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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.01.1912
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- 1912-01-02
- Erscheinungsdatum
- 02.01.1912
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12 BSrlenblatt 1 d. Dgchn. Buchhandel, Nichtamtlicher Teil, /G 1, 2, Januar 1912. die Schergen der Regierenden sorgten dafür, daß sie nicht allzu laut und ja nicht öffentlich gefordert wurden. So blieb dem emporkommenden Bürgertum, dem man jedes öffentliche, jedes politische und allgemeine Denken zu verleiden wußte, nichts anderes übrig, als Wissen und Bil dung zu sammeln. Dieser Bildungsdrang, der nach allem, was es Lernenswertes gab — von der Hegelschen Philosophie bis herab zu dem Versgeklingel der Taschenbuch- schreiber — gierig griff, ist nicht selten ausgeartet zu einer Bildungsphilisterei, die aus dem süßlichen Getue der ästhetischen Tees bekannt genug ist. Allein es ist begreiflich, daß eine Zeit, die als Repräsentanten Ilniversal- geister wie Goethe oder Alexander von Humboldt vor sich hatte, deren Chemiker das menschliche Eiweiß oder die organischen Verbindungen entdeckten, deren Ingenieure die ersten Eisen bahnen und umwälzende Fabrikationsmaschinen bauten, das Wissen als Macht, wenn nicht gar als höchste Macht schätzen lernte. Wissensquellen sind, abgesehen von Vorträgen und Vor lesungen, in erster Linie die Druckwerke. Buchhändler, die sie vermitteln konnten, gab es außerhalb der eigentlichen Meß plätze nicht allzuviele. Vordem war ja der Bedarf an Büchern gering. Der Adel, der die Macht besaß, scherte sich wenig um Geschriebenes und Gedrucktes. Und der Büchervorrat des Bürgers beschränkte sich in den meisten Fällen wohl auf das, was etwa Karl Rosenkranz im väterlichen Hause sah: Kalender, Kochbuch, Gebetbuch, Rechenknecht, allensalls noch eine Predigtsammlung und ein Liederbuch. Sogar die Bibel fehlt in dieser Reihe. Der Rationalismus hatte sie wie ein aus der Mode gekommenes Buch in Mißkredit gebracht. Ludwig Richter war 22 Jahre alt geworden, als ihm überhaupt zum erstenmal eine Bibel zu Gesicht kam; aus einer Schulkonferenz der Nassauischen Lehrer wurde 1834 der Vorschlag gemacht, die Bibel aus den Schulen wegzulassen, und in dem dogmatischen Seminar der Universität Halle wurde die Ansicht verteidigt, nicht mehr über Texte der Bibel zu predigen, da sie Dinge enthalte, die in die neue Zeit nicht mehr paßten . . . Mit den Freiheitskriegen war auf einmal der Bildungshunger, die Lesewut da. Der Andrang zu den Schulen wächst und nötigt überall zur Gründung neuer Unterrichtsanstalten. Alle, Kaus- leute und Handwerker, elegante Müßiggänger ebenso wie die Frauen wollen sich einer möglichst umfassenden, möglichst allgemeinen Bildung bemächtigen. Damit waren allenthalben sür Buchhandlungen und Leihbibliotheken aussichtsvolle Ent- stehungsmöglichkeiten gegeben. 1817 gründete z. B. der Buchbinder Ollweiler die erste Leihbibliothek in Darm stadt, deren 10 000 Bände, wie Gervinus sagt, die Stadt ihre Einführung in die Breite der literarischen Welt dankt. Da die Opfer für den einzelnen zu groß gewesen wären, werden Lesegesellschasten, Museen usw. geschaffen. So das von Joses Mendelssohn in der Berliner Börsenhalle be gründete Lesezimmer, so in Halle das von Pros. Blume im Ratskeller eingerichtete Lesemuseum, so die Institute von Arnold Rüge in Dresden, von Georg Wigand in Leipzig oder die Gießener Lesehalle. Die neuen Konditorstuben wurden der Journale wegen der Tresspunkt der eleganten Welt. Disputiervereine, in denen vorgelesen und das Gelesene besprochen wurde, entstanden hinter jedem Stammtisch. In den Salons gab es nichts als Literatur. Jeder, der sich da zum Tee einsand, fühlte sich ja halb und halb als Dichter. Die Schuljungen, die Stutzer, Kausleute und Gelehrte, Ma damen und Mamsells, jedermann machte Reime. Der Ber liner Bierbrauer Daniel Josty gab 1838 ein Bändchen mit dichterischen Einfällen in drei Sprachen heraus. Und von dem Maler Samuel Rösel berichtet Schadow, daß er überhaupt nicht mehr anders als in Versen sprechen oder schreiben konnte. Das hatte, wie Boehn sagt, eine poetische Pest im Gefolge, die in den Gefilden der Dichtkunst wie eine Seuche grassierte. Nie und nirgends vielleicht sind so viel Verse gedruckt worden, als im Deutschland der zwanziger und dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts, nie aber waren die Großen soweniggeachtet wie damals. Schlegel sagte spöttisch, Deutschland besitze zwar berühmte Schriftsteller, aber man lese sie nicht. Lessing war vergessen und wurde wie ein Phi lologenobjekt mit Lesarten, Scholien usw. ediert. Bon Schiller sprach man nach Laubes Zeugnis überhaupt nicht. Erst als Cotta eine billige Gesamtausgabe seiner Werke herausbrachte, wurde er — vielleicht nur, weil seine Dichtungen der politischen Stimmung nach der Julirevolution eine so starke Resonnanz gaben — begeistert ausgenommen. Goethe, den man nicht so einfach vergessen konnte, weil er noch Jahr um Jahr durch neue Schöpfungen sich bemerkbar machte, sah sich von allen Seiten angefeindet. Bezeichnend ist eine Anekdote Zelters: Als 1816 beim Fürsten Anton Radziwill in Berlin eine Faust- aufsührung vorbereitet werden sollte, stellte sich heraus, daß von all den anwesenden Prinzen, Fürsten, Grasen und Herren keiner das Gedicht kannte, keiner ein Exemplar desselben besaß, und daß auch bei Berliner Buchhändlern keines aufzutreiben war. Mit dem Konversationslexikon hätte das — wenn die Auslage nicht gerade vergrissen war — gewiß nicht geschehen können. Das Konversationslexikon ist das ureigenste Gewächs dieser bildungsbeflissenen Zeit. Jedem, der sich über irgend etwas mühelos orientieren, der in Gesellschaft oder im Diskutierverein mitreden wollte, gab es schnellste Auskunft. Eine Welt, in der, wie Ludwig Richter sagte, viele vielerlei zu wissen trachten, mußte es schassen. Es war wohl schon 1796 von einem Doktor Löbel begonnen worden, aber eine rechte Durch schlagskraft bekam die Sache erst, als Friedrich Arnold Brock haus die Idee in die Wirklichkeit umsetzte. In diesem Jahr kann das Brockhaussche Lexikon auf ein hundertjähriges Bestehen zurückblicken. 1812 war es beendet, im gleichen Jahre mußte noch eine neue Auflage veranstaltet werden, der schnell weitere folgten. Josef Meyer in Hildburghausen folgte ihm in den dreißiger Jahren mit seinem noch größer angelegten, vorwiegend sür die gebildeten Stände bestimmten Lexikon. »Der Gebildete unserer Tage«, erklärt er im Vorwort zu den, ersten 1839 erschienenen Band, »muß mit allen Haupterschei nungen der Philosophie, Theologie und Literatur, de» riesen haften Fortschritten in der Industrie, mit den Entdeckungen in der Natur und Völkerkunde, der Politik, dem großen Schatz der Geschichte und noch hundert anderen Dingen wohl bekannt sein oder doch imstande sein, sich das Wissenswertest« in jedem Augenblick zu vergegenwärtigen.« Und der Gebildete bestätigte diese Meinung durch die Ausnahme, die er diesen und anderen Enzyklopädien angedeihen ließ. Der gleichen Gier nach allseitigem Wissen sind d i c zahllosenklbersetz ungen aus aller Herren Sprachen zuzuschreiben. Man wollte universell sein, wollte teilhaben an allen Kulturen, wollte die Literaturen der Italiener, Spanier, Portugiesen, Chinesen und Inder ebenso genießen wie die der Griechen und Römer, Franzosen und Engländer. Man übersetzte Hafis und Firdusi so gut wie die Edda und Sakuntala. Goedeke konnte spötteln, ein Fremder brauche jetzt nur noch deutsch zu lernen, um sich die Literaturen aller Völker und Zeiten aneignen zu können. Aber dieser Leiden schaft verdankt doch das deutsche Volk eine beispiellose Ver trautheit mit allem Geistesgut der Welt. Durch eine klber- setzertätigkeit, wie sie Aug. Wilh. Schlegel oder Friedr. Tieck entfalteten, wurden uns Shakespeare und Calderon, Dante und Corneille doch erst wirklich erschlossen. Dieses an der ganzen kkbersetzerei so deutlich zu beobachtende Neben einander von wertvollen Antrieben und
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