eines Tages, im Sommer, nach längerer an regender Wanderung über die Felder in der Umgegend meiner Heimatstadt Schleswig in einem beschatteten Weg an einem Wiesenheck stehen blieb, mein Auge über den von be buschten Knicken dicht umschlossenen Erdenfleck schweifen und diese stille Welt auf mich wirken ließ. Ich hörte, wie die Bienen und anderes unsichtbares Getier in diesem kleinen Zauberreich der Einsamkeit brummten und summten und berauschte mich an dieser eigentümlich melodischen Musik. Und nachdem dieses gleichsam heilige Naturschweigen dadurch eine Unterbrechung erfuhr, daß Trommelwirbel von unten aus der Stadt her, und bei geschärfteren Sinnen auch das unruhig wogende Geräusch des Straßenverkehrs wie ein dumpfes Brausen mein Ohr traf, wurde ich iu eine Stim mung versetzt, die den Gedanken in mir aufsteigen ließ, das alles: — diese Natureindrücke, diese Gegensätze und die Empfindungen dabei, einmal aufs Papier zu bringen. Ich konnte es kaum erwarten, zu Hause an meinen Schreibtisch zu gelangen, aber auch, nachdem ich alles nieder geschrieben, was auf mich eingedrungen war, meiner Um gebung vorzulesen und ihr Urteil zu erbitten. »Ohne Zweifel«, emgegnete meine Mutter — bei der ich mich von Berlin aus damals zum Besuch aufhielt — »schilderst du das alles so, wie es ist, du beobachtest richtig!« Diese Zustimmung befestigte den Entschluß in mir, fortan in freien Stunden mich an kleinen litterarischen Arbeiten zu versuchen. Ich ward dazu noch besonders angeregt, weil um jene Zeit einer meiner gastfreien Freunde, der inzwischen ver storbene Doktor Ottv Löwenstein, in Berlin in seinem Hause ein sich vierzehntägig wiederholendes Zusammensein arrangierte und für diese Gesellschaften eine Kränzchen-Zeitung drucken ließ, die die Mitglieder mit Beiträgen versorgten. Den bildnerischen Schmuck führten Leute wie der verstorbene Professor Koner, der bekannte, vorzügliche Illustrator Döpler junior, der Maler Hans Scholz, der jetzige Geheime *) Aus dem -Magazin für Littcratur- (Berlin, Siegfried Cronbach). 69. Jahrgang Nr. 46. vom 17. XI. 1900. Baurat Thür im Ministerium in Berlin und andere diesem Kreise angehörende bedeutende Fachmänner und intelligente Laien aus. Nun verstärkte sich in mir nicht nur die Freude am Schaffen, sondern ich hatte auch die Genugthuung, mich fort dauernd gedruckt zu sehen; ein Kitzel, dessen Reize jeder kennt — und von dem jeder ausnahmslos befallen wird, der sich der Muse ergab. Ein im übrigen durchaus natürlicher Drang. Welchen Wert besitzen selbst die glänzendsten Sonette, wenn der Poet, der sie geschaffen, auf einer menschenleeren Insel sitzt, nur mit Baumaffen und Känguruhs einen unfreiwilligen Verkehr pflegt. Als ich im weiteren Zeitverlauf, betrogen um die Früchte langjähriger mühseliger, au sich erfolgreicher Bestrebungen auf geschäftlichem Gebiet, nach einer Ablenkung von meinen mißmutigen Gedanken suchte, fand ich ein Heilmittel für allen Aerger und alle pekuniären Enttäuschungen in dieser geistigen Beschäftigung. Ich schrieb nieder, was ich in meinem erfahrungsreichen Leben gesehen, gehört, und was ich dabei empfunden, und wenn ich den Eindruck hatte, daß mir wohl gelungen sei, was aus meiner Feder geflossen, verlebte ich glückselige Stunden. Und als ein ganzer Haufe von solchen schriftstellerischen Versuchen beisammen war, überdachte ich, wie ich das alles der Oeffentlichkeit übergeben könne, und gelangte — ein nicht Unbekannter mit solchen Dingen — zu dem Ergebnis, es sei das beste, mein erstes Buch auf meine eigenen Kosten drucken zu lassen. Ich wußte hinreichend, mit welchem Mißtrauen die Verleger solchen Erstlingsprodukten gegenüberstehen, wie lieb sie ihr Geld und wie recht sie haben, mehr denn vorsichtig zu sein. — Der erste, der das dann wirklich erscheinende Werk: »Die Plaudereien mit der Herzogin von Seeland« beachtete und kritisierte, war der damalige Redakteur des »Magazin für die Litteratur des In- und Auslandes«, Herr!)>-. Eduard Engel. Er überschüttete mich mit der ihm eigenen Impulsivität und der ihm eigenen Freude an allem Eigenartigen mit dem größten Lob, das einem Anfänger werden kann. Er erklärte, daß ich, wenn ich auch noch Mängel zeige, das Recht besitze, mich ferner zu versuchen. Und das war dann das Entscheidende für mich, und niemals kann ich ihm, dessen Bekanntschaft ich dann auch später machte, und mit dem ich heute noch freundschaftliche Beziehungen pflege, dankbar genug sein, mir die Wege ge ebnet und in mir dadurch den Entschluß zur Reife gebracht zu haben, fortan den Kaufmannskittel gegen den Schreib tischrock vertauscht zu haben. Und doch, wenn ich mich jetzt, nach zwanzigjähriger litterarischer Thätigkeit so äußere, füge ich einschränkend hinzu: »Wenu mir geahnt hätte, wie dornenvoll doch zugleich der Aufstieg zu den Höhen ist, und was alles dazu gehört, um vom schriftstellerischen Beruf zu leben, würde ich nie danach gegriffen haben!« Der schreibende Mensch gleicht einem Erdenbewohner der von Kernfrüchten existiert. Bisweilen findet er einen süßen Inhalt: den vollen Erfolg — nach Ueberwindung der harten Schale, das heißt nach unermüdlichem Fleiß, den Lohn! Weit eher aber die bitteren Kerne der Ent täuschung! In dem Leben des Schriftstellers giebt es drei scharf
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