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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.07.1911
- Strukturtyp
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- 1911-07-13
- Erscheinungsdatum
- 13.07.1911
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- Deutsch
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^ 160. 13. Juli 1911. Nichtamtlicher Teil. B0yenblatt f. d. Dtlchn. BuchhunbeL. 8217 geklagt waren der Verleger des »Pan« Paul Cassirer in Berlin und der verantwortliche Redakteur dieser Zeitschrift Wilhelm Herzog. Der Anklage lag folgender Tatbestand zu gründe: In Nr. 6 des »Pan« vom 16. Januar 1911 war mit der Veröffent- lichung einer Übersetzung des Tagebuches begonnen worden, das Gustave Flaubert in den Jahren 1849—1861 geführt hat. In dieser Übersetzung, die überhaupt die erste deutsche darstellte, gibt Flaubert eine Darstellung von Land und Leuten, die er u. a. auf einer Reise von Mailand nach Como und einer Reise nach Ägypten kennengelernt hatte, und speziell eine detaillierte Milieu- und Sittenschilderung. Obwohl diese Veröffentlichung als ein unsittliches Werk angesehen uud die Nummer 6 des »Pan« darauf hin beschlagnahmt worden war, erschien in der Nummer 8 vom 1. Februar dieses Jahres die angekündigte Fortsetzung des Tage buches, was wiederum zur Beschlagnahme uns dann zur Anklage erhebung führte. Nach dem Berichte der »Vossischen Zeitung« bestritten die Angeklagten mit aller Entschiedenheit, daß es sich um eine un züchtige Schrift handle. Die Veröffentlichung sei lediglich in lite rarhistorischem Interesse geschehen, und zwar für diejenigen Wissen- schaftler und Künstler, die ein ganz spezifisches Interesse an der Entwicklung der Kunst haben. Vorsitzender: Sie können doch aber gar nicht verhindern, daß nicht nur diese Kreise, sondern auch Ungebildete, die lediglich das Erotische und Pikante heraussuchen, da sie von dem literarischen Wert gar keine Vorstellung haben, Kenntnis von den Artikeln erhielten. Angeklagter Cassirer: Der »Pan« hat allein 700 feste Abonnenten, die sich lediglich aus Künstler- und wissenschaftlichen Kreisen rekrutieren. Vorsitzender: Sie sind doch aber gar nicht in der Lage, den Leserkreis zu bestimmen, bei den Abonnenten mag dies ja möglich sein. Der »Pan« liegt doch aber auch in zahlreichen Cafes aus, wo er von jedermann gelesen werden kann. Angeklagter: Ich habe nie mals die Absicht gehabt, meine Zeitschrift als eine populäre zu gestalten. Der ungebildete Leser dürfte deshalb den »Pan« sehr bald als »langweilig« weglegen, da er den Inhalt der Artikel gar nicht versteht. — Der Angeklagte Herzog erklärte, daß er die Übersetzung des Tagebuchs veranlaßt und sie dann mit dem Original verglichen habe. Er habe verschiedene Stellen ab geschwächt, ganze Sätze weggelassen und verschiedene Stellen punktiert. Vorsitzender: Sie haben doch wahrscheinlich an den von Ihnen weggelassenen bzw. punktierten Stellen selbst Anstoß genommen? Angeklagter Herzog; Anstoß genommen schon, aber nicht vom Standpunkt der Sittlichkeit, sondern lediglich des Ge schmacks. Wir haben trotz der ersten Beschlagnahme die Fort setzung erscheinen lassen, da wir keinesfalls irgend eine Un züchtigkeit in dem ersten Artikel entdecken konnten. Angeklagter Cassirer: Es ist, wie allgemein bekannt ist, auch ein literarisches Übereinkommen, Worte durch Punkte zu ersetzen. Hiervon haben Goethe und andere große Dichter vielfach Gebrauch gemacht. In der Beweisaufnahme wurde nur Richard Dehmel, der vom Verteidiger der Angeklagten als Sachverständiger geladen war, vernommen. Das Gutachten Dehmels ging im allgemeinen dahin: Die Moral vom idealen Standpunkt aus stehe fest, nicht aber die moralische Praxis. Was heute als unzüchtig gilt, werde vielleicht schon in 20—30 Jahren als durchaus sittlich angesehen werden. Einen Mann wie Flaubert unter die Frage der Schlüpfrigkeit zu stellen, ist für Künstler uno Literaturhistoriker monströs und absurd, es sei dies ebenso, als wenn man Solon auf Bestech lichkeit prüfen oder einen Kriminalpsychologen wie v. Liszt für eine Verbrechernatur halten würde, weil er sich mit dem Verbrechen selbst beschäftigt. Die Frage, ob Flaubert unsittliche Tendenzen verfolgt habe, sei deshalb völlig undiskutabel und bei seinem hohen schöpferischen Künstlergeist überhaupt unverständlich. Für Flaubert war alles lediglich Stoff und Erscheinung, ungefähr dasselbe, was für den Wissenschaftler der Kadaver ist. Zuzugeben sei, daß die fraglichen Artikel auf Ungebildete einen verunsitt- lichenden Eindruck machen könnten, dann aber könnte man jedes andere wissenschaftliche, ethnographische Werk, ja sogar jedes Konversationslexikon als unzüchtig verbieten, da auch in diesem Dinge enthalten sind, die auf den Ungebildeten ganz andere Wirkungen ausüben, als auf den Gebildeten. Der Sachver ständige kommt zu dem Schluß, daß von einer unsittlichen Schrift nicht die Rede sein könne. Staatsanw.-Nat Heinzmann führte in seinem Plaidoyer u. a. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 78. Jahrgang. aus: Nicht Flaubert stehe hier auf der Anklagebank, sondern die jenigen, die ein von ihm herrührendes Tagebuch der Öffentlich keit übergeben haben, das, wie sich auf den ersten Blick er kennen lasse, in ganz diskreter und intimer Form geschrieben sei, die gar nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Es handle sich um, wie gesagt werde, »hingekritzelte« Notizen, die Flaubert vielleicht in ganz anderer Form später ver wenden wollte. Die Artikel seien jedenfalls als objektiv unzüchtig anzusehen. Die Angeklagten hätten jedoch damit rechnen müssen, daß diese Schrift einem unbeschränkten Kreise von Personen, ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts und des Bildungs grades, zugänglich sei. Eine derartige Schrift in vielen Tausenden von Exemplaren dem großen Durchschnittspublikum zu unter breiten, stelle ein Vergehen gegen den § 184 dar. Bei dem Strafmaß sei zu berücksichtigen, daß es sich keinesfalls etwa um hochunzüchtige, pornographische Schriften handle, sondern um Schriften künstlerischen und literarischen Werts, die jedoch in der großen Masse der Ungebildeten unzüchtig wirken müssen. Er beantrage daher eine Geldstrafe von je 100 Der Verteidiger der Angeklagten hielt die Freisprechung beider Angeklagten für geboten, da weder nach objektiver, noch nach subjektiver Hinsicht von der Verbreitung einer unzüchtigen Schrift die Rede sein könne. In der ganzen Literatur werde als eine der hervorstechendsten Charaktereigenschaften Flauberts der hohe sittliche Ernst bezeichnet, der keinesfalls die Tendenz gehabt habe, sexuelle Momente über künstlerische Zwecke zu stellen. Das Gericht erblickte in einem Teil der Artikel rein ethno graphische Schilderungen und erkannte deshalb auf Freisprechung. Nur wegen des in Nr. 7 des »Pan« enthaltenen Artikels erkannte das Gericht auf je 60 Geldstrafe. sL. Vom Reichsgericht. — Die unsittlichen »Pfarrer karten«. (Nachdruck verboten.) — Im Stellaverlag zu Berlin erschien eine Postkartenserie, die Pfarrerkarten, die katholische Pfarrer in Amtstracht mit einer Magd, vor einem Damenbad, vor einem Kinematographen mit der Bemerkung »Nur für Herren« und in ähnlichen Situationen zeigten. Da diese Karten Anstoß erregten, wurde Klage gegen den Kaufmann B., den verantwort lichen Leiter des Stellaverlages, beim Landgericht Berlin I mit der Begründung erhoben, daß die Karten jedes Kunst wertes entbehrten und als unsittlich im Sinne des 8 184 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches anzusehen seien, deren Verbreitung dem Angeklagten zur Last falle. Außerdem sei er der Übertretung des § 6 des Preßgesetzes schuldig; denn unter die Karten als solche, die auch sozialpolitischen Inhalts seien, hätte er als Verleger seinen Namen und seinen Wohnort setzen müssen. Das Urteil lautete auf 100 Geldstrafe und wegen der Übertretung auf weitere 20 ^ Geldstrafe. Die Revision des B. beim Reichsgericht, in der er Verletzung des formellen wie des mate riellen Rechts, insbesondere ungenügende Begründung des Urteils rügte, wurde heute vom höchsten Gerichtshof als unbegründet verworfen. (Aktenzeichen: 2 v 610/11.) 25 Jahre Reichsversicherungsamt. — Gestern vor 25 Jahren, also am 12. Juli 1886, hielt das Reichsversicherungsamt seine erste Sitzung ab. Auf Grund des § 90 des Unfallversicherungsgesetzes gebildet, soll es als schiedsrichterliche Rekursinstanz über Entschei- düngen der Berufsgenossenschaften und deren Schiedsgerichte dienen. Seine Aufgaben werden jetzt eine Erweiterung finden mit dem Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung. Möge das Vertrauen, das alle Beteiligten der Rechtsprechung des Reichs versicherungsamtes entgegenbringen, diesem auch ferner erhalten bleiben. Post. (Vgl. auch den Art. im Sprechsaal d. Nr. 159.) — Im Reichspostgebiet ist die Zahl der Kontoinhaber im Postscheck, verkehr Ende Juni 1911 auf 66 990 gestiegen. (Zugang im Monat Juni allein 890.) Auf diesen Postscheckkonten wurden im Juni gebucht 992'/, Millionen Mark Gutschriften und über 1 Milliarde Mark Lastschriften. Das Gesamtguthaben der Kontoinhaber betrug im Juni durchschnittlich 115'/, Mil- lionen Mark. Im Verkehr der Reichspoftscheckämter mit dem Postsparkassenamt in Wien, der Postsparkasse in Budapest, 1068
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