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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.08.1924
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- 1924-08-25
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- 25.08.1924
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10SSK»SrIN,blatI I. d. Dtlchu. vuch«»ndu. Redaktioneller Teil. X- ISS, 25. August 1924. guten Literaturwerk ist diese nicht wesentlich (in streng wörtlichem Sinne), sondern nur Gerippe. Man denke an den »Nora«-Film Berthold Viertels. Da wurden durch den Zwang zur pantomimischen Vereinfachung alle Motive Ibsens roh, Zusammenhang- und geistlos; ein grauenerregender Dialog in den Zwischentextcn tat dann noch ein übriges! Nein, der Film hat nichts zu schaffen mit wirklicher Literatur, aber auch gar nichts! Gedankliche Tiefe, Feinheit und Kraft des Wertausdrucks find Vorbedingungen für den Wert des Buches; psychologische Begründung der Handlung (also physische Konflikte nur als Folge von psychologischen), gute Bildwirkung in Verbindung mit rhythmischer Bilderführung, Feinheit desGesichts ausdrucks und der Gebärde ergeben den künstlerischen Film. Ein gutes Literaturwcrk, also ein solches, das nicht Interesse hauptsächlich durch seine Fabel erweckt, mutz darum in der Regel zur Verfilmung ungeeignet sein. Aber Unterhaltungs-Romane und -Erzählungen von Jules Verne, Karl May, Otto Soyka . . . warum nicht? Sie bieten für den Spielfilm, der nur amüsieren will, ohne Zweifel durch, aus geeignete Grundlagen, ebenso die meisten Ullsteiubücher. »vr. Mabuse- und »Die Prinzessin Suwarin« z. B. waren für die Verfilmung geradezu Prädestiniert, doch boten beide — ab gesehen etwa von ihrem Werte als Zeitgemälde — keineswegs irgend etwas Positives. Im Grunde handelt cs sich hier um genau den gleichen Filmtypus, mit dem das Kino ansing, zu jener schönen Zeit, als es noch »Kientopp« hietz und das Pan optikum besonders der ohne Buch Lebenden darstellte. Damals war, war symptomatisch ist für den Film als Produkt unserer kulturellen Entwicklung, der Held fast aller Kinostücke der uner schrockene Beschützer der Geldschränke, der heilige Ritter Georg des Kapitalismus: der Detektiv. — Mit dem klassenlosen Kinopublikum späterer Jahre kam dann die Verfilmung jener »Literatur«, die man am besten durch den Namen Courths-Mahler umschreibt, wobei übrigens häufig die Filme bei guter Darstellung und äußerer Gefälligkeit (als Schleier christlicher Nächstenliebe) besser waren als die Origi nal-Fabrikate der grotzen Hedwig. Proportional mit dem weiteren »Kapital-aufschwung des Films wuchs aber auch die Erkenntnis, daß die Wirkung eines wirklich schlechten Kinostücks weitaus verheerender ist als die eines verlogenen Romans. Einem Teile der Intellektuellen wurde allmählich die Existenz des Films und die Verantwortung für seine Ent- Wicklung bewußt. Auf der Suche nach Stoffen stürzte sich nun der Film auch noch auf die Literatur ohne Anführunqs- striche, was ihm trotz des gezeigten Widersinns einer solchen Verbindung noch weitere Volkskreise zugeführt haben dürfte. Gegenwärtig aber befindet sich der Zwitter »Literarischer Film- doch aus dem Aussterbeetat. Was setzen wir an seine Stelle? Nach diesem Neuen, nach dem Film und dem Filmspiel schlechthin, suchen heute d i e Filmleute, die sich auch aus inne rem Berufe dem Kino zugewendet haben. (Es sind leider nicht allzuviele!) Der Film soll sich nach ihrem Willen mit der Dar stellung der Äußerlichkeiten des Lebens nicht mehr begnügen; er soll sich nicht auf den heutigen Durchschnittsgeschmack (teil weise die Folge bisheriger Kinosünden) einstellen, sondern da nach streben, durch Wahl und Behandlung der Bildinhalte künst lerische und sittliche Eigenwerte zu geben. Hoffnungsvolle Ansätze — die viel mehr Unterstützung verdienten — sind in den durchaus neuartigen Lichtspielen Karl Grünes, z. B. »Schlagende Wetter- und »Die Straße-, Carl Mayers »Sylvester» und man chen anderen schon vorhanden. Wesentlich an diesen Filmen ist, um nur etwas herauszugreifen, daß auch die Dinge Gesichter haben, nicht bloße Kulisse sind, sondern die »Handlung« mit bestimmen. (Übrigens ist das sehr interessante Manuskript des »Shlvester--Films — nicht umgearbeitet — auch in Buchform erschienen.) Und da nun der Film als V o l k s k u n st zu seiner Entwick lung der — wenn auch indirekten — Mitwirkung weitester Kreise bedarf, sollten sich auch diejenigen ihm gegenüber nicht ableh- nend verhalten, die sonst gern ihre eigene Bedeutung für die geistige Erziehung der Allgemeinheit betonen. Für jeden »Ken ner« bestehen keine Zweifel darüber, daß der Film zu einer eige nen, größte Möglichkeiten bietenden Kunst werden kann und datz er überdies wertvolle Arbeit an geistiger Bodengewinnung zu leisten vermag, indem er durch Wahl und Behandlung seiner Themen zum Nachdenken über der Alltäglichkeit sernlicgendc Fragen zwingt. Wer die dem Lauf bilde noch anhaftenden Mängel nicht im großen Kulturzusammen- hange sieht und nicht unter dieser Perspektive die Bedürfnisse des Films für die Zukunft folgert, wird ihm jedenfalls nicht gerecht! . Gleichgültigkeit dem Film gegenüber- ist aber auch töricht, denn sie beruht auf Unverständnis für die Bedeutung, die er schon jetzt für die Volksbildung, in Politik mW Wirtschaftsleben, organisatorisch, technisch, kunst- und kulturgeschichtlich besitzt — und in weit erhöhtem Maße besitzen wird. Der Film ist heute — mag man das bedauern oder nicht — eine so allgemeine, sozial und psychisch derart tiefwirkende Tat sache, daß sich auch der Buchhandel — und gerade er — gründ lich mit ihr zu beschästigen hat. Einige Zahlen: Nach einer Berechnung in Kürschners geographisch-statistischem Handbuch von 1914 wird ein einziger Film von durchschnittlich 12 285 009 Menschen betrachtet. Das war vor 10 Jahren; heute dürften es etliche Millionen mehr sein, schon infolge der längeren Lebensdauer des Filmmaterials! Laut sogenannten »amtlichen- amerikanischen Berechnungen (amerikanische Statistiken sind bekanntlich oft ziemlich »groß zügig«, doch haben in diesem Falle private Feststellungen zu ungefähr gleichen Resultaten geführt!) beträgt die durchschnitt liche wöchentliche Besucherziffer der etwa 14 000 nordamerika nischen Kinotheater rund 50 Millionen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß dort eine erheblich große Anzahl von Unter nehmungen neben ihren Filmvorführungen auch Varietö-Vor- stellungen veranstalten, daß die Spielzeit viel länger ist als bei uns und daß manche Theater ihr Programm täglich wechseln. Im Jahre 1923 hat das amerikanische Volk ungefähr (eher mehr als weniger) 400 Millionen Dollars für Kinokarten aus- gegeben. Die von Anfang Juni 1923 bis Ende Juni 1924 für die Herstellung neuer amerikanischer Filme aufgcwandte Summe beläuft sich auf etwa 200 Millionen Dollars. Das in den ame rikanischen Kinotheatern investierte Kapital wird auf annähernd I Milliarde Dollars, das in der amerikanischen Filmindustrie überhaupt angelegte Kapital auf etwa lj/2 Milliarden Dollars geschätzt. Obschon die amerikanische Filmindustrie, die zu fast drei Vierteln die ganze Erde mit ihren Bildstreifen versorgt, die be deutendste ist, lassen sich nach den gemachten Angaben doch einige Rückschlüsse aus die Verhältnisse bei uns ziehen. Es gibt meines Wissens auch bei uns leider noch keine ganz genauen Statistiken Lus diesem Gebiet: immerhin sind wir noch nicht »so weit- wie die Amerikaner. Wir verfügen in Deutsch, land »erst- über 3543 Kinos mit einem Gesamtfassungsvermögcn von etwa l Million. Bei drei bis vier Vorstellungen pro Tag und nur 2/, vollen Häusern kommt man aber zu der auch ganz beachtlichen wöchentlichen Besucherziffer von über 16 Millionen. Jeder vierte Deutsche im Reich geht somit durchschnittlich 52mal im Jahre ins Kino! Man kann darum behaupten, daß Sinn und Seele, Geist und Gemüt des Volkes zum großen Teil im Kino befruchtet und ge staltet werden. Damit ergibt sich auch die ganz unermeßliche Bedeutung des Films für die Propaganda (im weitesten Sinne). Für diese Bedeutung ist neben der ungeheuren Verbreitung des Kinos auch der Umstand sehr wichtig, daß der Film weder Idiom ist, noch Dialekt hat, daß man vielmehr in dieser sicht baren Sprache zu Dualas wie Deutschen, zu Armeniern wie Amerikanern gleichermaßen zu reden vermag. Als bestes Welt- beeinflussungsinstrument kann der Film Brücke zu allen sein, kann er ebenso im gegenteiligen Sinne wirken. Die Kriegsjahre haben uns das letztere ja zur Genüge klargcmacht. Als ein typi sches Beispiel derartiger Propaganda möchte ich hier lediglich den monumentalen, mit einem Kostenaufwand von über 1 Mil-
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