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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.01.1912
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1912-01-04
- Erscheinungsdatum
- 04.01.1912
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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148 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ S, 4. Januar 1S12. Nichtamtlicher Teil. Im Laden. Ebenfalls eine Weihnachtsgeschichte und ein Seitenstück zu »Vor dem Schaufenster«. (Vgl. BB. ISll, Nr. 298) Die kleine Geschichte von dem heroischen Entschluß eines Verlegers, drei bei ihm bestellte Exemplare eines Traum buches dem Sortimenter persönlich zu überbringen, um dadurch vielleicht noch eine Menge anderer Artikel abzusetzen, ist in der Tat sehr niedlich erzählt; daß es nun gerade ein Traumbuch sein mußte, das sich der Sortimenter Walch in der Weihnachtszeit bestellte, sogar in gebundenem Zustande, läßt mich vermuten, daß auch andere Leser von derhübschen Phan tasie des Erzählers mehr überzeugt gewesen sein werden, als von der buchstäblichen Wahrheit seiner Geschichte. Vor dem Schaufenster! Wir Sortimenter, die dahinter sitzen, stehen, laufen, die auf dis Leiter steigen, haben natürlich keine Ahnung, was sich alles vor den großen Spiegelscheiben auf der Straße abspielt. Was da vom lieben Publikum gesprochen, vielleicht auch bekrittelt wird — wir hören's nicht! Mitunter allerdings kommt jemand in den Laden, fragt nach einem Buche im Schaufenster und gibt dann seine Meinung zum besten. Das Studium von Buchtiteln bereitet natürlich auch Enttäuschungen, so Laß der Käufer als Nicht käufer das Lokal verläßt. So ist es z. B. einmal passiert, daß jemand sich das im Schaufenster ausgestellte Buch von Lhotzky: Der Weg zum Vater vorlegen ließ, sich alsdann andächtig darin vertiefte, zum Schluß aber dem Sortimenter sagte: »Entschuldigen Sie, daß ich Sie vergeblich be mühte, aber ich hatte etwas ganz anderes erwartet. Ich bin nämlich schon sechs Jahre verheiratet und dachte mir, da ich keine Kinder habe, daß vielleicht dieses Buch mir raten könnte!!« Diese unglaublich klingende Geschichte ist buchstäblich wahr — allerdings ist es keine Weihnachtsgeschichte. Da ich eine solche aber doch erzählen wollte, komme ich nunmehr zur Sache. Es war am Freiiag, den 15. Dezember. Der große Leipziger Journal-Eilballen! Die Hälfte meines sechsköpfigen Personals ist unterirdisch in fieberhafter Tätigkeit. Der Ballen ist um 9 >/z Uhr eingetroffen und bis 2 Uhr müssen die überseeischen Kreuzbandsendungen (in großer Zahl!) fix und fertig bei der Post eingeliefert sein. Zu ebener Erde (im Laden) bin ich mit der anderen Hälfte des Personals ebenfalls in fieberhafter Tätigkeit, denn das Publikum strömt in Hellen Scharen herein, und will prompt bedient sein. Warum muß gerade heute, am Freitag, das Gelaufe sein!? Müßige Frage, auf die nur ein Narr Antwort begehrt. Soeben Habs ich mit einem Kunden ein hübsches Geschäft abgeschlossen und begleite ihn bis an die Tür. Der Kunde tritt artig zurück, weil gerade eine ältere Dame auf der Schwelle erscheint. Sie spricht mich an: »Sie wissen, daß ich meinem Sohn jedes Jahr ein hübsches Buch zur Weihnacht schenke — was können Sie mir empfehlen?« »Gnädige Frau, ich habe etwas ganz Besonderes für Ihren Herrn Sohn.« »Und das wäre?« »Goethes italienische Reise mit seinen und den Zeichnungen seiner Freunde und Zeitgenossen. Das Buch wird in den nächsten Tagen eintreffen, es erscheint in dem rühmlich bekannten Jnselverlag und wird mit großer Spannung erwartet. Der Preis beträgt zwar 40 resp. KO ^ in Ganzleder,' aber das Werk wird ca. 200 Abbildungen enthalten, es handelt sich hier um ein Monumentalwerk allerersten Ranges». »Sehr gut, senden Sie mir gleich nach Ausgabe ein Exemplar zu 40 ^.« — Dieses Geschäft wurde am 15. Dezember ab geschlossen. Der Herr Sohn kam einige Tage darauf zu mir, sah das inzwischen eingetroffene herrliche Buch und sagte: »Das empfehlen Sie nur meiner Mutter!« — Was geschah nun aber am 27. Dezember? Die Mutter brachte das Monumentalwerk zurück und bemerkte: »Mein Sohn wird sich etwas andres aussuchen, das Buch gefällt ihm nicht — es ist ja auch schon ver- altetüi« Ja, ja, die Enttäuschungen, sie ereignen sich vor und hinter dem Schaufenster! Das Umtauschen der Bücher wird heute von einem Teil des Publikums ge radezu sportmäßig betrieben. Ob etwas überhaupt auf Um tausch gekauft ist oder nicht, das ist ganz gleichgültig — das Publikum hat das Recht, umzutauschen! Wer als Sorti menter dieses Recht antastet, kann fast immer mit dem Ver lust einer Kundschaft rechnen! Immerhin gibt es auch noch lobenswerleAusnahmen. So habe ichz.B. einem guten undlieben Kunden, der diesmal für über 200 Weihnachiseinkäufe machte, u. a. auch ein kleines Büchlein für 4 »H verkauft. Er erschien auch am 27. Dezember und sagte mir: Das kleine Buch für 4 hat mir meine Nichte zurückgegeben, weil sie es schon besitze. Ich behalte es aber für mich, muß also etwas anderes haben. Und dann kaufte er die reizende Ausgabe von Musäus Volksmärchen in fünf Bänden für 16 Solche Kunden sind aber sehr, sehr selten! Ich könnte leicht noch eine Anzahl von kleinen spaßhaften Vorkommnissen, die sich im Dezember bei mir abgespielt haben, hier vortragen, aber das ist nicht meine Absicht, sondern ich möchte einmal versuchen, ein kleines Gesamtbild zu zeichnen von dem Leben und Treiben im Laden eines Sortiments zur Weihnachtszeit. Früher als sonst setzte diesmal der Verkehr ein. Schon in der zweiten Hälfte des Novembers erschienen manche gute Kunden, mit denen man in aller Ruhe sprechen konnte. Nicht ohne Einfluß ist dabei gewesen, daß ich um Mitte November ein gedrucktes Rundschreiben an 200 sorgfältig ausgewählts Kunden verschickte, worin ich der Bitte Ausdruck gab, die Weihnachtseinkäufe nicht bis zum letzten Augenblick hinauszuschieben. Allerdings habe ich mir kxinen allgemeinen Erfolg von diesem Rundschreiben versprochen, weil es er fahrungsgemäß sehr viele Menschen gibt, die immer erst in den letzten 4—5 Tagen vor dem Fest erscheinen. Trotzdem habe ich bei einer nicht kleinen Zahl von Kunden Erfolg gehabt. Der Hauptverkehr fand jedoch auch in diesem Jahre in der letzten Woche statt. Da herrschte mitunter sogar ein Gedränge im Laden, der für 51 Wochen wohl groß genug, für die eine Woche jedoch viel zu klein ist. Mancherlei Enttäuschungen sind auch hier ein unvermeidliches Übel. Kommt z. B. eine hochfeine Dame herein, der man ohne weiteres einen großen Einkauf zutrauen darf. Aber sie legt 20 H auf den Ladentisch und bittet um ein Rcclamheft! Dann ein anderer Fall: Die Tageszeitungen haben die Besprechung eines soeben erschiene nen hochinteressanten Buches gebracht und einige zugkräftige Stellen daraus abgedruckt. Das Buch wird nun im Trubel des Weihnachtsgeschäfts verlangt, oftmals mehrfach an einem Tage — aber das Buch ist im Buchhandel noch gar nicht ausgegebenl! Kann man es da dem Sortimenter verdenken, wenn er voll Ingrimm dem Verleger eine Postkarte schreibt!? Es scheint fast, als ob manche Verleger nicht wissen wollten, was sie mit der vor zeitigen Versendung von Rezensionsexemplaren anrichten! In unserer raschlebigen Zeit fragt kein Mensch zum zweiten Male nach einem Buche, die Sache ist eben abgetan. Im übrigen ist es, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmesällen,
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