Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.08.1924
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1924-08-13
- Erscheinungsdatum
- 13.08.1924
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19240813
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192408134
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19240813
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1924
- Monat1924-08
- Tag1924-08-13
- Monat1924-08
- Jahr1924
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
l0b04Bi)Nerulau s. d. Dllchn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. >L 189, 13. August 1924. auf eigene Weise das Gelesene wicdcrzugeben zu suchen, um so inniger wird man sich den Gcistesgehalt angeeignei haben, um so dauernder wird er uns verbleiben. Solche Hefte sind dann, wohl geordnet aufbewahrt, gleichsam eine konzentrierte Hausbüchern. Das gedächtnismäßige Lesen hat hier seinen Ertrag kurz zusam mengefaßt gesammelt. Bei sogenannter »schöner« Literatur versagt diese Art des Lesens und Verarbeitens schon etwas. Gewiß lesen viele Men schen auch Romane nur gedächtnismäßig und stimmungsmäßig. Sie können uns noch nach Jahren den Gang der Handlung, die Schicksale der Personen, die Katastrophen und Lösungen eines Romans erzählen, aber das Buch selbst ist es eben nicht. Man muß immer wieder zu ihm selbst zurückkehren, wenn man es ge- genießen will. Gedankengänge schriftlich auszuzetchnen, hat hier wenig Wert und Zweck. Aber etwas sollte viel mehr wieder ge pflegt werden, als unsere schnellebige und schnellesende Zeit es heute noch tut; etwas, das unsere Vorfahren in reichstem Matze betrieben. Im Nachlasse meiner Großmutter fand sich ein in Leinen gebundenes, mit Goldpresfung geschmücktes Buch, in das ihr in jungen Jahren kurz vor der Hochzeit plötzlich gestorbener erster Verlobter, ein Freund ihres späteren Mannes, sich Aus züge aus deutschen Dichtern und Denkern, »Klassikern« jeder Art mit seiner wunderbar klaren Handschrift eingetragen hatte. Da zwischen Zeichnungen, Tusche- und Wasserfarbenmalereien. Solche Sammlungen von Lesefrüchten zeigen uns heute noch den ganzen Menschen, der sie anlegte: seine seelische und geistige Himmelsrichtung, den Umkreis geistigen Lebens, der ihn um schränkte, die Richtung der Kraftströme seines Wesens. Als ich studierte, mußte ich viele Bücher, vor allem philosophischen, kul turellen, religiösen und ethischen Inhalts, aus der Universitäts- bücherci entleihen, weil ich das Geld zum Kauf nicht hatte. Ich bedauerte es jedesmal <da ich kein gedächtnismätztger Leser bin), wenn ich sie, ausgelesen, zurückgeben mußte und nicht jederzeit wieder hervorholen konnte. So schrieb ich mir, auch aus Ro manen, die bedeutendsten, mich am meisten packenden Stellen in Hefte, aus denen bald eine ganze Reihe wurde. Jede solche Lese frucht bekam eine fortlaufende Nummer. Auf den letzten Blät tern des Heftes wurde ein Verzeichnis angelegt: nach dem Abc und Stichworten, die den Gehalt der einzelnen Lesefrucht kurz kennzeichneten, geordnet, und daneben die Nummer. Da auf jeder Seite des Heftes in der oberen rechten und linken Ecke die auf der betreffenden Sette verzeichneten Nummern vermerkt waren, war das Auffindcn sehr leicht. Wollte ich nun das noch einmal an meinem geistigen Auge vorbeiziehen lasse», was mich etwa in Nietzsches »Morgenröte (die ich in der Berliner Stadtbahn auf dem Wege von und zu der Universität zum erstenmal las) besonders gepackt hatte, oder an Ellen Keys »Jahrhundert des Kindes«, so las ich Seite für Seite, Lesefrucht um Lefefrucht noch einmal nach, alles, was ich mir daraus abgeschricbcn hatte. Wollte ich mich aber, etwa um mich vor Abfassung eines Vortrages oder Aufsatzes anzuregen, mit allerhand der verschiedensten Einstellun gen zu einer Frage wieder bekannt machen, dann suchte ich das betreffende Stichwort oder die Stichworte im Verzeichnisse am Ende des Heftes und fand etwa: unter Mensch: seine Größe 244 (Key); Vielseitigkeit 274 (Key); ein Gassenhauer 285 (de la Rochefoucauld): und Dinge 370 (Nietzsche); Größe 383 (Emer son); s. Wert 488 (Koenig); u. Arbeit 518 (Euckcn). Da auf der oberen Ecke jeder Seite mit schnellem Blättern zu finden ist, wo diese Nummer steht, hat man in wenigen Minuten eine ganze reiche geistige Welt, sozusagen den konzentrierten Ertrag vieler gelesener Bücher, die einem z. T. dadurch wieder ganz lebendig werden, vor sich ausgebreitet. Im Laufe der Zeit aber, wenn man viel liest und viel zu tun hat, wird es unmöglich, die Lesefrüchte selbst Wort für Wort a b - zuschreiben. Auch ergibt sich mit dem Wachsen einer eigenen Bücherei die Notwendigkeit, diese selbst »handlich« zur Verfügung zu haben. Man kann, wenn man ein paar Hundert oder gar Tausend Bücher hat, einfach nicht mehr gedächtnismäßig behalten, wo man überall in dieser langen Reihe von Bänden etwas zu dieser und jener Frage finden könnte. Um einmal bei diesem Bei spiel zu bleiben und cs auf die Eigcnbüchcrei anzuwenden: Die Lesefrüchtesammlung wird also vereinfacht; Man streicht sich jede Stelle eines gerade gelesenen Buches, die einen besonders an spricht, sei es durch Gedankengehalt oder durch schriftstellerische und dichterische Form, am Rande entlang leicht mit Bleistift an. Ist das Buch ausgelesen, nimmt man das Sammelheft vor, dessen rechter Blätterrand nach dem Abc gestuft und gemerkt ist (in jeder Schreibwarenhandlung käuflich). Der gelesene Band wird nun noch einmal von vorn bis hinten durchgesehen, aber nur die an- gcsirichenen Stellen, die nun nach ihrem Stichwort im Hefte ver merkt und so »ausbewahrt« werden. So sinke ich, um ein Bei spiel ganz durchzuführen, in einem Hefte unter Leben: Polenz Th. Luedeking 752. Tat VIII 204. Oeser Kl. Zahl 247; oder in einer Unterabteilung: nach dem Tode Oberlin (gemeint ist Lienhards Roman) 377. 418. 39S. Tolstoi: Aus alle Tage 1 379 ff. — Es findet sich eine ganz bunte Reihe von Namen, die ich hier natürlich nicht alle anführen kann. Je nach den Neigungen und »Interessen« des Lesers werden diese Hefte selbstverständlich immer bunt und verschieden sein, auch mit der geistigen Entwick lung eines Menschen sich stark wandeln, wie ich an meiner eigenen sehr umfangreichen Sammlung schon nach zwanzig Jahren fest- stellen kann. Ich brauche Wohl nicht ausführlich zu beweisen, daß es nur Zweck hat, auf diese Art zu sammeln, wenn man die betreffenden Bücher in der eigenen Bücherei hat. Die für das Einsammeln und Einordnen, nötige Zeit ist nicht erheblich und lohnt sich immer. In Schreibbücher, möglichst schön gebunden, sammelt man sich auch aus Zeitschriften neue oder ältere Dichtung, Sinnsprüche und Anführungen aus Büchern, die man nicht kennt oder gerade nicht erreichen kann, um sie ganz zu lesen. So wird sehr viel wert volles Gut bewahrt, anstatt mit den losen Heften in Makulatur oder nie wieder gelesenen Papicrhaufcn zu verschwinden. Diese Sammelarbeit kommt Kindern und Kindeskindern zugute und sollte gerade in den nächsten Jahrzehnten, wo Bücher noch viel mehr Kostbarkeiten werden, die man nicht dutzendweise kaufen kann, wieder viel mehr gepflegt werden. Ich weiß, daß die »In tensität« des Lesens dadurch wesentlich gesteigert und Dichter wie Denker zu viel nachhaltigerer Wirkung gebracht werden. Der ängstliche Buchhändler, der von dieser »gründlichen Leserei« eine Minderung seines Umsatzes befürchtet, kann getrost ruhig schlafen. Wer es lernt, fruchtbar zu lesen, der kauft sich viel mehr Bücher als der rein stofflich und rein gedächtnismäßig zu den Büchern stehende Auchleser. Aber dieses gedächtnismätzige Lesen, und sei es in seiner ge- sammeltsten und fruchtbarsten Form, auch in der durch Lesesrüchte- sammeln vertieften, ist mir noch nicht das Letzte. Die allermeisten Leser können in einem gewissen Grade wenigstens zumschöp - feilschen Lesen erzogen werden. Und diese Aufgabe tritt heute ncugcstellt und mit besonders forderndem Ernste an uns heran. Ich meine mit uns: Verleger wie Sortimenter, Schriftleiter und Schriftsteller, die ich nun einmal als die Volks bildner im allerengsten Sinne betrachte. Ich will ein Gleichnis gebrauchen: Wer nur gedächtnis- mäßig liest, verhält sich zu Büchern so wie ein Mensch, der die Speisen in seinem Magen aushebt, wie er sie genossen hat. Wer schöpferisch liest, verwandelt sie in Nährsäfte, welche in alle Zel len des Körpers Vordringen und sie erhallen, erneuern und aus- bauen. Gcdächtnismäßiges Lesen gibt doch nur ein irgendwie äußerliches Verhältnis zu einem Buche. Schöpferisches Lesen verarbeitet es mehr oder weniger stark innerlich. Es ist doch Wohl so: Irgendwie kommt jeder Leser an einer Stelle des Buches, das er gerade vor sich hat, einmal zum Nach denken. Irgend ein Wort, ein Bild, ein Ereignis packt ihn, klingt in ihm nach, auf einem Spaziergang, auf dem Wege ins Geschäft, im Einschlafen, im Gespräche mit anderen. Er macht sich irgend welche Gedanken darüber. Er spinnt die durch das Lesen des Buches angeklungenen Gedankengängc weiter, er »kommt vom Hundertsten ins Tausendste», wie man richtig sagt. Dasaber gerade niüssen wir wollen und das gerade müs se n w i r f ö r d e r n. Es werden ja oftmals durch ganz neben sächliche Dinge wichtige und bedeutsame Lebensbewegungen im Menschen ausgelöst. Ich weiß das von zahllosen meiner Vor träge im In- und Ausland: Hintcnach kam jemand persönlich ins »Künstlerzimmer«, oder man schrieb mir: dieser und jener Satz
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder