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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1905
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1905-05-06
- Erscheinungsdatum
- 06.05.1905
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- Deutsch
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4812 Nichtamtlicher Teil. 104, 6. Mai 1905. Nichtamtlicher Teil. Der unsittliche Vertrieb im Buchhandel. Es bedarf keiner näheren Ausführung, daß es in Deutschland zahlreiche Buchhandlungen gibt, deren Vertrieb mit Recht Anstoß erregt; daß die Strafgesetze völlig aus reichen, um die Verbreitung objektiv unsittlicher Werke zu unterdrücken; daß die Staatsanwaltschaft eher zu viel als zu wenig eingreift; daß man mit Polizeimaßregeln die Sittlich keit nicht erhalten kann; daß der Staat trotz alledem einem zweifellos gefährlichen und schädlichen Treiben nicht beikommt; daß große und einflußreiche Kreise mit Maßregeln umgehen, die in dieser Richtung auch fast nichts nützen, wohl aber Kunst und Wissenschaft, Verlag und Sortiment, Ehr lichkeit und wahre Sittlichkeit empfindlich schädigen werden. Wir sind alle einig, daß etwas getan werden muß. Die Verständigen sind einig, daß die Strafjustiz aus dem Spiel bleiben soll, schon deswegen, weil unsre armen Richter und Staatsanwälte sich nicht zu ihrer Freude heute schon gerade oft genug blamieren müssen. Der Buchhandel sollte einig sein, daß er nur durch Selbsthilfe das Eingreifen des Staates sernhalten kann, und daß seine Selbsthilfe tatsächlich das wirksamste Mittel ist. Ich will hier nicht die oft aus gesprochenen Ermahnungen zur Selbstdisziplin des Einzelnen wiederholen; sie werden bei den schlechten Elementen doch versagen. Da hilft nur die Anwendung der Machtmittel unsrer kraftvollen Organisation. Was können wir nun tun? Besondere Maßnahmen gegen die Produktion und Ver breitung objektiv unsittlicher Werke braucht der Buchhandel nicht erst zu ersinnen. Wie oben bemerkt, genügt das Straf gesetz. Dazu treten die bereits getroffenen Einrichtungen des Börsenvereins, und mittelbar wirken hier auch die nach genannten Vorkehrungen ein. Die Frage, die bei der öffentlichen Erörterung des Kampfes gegen die Unstttlichkeit in Literatur und Buchhandel viel zu wenig beachtet wird, lautet; Wie kommt es, daß bei ausreichender Gesetz gebung gegen unzüchtige Schriftwerke und Druckerzeugnisse, bei reichlichster, oft übertrieben strenger Anwendung des Strafgesetzes auch nach der Ansicht kunstsinniger Menschen, die in der Schönheit des Menschenleibes den höchsten Gegen stand der Kunstsmpfindung erblicken, ganz unbefriedigende Verhältnisse bestehen und ein entsittlichendes Treiben ge statten? Die Antwort ist einfach: Das Gesetz richtet sich mit vollem Recht nur gegen die Herstellung und den Vertrieb objektiv unsittlicher Werke, also gegen die llnsittlichkeit des Werkes selbst, während in zahllosen Fällen die Unsittlichkeit gar nicht im Werk, sondern in der Art der Herstellung und des Vertriebs liegt. Die Ausdehnung des Strafgesetzes in dieser Richtung ist aber unbedingt abzulehnen, weil hier die Technik der Strafjustiz versagen muß und Zustände eintreten würden, die noch schlimmer wären, als unter der lächerlichsten lsr Heinze. Hier muß also die Selbsthilfe walten. Der Fall, wo die Unsittlichkeit in der Herstellung des Werkes beruht, ist hauptsächlich dann gegeben, wenn Titel, Umschlag, Stil einen unsittlichen, d. h. nicht auf künstlerische Wirkung, sondern Erregung gewisser Neigungen zielenden Inhalt vermuten lassen. Der Käufer ist betrogen und enttäuscht; aber er kaust und liest das Buch mit den Gefühlen, die ein Kunstwerk nie erregen wird. Das Werk fällt auf und wirkt verderblich. Gelegentlich kann man hier mit dem Strafgesetz beikommen. Dagegen versagt die Justiz meist völlig in den allerbedenklichsten Fällen, wenn nämlich die Art des Vertriebs an sich nicht unzüchtiger Werke unsittlich ist und auf den Sinnen kitzel spekuliert. Da sind die pikanten Anpreisungen, die Zusammenstellungen aller möglichen und unmöglichen Werke zu einer Gruppe in tendenziösem Sinn. Da ist die populäre Wissenschaft, die alles andre soll, als wissenschaft lich belehren, selbst wenn das Werk dafür geschrieben ist. Da sind die Aktsammlungen >nur für Künstler«, oft herrliche Sachen, die infolge der Art ihrer Anzeigen gerade den Un- künstlerischen in die Hände fallen sollen. Da find die Prospekte mit Reproduktionen des uu kennoin, teilweise erbärmliche Abdrucke von Meisterwerken der Komposition und der Lichtbildkunst, deren künstlerische Wirkung durch einen sogenannten Fleischton auf das roheste verdorben und in das lüsterne Gegenteil verkehrt wird. Gestatten Sie mir den Anlaß zu diesen rasch hin geworfenen Zeilen darznlegcn. In meiner früheren Richter stellung hatte ich die bekannte Petition um Aufhebung des Z 17S des Strafgesetzbuchs unterzeichnet, aus wohlerwogenen juristischen Gründen Daraufhin schickt mir vor einigen Tagen eine Berliner Versandbuchhandlung ein Zirkular mit Prospekten aller möglichen, teils wissenschaftlich und künst lerisch ernst zu nehmenden, teils minderwertigen Werke. Das Schreiben ist hochachtungsvoll und bietet nicht die leiseste Handhabe für eine Beleidigungsklage. Allein der Ton, — vt o'est lö ton gut kait ilt musiguel — die Zusammenstellung der Bücher und Bilder, die Art der Anpreisung, kurz die Im ponderabilien sind doch so, als gehörte der Empfänger zu den Herrschaften, die um Aufhebung des S 175 bitten, weil er ihnen persönlich unangenehm werden könnte. Gibt es nun nicht auch andre Leute, als die verdorbenen Wissen schaftler des Humanitären Komitees, denen solche Prospekt sammlungen mehr oder minder zufällig zugehen? Gibt es nicht noch viel bedenklichere Manipulationen mit ernsten und existenzberechtigten Werken? Nach dieser Abschweifung wollen wir zum Gegenstand zurückkehren und sehen, was für Vorschläge zur wirksamen Selbsthilfe sich auf den ersten Blick bieten. 1. Wir sollten ein Ehrengericht bilden, sei es, daß mait den Vereinsausschuß dazu ernennt, sei es, daß man eine eigne Richterkommission erwählt, die nach Anhörung des Beschuldigten und Prüfung des Materials ausspricht: »Der Buchhändler T. hat durch unsittlichen Vertrieb bezw. Her stellung oder Vertrieb unsittlicher Werke sich gegen die Standesehre vergangen». Daß das Gericht aus freien, künst lerisch gesinnten, warmblütigen und sachverständigen Männern bestehen muß, ist selbstverständlich; daß es das Gutachten vornehmer Künstler, ernster Gelehrter und edler Frauen er heben soll, ist wünschenswert in zweifelhaften Fällen. An klagen mag jeder aus dem Volke, Berufsgenosse oder sonst ehrenhafter Mensch. Das Ehrengericht wird bald eine gewichtige Autorität im Publikum und bei den Behörden erringen. 2. Die Zwangsvollstreckung ist abzustufen nach der Schwere des Falls und dem Vorliegen der Rückfälligkeit. Von der Warnung und Friedensbürgschast geht die Leiter bis zum Boykott. 3. Die Missetäter sind — etwa für alle nach dem 1. Januar 1906 begangenen Verfehlungen — in ein auf der Geschäftsstelle des Börsenvereins aufliegendes und periodisch im Börsenblatt zu veröffentlichendes »Verzeichnis der Firmen mit unsittlichem Vertrieb- einzutragen. Diese Liste wird gewiß unter irgend einem derben Scherz namen bald populär werden und mehr helfen, als irgend etwas andres. Man teile sie allen Buchhändlern mit, wie die Wirte die Säuserverzeichnisse erhalten. Man stelle sie der Tagespresse zur Verfügung, gebe sie auf Wunsch an
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