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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.12.1900
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- 1900-12-24
- Erscheinungsdatum
- 24.12.1900
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- Deutsch
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298, 24. Dezember 1900. Nichtamtlicher Teil. 10259 nmrissene Perioden: das Ringen um Beachtung, den für kürzere oder längere Zeit anhaltenden Erfolg und den durch die natürliche Unlust und Veränderungsfucht des Publikums cintretenden Rückgang. In der ersten Periode werden die Kritiker dem Autor ein Helfer; in der zweiten, wo ihn der Ruhm umstrahlt, schreiben sie häufig nur deshalb über ihn, um sich selbst zu schmücken, und in der dritten hören sie gar gern auf die vielen, die ihnen zuflüstern, daß der von ihnen einst Pro tegierte mindestens ebenso viele Schwächen ivie Vorzüge habe, und schieben die ferneren Produkte seines Fleißes unbeachtet beiseite. Das klingt paradox, aber es ist allzuviel Wahrheit darin! Künstler und Schriftsteller müssen — kommt die Zeit — wie die Präsidenten überseeischer Republiken — unweiger lich abdanken Es wollen andere herrschen, Ansehen genießen und Vorteile erringen. Da helfen keine Verdienste, da ist's gleich, ob der neue Präsident weniger leistet. Es sitzen in allen Ecken und Winkeln Personen, die auch leben wollen, die sich durch den Erfolg der Erfolg reichen beeinträchtigt sehen. Und daß sie letztere zu beseitigen trachten, ist menschlich, es ist ihnen nicht zu verdenken. Nicht um eines Vorwurfs willen registriere ich den Lauf der Dinge, vielmehr nur um eine Thatsache festzustellen. Neid und Mißgunst sind zudem Lebensschlangen, die niemals auszurotten sind. Sie sprühen ihr gefährliches Gift aus, und es wirkt sicher! Sv kann's kommen, daß man einem Paul Heyse, diesem wahrhaften Klassiker feinster Beobachtung, Sprachkunst und Formvollendung, irgend welche größere Bedeutung ab gesprochen hat. Im Beginn meiner Schaffenszeit saß er mir bei einem mir liebenswürdig erwiesenen Besuch in meinem Hause gegen über und sagte, als ich mich begeistert über seine Schöpfungen auslieb: »Ach nein, nein —! Ich habe ja nie etwas gekonnt! Die Neuen rufen es mir alle jeden Tag zu —« Damals begriff ich seinen Pessimismus nicht. Heute, wo ich seit zwanzig Fahren das litterarische Treiben mit erlebt habe, verstehe ich ihn durchaus. — Was gehört zum Schreiben? Zum Schreiben gehört der Furor! Wem der nicht im Gedärm sitzt, der wird niemals etwas Großes leisten. Er treibt zum Fleiß, und Fleiß ist neben Können alles! Fleiß ist — wie Karl Bleibtreu richtig sagt — Genie! Was ist erforderlich, um bekannt zu werden? Man muß einen thätigen und geschickten, aber auch einen kapital fähigen Verleger haben. Man muß seine Kollegen zu über zeugen wissen, daß man ihnen zwar nicht ebenbürtig ist — das wäre höchst gefährlich! —, aber doch auch eine kleine Geistesader besitzt, die zum Debütieren ein Recht hat. Die beste Empfehlung besteht darin, daß in der Gesell schaft plötzlich von einem Autor gesprochen wird, daß einer den anderen fragt, ob er vornan in vlüts oder »die drei Getreuen- gelesen habe Geschieht das dem Werk eines Autors, so steht er, ohne sonst selbst eine für sein Bekanntwerden aufklimmende Be wegung gemacht zu haben, schon auf den Leitersprossen zur Höhe. Tritt dann noch die Kritik der Presse hinzu, ergehen sich in der gewohnten Ueberschwenglichkeit gefällige Freunde oder Sanguiniker, sprechen gar ernsthafte Männer ein kräftig anerkennendes Lob öffentlich aus, oder ist das alles voraus gegangen, so ist für den Eintritt in den Tempel der zweiten Periode alles gewonnen. Diesen Glauben an sich soll nun der Autor eifrig nutzen. Während dieser Periode des andauernden Erfolges, — der ihm wird durch die Gunst der Lesenden, durch un ermüdliches Arbeiten an größerer Vollendung — muß er von dem Erwerbe zurücklegen, damit er für sein Alter ein wenig besitzt. Wehe, wenn er meint, daß der Baum, der jetzt in seinem Garten blüht, immer gleich goldene Früchte trägt! Wehe, wenn er sich einbildet, er, er werde eine Ausnahme machen, er werde die dritte Periode nicht erleben. Es bleibt wohl noch dem Tüchtigen eine Gemeinde. Ach, aber sie ist sehr klein. Dank für Gaben, die man be zahlte, giebt's nicht, kann's nicht geben. Die paar Idealisten, die vom Sirius herabgestiegeu, kommen nicht in Betracht, sie kaufen auch keine Bücher. Offiziere heiraten Mädchen, die Geld besitzen. Niemand findet etwas darin, daß sie sich einen weiblichen Kameraden suchen, der auch ein Ledersäckchen hat, in dem etwas steckt. Schriftstellern ist dasselbe zu raten. Denn Poeten, die im Alter wirklich etwas Erheblicheres erwerben konnten, sind mit allen Diogenes-Laternen nicht zu finden Und dennoch spreche ich, während ich so als weh mütiger Zuschauer philosophiere, doch noch in einem anderen Sinne! Mag die Thätigkeit auf geistigem Gebiete materielle Ent täuschungen herbeiführen, mag sie mit einer Kette von Sorgen verbunden sein, eines hat sie voraus vor jeglicher anderen Arbeit. Kein Sterblicher, so glaube ich, verlebt so köstliche Schaffensstunden! Sie sind ihm dann geschenkt, wenn ihn die frohselige Selbstüberschätzung erfaßt, wenn er beim Arbeiten das Gefühl des Gelingens hat, wenn er gar nicht an Lohn, an Erwerb denkt, wenn ihn nur die Freude au dem durchdringt, was seinen Geist, sein Gemüt, seine Phantasie in Bewegung setzt. Der erhabene Künstler, der wirkliche, eigentliche Künstler giebt nichts ans öffentliches Lob und nichts auf öffentlichen Tadel. — Er warf, abgesehen von seinem berechtigten Wertgefühl und von der Euisicht seiner Unvollkommenheit, zu tiefe Blicke hinter die Lebensconlissen. Er sieht die Kritiken nur als Produkte einer durch äußere und innere Einflüsse stets stark beeinflußten Berufsthätigkeit an. Er horcht nur auf, wenn ein Kreis ernsthafter Personen ihr Urteil abgeben; er fühlt sich gehoben durch deren Anerkennung und geht still und gewissenhaft mit sich zu Rate: was an deren Tadel gerecht war. — Was soll des Schriftstellers Schaffenszweck sein? Er soll den Leser in eine Welt einführen, die ihn zum Nachdenken zwingt, die ihn mit dem armseligen Leben ver söhnt, die seine Sinne derartig in Bewegung setzt, daß für ihn daraus eine ethische Wirkung entsteht. Welche Bücher haben sich im Laufe der Knlturzeiten erhalten? Immer nur diejenigen, die die großen Leidenschaften der Menschen zum Gegenstand hatten, in denen eine Welt zur Darstellung gelaugte, in der der gesittete Mensch selbst lebt oder in die er das Streben hat, einzutreten, in denen die Lebensgegensätze vor geführt werden, die ihm bekannt sind, die er selbst zu über winden hat! Hat denn die Schilderung des Unnatürlichen, des Ab weichenden, des Rohen, des Perversen, die Seziernng der Bestie in dem Menschen einen wirklichen Wert, gewährt sie irgend einen Genuß? Macht sie uns besser? Finden wir uns dadurch eher mit dein Dasein ab? Liegt nicht schon genug Ernstes, Be drückendes auf uns? Müssen wir noch das Unerfreuliche, das Entmutigende, die Menschenverachtung künstlich herbei holen? Ich habe dafür kein Verständnis! Der Spott über geivisse Autoren — ich greife die «tebniu»d!cchM>er Ialirstan« 1366
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