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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.08.1924
- Strukturtyp
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- 1924-08-06
- Erscheinungsdatum
- 06.08.1924
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10266Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 183, 6. August 1924. keit eine Bilanz seines Schaffens im letzten Jahre zu ziehen und diese ruhigen Stunden außerdem zu benutzen, um all das aufzu arbeiten, was an unerledigten, namentlich größeren Sachen vom Schreibtische nicht verschwinden wollte. Erst wenn diese stille Arbeits zeit, die am besten an einem auch landschaftlich schönen Flecke zu ge schehen hätte, erledigt sei, wäre es am Platze, an das zweite Aus setzen, den richtigen Erholungsurlaub, zu denken, der frei von aller Berufsbeschäftigung sein sollte. So sehr ich von dem Werte eines richtigen Erholungsurlaubes überzeugt bin, so wenig will es mir gelingen, die dazu notwendige Zeit zu bekommen. Vielleicht bin ich selbst ein viel zu unruhiger Geist, als daß ich wochenlang untätig an der See oder im Gebirge weilen könnte. Da ist es mir viel lieber, wenn ich ein paar freie Tage benutzen kann, um den Körper im Ge birge durch Eis- und Felsfahrten kräftig zu machen. Am schönsten aber dünkt es mir, wenn ich den »stillen Arbeitsurlaub« und den eigentlichen Urlaub verbinden kann, mit Rucksack und allerdings recht kleinem Mustcrkoffer irgendwo ins Gebirge wandere, nicht nur um meine Bücher zu verkaufen, sondern auch um die Berufsgenossen auf zusuchen. Mir scheint, auf diese Weise sammle ich Unterlagen für neue Pläne, erledige ich an den Nichtbesuchstagen spielend alte unerledigte Sachen und kann mich doch irgendwie ausruhen, wenn ich ein schönes Plätzchen finde, wo ich Stunden oder Tage faulenzen kann, wenn ich es wünsche. Mir will sogar scheinen, als wäre es viel schöner, solche Fahrten zu unternehmen, als irgendwo von allen Geschäften fern die Urlaubszeit abzusitzcn. Das mag unwahrscheinlich klingen, und doch besteht für mich die Tatsache, daß der rechte Buchhändler viel zu sehr in seinem Beruf wurzelt, als daß er längere Zeit ohne irgendwelche Verbindung mit seiner Tätigkeit sein kann. Jedenfalls möchte ich an Hand von ein paar Erfahrungen der letzten Zeit beweisen, wie an regend' solche Reisen sein können. Ich mußte zu einer großen Tagung, von der ich überzeugt war. daß sie für mich furchtbar langweilig sein würde. Irgendwelche Mög lichkeit, fern zu bleiben, war nicht gegeben. Darum nahm ich das leichteste Gepäck und fuhr ein paar Tage vor der Tagung, die glück licherweise nahe im Gebirge stattfand, in das Gebiet der Tagung. Eine gute Zugverbindung machte es mir möglich, einen unserer jun gen Verleger zu besuchen, der abseits der großen Heerstraße seine Ar beitsstätte aufgcschlagen hat. In einem alten Bauernhause zwischen Berg und See waren im Erdgeschoß die Verlagsräume. Die Aus lieferungsfakturen schauten gar merkwürdig aus dem Fenster. Es war eigentlich überraschend, wie eine Verlegcrfaktur sich in solcher Um gebung ansnahm. Der Herr Verleger selbst hatte seine Arbeitsstätte im ersten Stock und schaute von seinem Schreibtische über die Blumen wiesen des Vorlandes hinauf zu den mächtigen Nadelwäldern über den Almen und noch etwas höher zu den Felswänden, die sich vom weißblauen Himmel abhoben. Das war ein schönerer Schaffensort als die dnnkle Arbeitssuche in der rußigen und staubigen Großstadt. Mußten hier nicht andere Pläne zum Ausreisen kommen als irgendwo in den Bürohänsern, aus denen man froh ist. am Abend zu entfliehen? Kurze Aussprache ergab sofort, wes Geistes der Verleger war und warum er sich in der prächtigen Gegend so schasfensfreuöig fühlte. Das war neuer und doch schöner Vuchhändlergeist. Es überraschte mich auch nicht, als ich in dem nächsten Orte, den ich aufsnchte, außer den Sortimentern noch zwei Verleger fand, die sich in die Einsamkeit zurückgezogen hatten. Es war ebenso selbst verständlich, daß beide Verleger gar nichts von der überlieferten Buch händlernatur an sich hatten, die wir uns nach altem Muster als einen stets überlegenden Menschen mit großer Brille oder als Spidwegfigur vorstcllen. Und doch waren auch die beiden Verleger in ihrer Art Eigenbrödler, allerdings in einer Art beneidenswert. Der eine hauste weit über dem Gebirgsstädtchen in seinem prächtig gelegenen Land- Hause. unter sich die weiten grünen Matten, die sich bis zur Stadt hin zogen, um sich die Wälder, in denen es sich wohl wochenlang aus- halten ließe. Dieser Verleger besorgt alle seine Arbeit selbst. Ihm war die Unlust über die besondere Arbeit, die mit der Einführung eines jeden neuen Mitarbeiters verbunden ist, zuviel geworden. Als Junggeselle liebte er seine Bequemlichkeit, und so war er zufrieden, wenn ihm das durch die Güte seiner Erzeugnisse sehr gutgehende Ge schäft die Möglichkeit gab, das Leben zu gestatten, wie es ihm paßte. Das Arbeiten wurde am Spätnachmittage durch den Feierabend be endigt, der mit einer Wanderung nach dem Städtchen begann, wo in einem der guten alten Gasthöfe am Markte Abendbrot und Dämmer schoppen eingenommen wurden. War das nicht ein viel schönerer Lebenslauf als die Arbeit irgendwo in den Städten des großen deut schen Verlagsbuchhandels? Ein Zufall war es, daß ich den anderen Verleger traf. Ich hatte tagsüber bei schlechtem Wetter allerhand Arbeiten mit dem Besuch der Sortimenter gehabt. Der Erfolg der Arbeit war recht gut. Dem Regentage folgte ein schöner Abend, und so wanderte ich in der Däm merung ins Gebirge hinein. Es war sehr spät und schon dunkel ge worden. als ich wieder zur Stadt wollte und irgendwo über einen der großen Bcrghänge heimging. Aus einem allcinstohenden Bauern hause erscholl Musik und Gesang. Beim Näherkommen merkte ich, daß junge Menschen tanzten. Ich ging nicht vorbei, ohne in die Stube zu schauen, in welcher mehr als zwanzig Menschen sich des schönen Abends freuten, fragte, was los sei, und hörte, bas sei die Sommergemein schaft des L. L. Das war also der andere Herr Verleger, der sein Arbeitsfeld ins Gebirge verlegt hatte und in seinem Hause Ferien gäste aufnahm, die sich in geistig anregender Gemeinschaft zusammen fanden. Eigentlich wollte ich zwar ganz wo anders übernachten, aber der Herr Verleger wußte mir so viel von seiner Arbeit, seinen Plänen und allen möglichen Dingen zu erzählen, daß ich die Zeit vergaß. Ich freute mich herzlich, daß der Zufall mir den Weg gewiesen hatte, blieb beim Kollegen zur Nacht, als sich noch ein Lager fand. So war es ver ständlich, daß es kurz vor oder nach Mitternacht war, als wir unser Gespräch schlossen und uns ganz dem Genüsse der Mondnacht Hin gaben, die mir kaum irgendwo so schön als im Hochgebirge vorkommr. Uber die gewaltigen Felswände, die im Schlagschatten lagen, leuchtete der Mond friedlich auf das Tal unter uns, das halb schon vom Nebel bedeckt war, während das Verlegerheim in der wundersam klaren Bcrgnacht glänzte. Mir schien es kein Wunder, baß ich bei den Besuchen der Sorti menter dieses Gebietes ganz wenig Klagen über schlechte Zeiten. man- gelhaften Geschäftsgang und anderes hörte. War es die alte Über lieferung des Gebirgsstädtchcns. die aus den einfachen Papierhand lungen in den letzten Jahrzehnten schöne Buchhandlungen gemacht hatte, waren cs die geistigen Ansprüche der Bewohner oder die Wünsche der Fremden nach guten Büchern und guter Kunst? Set es, wie es wolle. Jede der Buchhandlungen — und es waren nach meiner Meinung für das Städtchen viele — war in ihrer Art außerordentlich gut einge richtet. Überall herrschte der rechte Ton, der in den Büchern, den Kunstblättern und anderen Dingen nicht nur die Ware sieht, sondern der viel lieber das Beste als das weniger Gute verkauft. Also auch hier im Buchhändlerladen Gebirgslnft! Das war mir Freude so viel, daß ich es gar manchem Sortimenter, der jahraus, jahrein in seinem engen dunklen Laden sitzt, wünschen möchte, wenigstens für Wochen oder Monate in solcher Umgebung zu schaffen, in der die Bergwelt durch die Fensterscheiben grüßt. Frische Bcrgluft. die durch die Verleger- und Sortimentertätigkeit weht, habe ich leider auch im Gebirge nicht überall gefunden. Als tch meine Tagung hinter mir hatte, hielt ich es für gut. noch einen anderen großen Platz des Hochlandes zu besuchen, der an Fremden mindestens soviel hatte als mein kleines zuerst besuchtes Städtchen. Und doch war an diesem Platze alles das Gegenteil. Da war kein Verleger.'ber sich irgendwo eine Arbeitsstätte geschaffen hatte. Die Buchhand lungen waren keine Buchhandlungen, wie wir sie heute brauchen. Da waren die Bücher, irgendwo und irgendwie wahllos zusammengekauft, in den Fächern, ohne daß auch nur ein guter Geschmack die Anord nung der Auslagen beaufsichtigt hätte. War es da ein Wunder, wenn in all diesen Geschäften das Klagelied ging: »Es kaust niemand etwas«? Ich habe mir lange überlegt, ob der Unterschied zwischen den beiden Plätzen unbedingt so groß sein müßte, und kam zu der Über zeugung. daß die gleichen Menschen, die am ersten Platze die Erfolge erzielten, auch am zweiten Platz bas Geschäft mit Nutzen ausgellbt hätten. Nun darf ich dazu aber nicht verschweigen, daß am ersten Platze mehr als die Hälfte der Buchhändler keine Einheimischen waren, sondern daß die Freude am Gebirge sie in bas Städtchen gebracht hatte. Ob nicht mit ihnen, die zumeist ausMitteldeutschland stammten, vielVuch- hänblergeist gekommen war oder sich glücklich mit dem der einhei mischen Buchhändler vereinigte? Am zweiten Platze waren nur Ein heimische. die das Geschäft von ihren Vätern ererbt hatten und die vor lauter Arbeit kaum aus ihrem Markte hcrausgekoMmen waren. Hätten sich nicht ein paar Wanderjahre, zuerst als verlorene Zeit betrachtet, glänzend gelohnt? Mir wurde aus dem Vergleiche, den ich auf dieser Reise zog. immer wieder klar, baß es im Augenblicke zwar schade scheint um jeden Tag. der im Geschäft verloren geht, daß aber jede Stunde, die ich außerhalb des Geschäftes verbringe und die mich frische Luft schöpfen läßt, gleich wieder cinholt, was ich scheinbar ver säume. Es ist schon möglich, auch auf solchen halb Urlaubs-, halb Geschäftsreisen für das eigene Geschäft etwas zu erreichen, und wenn es nur Gedanken sind, die sich im eigenen Betriebe nutzbringend ver werten lassen. Ich habe den Aufsatz geschrieben, weil ich hoffe, er bewirkt, daß so mancher Buchhändler, der es dringend not hätte, wenigstens für ein ober zwei Wochen frische Luft zu schöpfen, den Weg vorgezeichnet findet, der ihm die Ferien auch von praktischer Seite aus vorteilhaft erscheinen läßt.
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