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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.08.1924
- Strukturtyp
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- 1924-08-13
- Erscheinungsdatum
- 13.08.1924
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- Deutsch
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I0606Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 189, 13. August 1924. vorausgesetzt, das; die psychologischen Fähigkeiten des Suggerierenden ihm eine weitgehende Einfühlung in das Unterbcwußtsein des Me diums und den damit verbundenen gedanklichen Kontakt ermöglichen. Er kann sich die Sache einfach machen, indem er den Befehl mehrere Male wiederholt und mit einer gewissen Eindringlichkeit der Stimme keinen Zweifel läßt, das; der Befehl unbedingt ansgesührt werden muß. Dabei kann er auch zu der Drohung greifen (Zahnschmerz usw.), allerdings mit dem Risiko der Herausforderung des kurz vor her unterdrückten Kritikvermögens. Er kann aber auch raffinierter und folgerichtiger arbeiten, indem er dem Medium den zur Ausfüh rung gewünschten Befehl vorerst nicht direkt gibt, sondern mit Wor ten so geschickt umschreibt, das; dem Medium überhaupt nicht mehr der Gedanke aufsteigcn kann, mit der Ausführung des Befehls einem fremden Willen zu dienen. Annahme: Schlaf soll suggeriert werden, so würde das nach der direkten Methode geschehen, indem mehrere Male wiederholt wird: »Sie sind müde, Ihre Glieder werden Ihnen schwer, Sie schlafen!« Umschreibend könnte die Wortformcl lauten: »Sie haben in der letzten Zeit viel gearbeitet. Sie haben sich zu wenig Ruhe gegönnt, Sic sind deshalb nervös und abgespannt und bedürfen im Interesse Ihrer Gesundheit dringend der Ruhe. Es ist ein Fehler, wenn Sie glauben, das; Sie sich noch Zeit vom Schlafe abztehen müssen, um alle Ihre Geschäfte erledigen zu können. Das ist Raubbau an Ihrer Gesundheit, der sich rächt und Ihnen außer den zerrütteten Ner ven noch Flüchtigkeit in der Arbeit einbringt. Gönnen Sic sich die Ruhe, die Sie schon seit Wochen dringend benötigen. Sie sind entsetz lich müde. Schlafen Sie!« Diese zwei unterschiedlichen Suggestions-Methoden im Experiment sind nun sehr charakteristisch und auch sehr interessant. Hier der offene Befehl, der einfach den fremden Willen aufnötigt, ungeachtet dessen, ob nicht etwa beim Medium noch nachträglich Zweifel entstehen könnten über die Priorität der Ausflihrungsursache bzw. der Ge danke. das; der Zusammenhang nicht vom eigenen Willen ausging. Dort die Beeinflussung in der geschicktesten Form, alles vermeidend, was nachträglich beim Medium den Gedanken des Geschobcnscins auf- kommen lassen könnte, und alles unterstützend, was die Suggestion in die Auto-Suggestion umwandelt. Es würde im Nahmen dieser Betrachtung zu weit führen, den Unterschied in der Wirkung und Nachhaltigkeit beider Methoden unter Berücksichtigung neuzeitlicher wissenschaftlicher psychoanalytischer Er kenntnisse ausführlich zu besprechen. Der Beweis, daß man in Ne- klamefachkreisen beginnt, sich die Erkenntnis, daß der letztere Weg der zuverlässigere und sicherere ist, zunutze zu machen, ist unschwer heraus- zufindcn bei der Gegenüberstellung der Markenartikel-Reklame von einst und jetzt. Die mechanische Wiederholung nüchterner Texte, die sich nur das Einprägen des Markenartikelnamens angelegen sein lassen und abso lut keine begriffliche Vorstellung beim Leser erzeugen können, hat sich überlebt. Wenn beispielsweise ein von diesem Gesichtspunkte aus gehender Neklamcfachmann für eine Zahnpaste wirbt, so läßt er nicht bloß einfach einen Namen, wie etwa »Odol«, bis zur Bewußtlosig keit im Inserat wiederholen, sondern er begründet in Verbindung mit dem Markennamcn ausführlich, warum der Kauf des angepriesenen Artikels eine absolute Notwendigkeit und dessen Güte bei einer etwaigen Wahl ausschlaggebend sein muß. Statt des nüchternen Schlagwvrtes ist dann ein Text von etwa folgendem Inhalte abge druckt : »Wer hätte nicht die Erfahrung gemacht, daß auch bei täglicher Reinigung mit Mundwasser die Zähne schlecht und häßlich gefärbt bleiben? Ist das nicht ein deutliches Zeichen dafür, daß die Mund pflege mit Mundwasser und Zahnbürste nicht genügt? Die Zähne sind oft mit einer graubraunen Schicht belegt, die den Anlaß zur Fäulnis geben kann. Da nutzt alles Mundspülen nichts. Hier muß der mechanische Neinigungsprozeß in Anwendung kom men, der nur auf eine Art zu erzielen ist. nämlich durch tägliches Bürsten mit Ehloroöout-Zahnpastc. Ehlorodont enthält keine schäd lichen, penetrant riechenden und unangenehm schmeckenden Chemika lien. wie Salol usw., die die Mundschleimhaut angreifen und den Schmelz schädigen. Ehlorodont enthält mikroskopisch feinen, reinen, präzipitiertcn, kohlensauren Kalk, ein seit altersher bekanntes un entbehrliches Pubmittel fiir die Zähne, sowie neutrale Salze, die durch vermehrte Speichelbildung eine natürliche Muub- rcinigung bewirken. Deshalb ist Ehlorodont wissenschaftlich längst anerkannt und wegen seines herrlich erfrischenden Geschmacks täglich von Millionen im Gebrauch!« In diesem Texte, dessen Formulierung man geradezu als Muster der gedruckten Verbalsuggestion hinstellen kann, ist nichts enthalten, was an die öden Neklamephrasen wie »Kaufen Sic nur« ober »Die Qualität macht's« oder »Die führende Marke« erinnert. Alles ist be grifflich und vorstellungsfördernö dargcstellt. Dabei erschien dieser Text in einer geradezu aszetisch drucktechnischen Aufmachung. Kein fetter Rand, kein phantafiebeschwertes Satzarrangcment. ja nicht ein mal eine Auszeichnung. Im Neklamejargon von gestern hätte man vielleicht den vor stehend zitierten Inserat-Text auf den zwanzigsten Teil seines Um fanges beschränkt oder überhaupt nur die Worte »Ehlorodont die führende Zahnpaste« hingesetzt, dazu eine krasse Schwarz- weiß-Wirkung — etwa eine wie mit dem Beil vergewaltigte, stili sierte Silhouette — auf bevorzugtem Seitenplatze untergebracht und das Entscheidende, die einladende, kontaktanknüpfende Gcdankenbrück'e zum größten Teile der Intelligenz des lieben Lesers überlassen. Man beachte den Unterschied der zwei Suggestionsformeln in der Art,' wie der Befehl gegeben wird. Aus der einen Seite der u u - verhüllte, kaserucnhofsmäßigc, schnauzende Befehl, wie etwa »Kaufen Sie«, der psychologisch nicht die geringste Stützung hat. und auf der anderen Seite die einschmeichelnde Wortmelodic. die sich die Denkfaulheit und die überreizten Sehnerven des Lesers geschickt zu nutze macht, die das Kaufen und selbst den Markenartikel-Namen in der scheinbar unverfänglichsten Form so ganz nebenher bringt, nur mit begrifflichen Vorstellungen arbeitend, alles bei gedämpfter Trom mel Klang, Ruhe erzeugend, störende Ablenkungen vermeidend, mi Hinblick auf das Ziel. Von dem schwedischen Arzt Wctterstrand, einen, der geschicktesten Hypnotiseure, wird behauptet, daß er auf Grund seiner nur im Flüsterton gesprochenen Suggestionen, die geradezu zwingend die Aufmerksamkeit herausfordcrten, die stärksten Erfolge erzielt hätte. Wenngleich Wctterstrand auch ein außerordentlich routinierter Individualist mit einer seltenen Einfühlungsbegabuug war, glaube ich immerhin, daß er diesen Leise-Effekten viele seiner Erfolge zu verdanken hatte. Was hat das alles mit der Buchreklame zu tun?, wird sich ge wiß mancher Leser dieser Betrachtungen fragen. Nun mir scheint, daß die Verleger im Durchschnitt noch zu stark im Neklamejargon von gestern arbeiten, daß sie sich die Herstellung des psychischen Heilserums, das dem Krebsgeschwüre, nämlich der Luxusvorstellung vom Buch, den Nährboden nehmen könnte, zu wenig angelegen sein lassen, daß sie den Sinn der experimentellen Psycho logie noch nicht begriffen haben. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß die mit dem breiten Publikum arbeitende Buchreklame sich auch i» dieser Beziehung neu cinstellt. Die Waschzcttelanpreisung. welche die elementarsten psychologischen Nutzanwendungen vermissen läßt und das Kollektiv-Interesse für das Buch als gegeben betrachtet, hat sich reichlich überlebt. Der Buchtitel, das Plakat und das Inserat von gestern tun es nicht. Damit wird die dem Buchkauf gegenüber indifferent eingestellte Masse nur schwerlich aus der Reserve hcrausgelockt, denn — man betrachte den zitierten Text der Zahnpasten-Neklamc — die zwingende Suggestion der unbedingten Buchkauf-Notwendigkeit. die raffinierte Anbahnung des gedanklichen Kontaktes, die Vermeidung der offenen Befehlsform vermißt man. Imperative wie »Das Buch muh jeder Gebildete be sitzen«, »Wissen ist Macht« gleichen nur zu sehr der nüchternen Ver balformel im Experiment »Schlafen Sie«. Das ist die plumpeste Form der Beeinflussung, der begriffsunbildungsfähige Befehl, der absolut nicht geeignet ist. die Suggestion in die Auto-Suggestion des Lesers umznwaudelu. Als ob sich von 1900 Lesern einer die Mühe nehmen würde, über die Problematik des Satzes »Wissen ist Macht« tiefgrün dige Erörterungen anzustellen, oder sich Vorwürfe machte, daß er nicht zu den Gebildeten zählt, wenn er nicht dieses oder jenes Buch besitzt! Wo ist der Verleger oder die Verlegergruppe, die unaufhörlich für das Buch schlechthin in der verhüllten, einschmeichelnden, raffi nierten Form wirbt, die dem Gerede, daß bas Buch ein Luxusartikel sei, mit wirksamen Waffen cntgegcntritt? Es sind nur verschwindend wenige Ausnahmen, die in der Anpreisung von einigen Sprach- und Gedächtnismethodcn (Langenscheidt. Poehlmann) zu finden sind. Ich könnte mir vorstellen, daß man — mit dem Menzschen »Was weißt du vom Buch« ist schon ein Anfang gemacht — systematisch und in Gemeinschaft mit den Bibliotheken die Verhältnisse auch in Deutsch land zu schaffen sucht, die H. Escher in seinem Berichte über ameri kanisches Bibliothekswesen andeutet: daß in Amerika schon der Schüler anfängt zu erkennen: im Buche findest du den Ratgeber, den du in den verschiedensten Lebenslagen brauchst. Ebenso, daß der Erwachsene damit durch die von Jugend auf vorhandene Bekanntschaft mit Nachschlage werken eine größere geistige Beweglichkeit im Herausfinden des für jeden Fall geeigneten Buches erlangt als der Durchschnitt bei uns. Ich könnte mir vorstellen, daß Ncklamefachleute und Psychologen von Rang mit der Abfassung von Inserattexten betraut werden, mit deren Inhalt die Notwendigkeit geistiger Entspannung, der gedanklichen Erholung von allen möglichen Gesichtspunkten aus beleuchtet, begrün det und nochmals begründet wirb, mit denen eine ganze Folterkammer von Psychosen geöffnet wirb, die zeigt, wohin verbohrte, von nichts
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