Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.07.1884
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1884-07-14
- Erscheinungsdatum
- 14.07.1884
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18840714
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-188407148
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18840714
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1884
- Monat1884-07
- Tag1884-07-14
- Monat1884-07
- Jahr1884
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ I6S, 14. Juli. Z Nichtamtlicher Theil. wenn auch nur oberflächlich, führt naturgemäß zur Leihbibliothek, der jedoch diese Classe seit je angehörte. Wenn auch die pecuuiären Verhältnisse diesen Leihbibliotheks kunden gestatten würden, den Bedarf deni Buchhandel zu ent nehmen, so liegen doch schwerwiegende Gründe dagegen vor. Kann man täglich sowie zur Leihbibliothek zur Buchhandlung um seinen Bedarf schicken? Vielleicht, wenn man sicher wäre, stets etwas Gutes zu erhalten; der Leihbibliothek sendet man das Mißfällige eben in der nächsten Stunde zurück. Der Bedarf ist zu massenhaft, und wenn gekauft, wohin endlich mit dem Wüste? Ein Buch nochmals zu lesen, kommt hier kaum vor; man liest es ja überhaupt nur, um es zu kennen, oder um einschlafen zu können. Außerdem ist hier die von Franzos geschilderte „Familie Meyer" zahllos vertreten. Vielleicht ändert sich das mit der Zeit, vielleicht gehört es in späterer Zeit mit zur Mode, Romane zn kaufen wie Gemälde und Sculpturen. So hat einerseits die Umwandlung unserer socialen Zustände ihren Einfluß auf den Romanabsatz geübt, andererseits hat der deutsche Verleger redlich nütgeholfen, denselben zu zerstören. Die seit Anfang der fünfziger Jahre allgemein gebräuchlich gewordenen Preisherabsetzungen haben dem Publicum jede Illusion von dem pecuniären Werthe eines Romans gründlich zerstört. In früherer Zeit betrachtete man eine nach und nach gesammelte Hausbibliothek als erspartes Capital, das, wenn auch nicht Interessen tragend, doch seinen Werth behielt, der im Nothfalle wieder flüssig gemacht werden, oder den Erben hinterlassen werden konnte. Es erzielten auch zu jener Zeit bei Verlassenschaftsversteigerungen Romane oft höhere Preise, als der ursprüngliche betrug. Mau lief mit einem Worte nicht Gefahr, seinen Besitz in Büchern über Nacht entwerthet zu sehen; und deshalb konnte es geschehen, daß, wie wir es erlebt, ein ehrsamer Tischlermeister sich die Romane Paul de Kock's nach und nach anschaffte, zuerst zu seiner Unterhaltung, und dann, wie er sagte, um sie seinen Kindern zu hinterlassen. Es fragt sich sehr, ob der Verleger früherer Zeit, der seine Verlagsreste dem Maculaturhändler verkaufte, nachdem er den Titel und ersten Bogen herausgerissen, nicht weit mehr im wohl verstandenen eigenen Interesse handelte als der heutige Verleger, der diese Reste entweder selbst oder durch die Exportbuchhandlung zu Schleuderpreisen auf den Markt sendet. Hierdurch hat sich der Verleger selbst das Absatzgebiet für seine Novitäten gründlich zer stört, wie er jetzt theilweise im Begriff steht, durch Verwendung eines unhaltbaren Papiers sich auch noch das Feld der Leihbiblio theken zu verschließen. Wenn wir trotzdem behaupten, daß nie mehr Romane gekauft wurden als zu unserer Zeit, so werden wir den Beweis weiter unten nicht schuldig bleiben. Hausbibliotheken werden allerdings nur noch in seltenen Fällen angelegt; die Freude hieran finden wir fast nur bei unserer Jugend, doch überdauert sie nicht das Gymnasium. Diese Hausbibliothek umfaßt meistens nur die Universalbibliothek, die zugleich dem Schüler treffliches Material zu seinen Studien bietet. Wir dürfen uns jedoch keiner großen Hoffnung hingeben, daß diese Gewohnheit der Knabenjahre sich auch beim Manne er halten werde. Während der Universitätsjahre vollzieht sich der Stoffwechsel, Buch in Bier, wobei die Erfahrung resultirt, daß das erzielte Quantum Bier in schreiendem Mißverhältniß steht zu den einstigen Auschaffungskosten der Bücher. Nach dieser Erfahrung beschließt der Jüngling, nur noch jene Bücher zu kaufen, die der Beruf erfordert. Höre man doch endlich auf mit Klagen, die an die falsche Adresse gerichtet sind, — erkenne man endlich, daß die Ursachen des Uebels bei Denen zu suchen sind, von denen die Klagen ausgehen! Haben wir vielleicht je gesehen, daß einer von Denen, die mit so großer sittlicher Entrüstung dem Publicum, dem Leihbibliothekar ihre Vorwürfe zuschleudern, selbst mit gutem Beispiele vorangegangen sind und Romane zu zehn bis fünfzehn Mark für eine Hausbibliothek gekauft haben? Was man selbst unterläßt, wofür man hundert Ent schuldigungsgründe für sich bereit hat, das glaubt man berechtigt zu sein, von Anderen verlangen zu können. Es ist ja unbestritten, daß der Literaturfreund Anlaß hat, über unsere unerquicklichen Zustände zu klagen; der Vergleich der selben mit denen unserer Nachbarn fordert gerade dazu heraus; indessen jene Klagen, wie wir sie hören, und jene Vorschläge, die ge macht werden zur Besserung, werden unfruchtbar bleiben, so lange nicht der Schriftsteller, der Verleger bei sich selbst beginn!, eine Reform unserer Zustände anzubahnen. Hierzu scheint uns jedoch bei keinem Theile die geringste Neigung vorhanden zu sein; im Gegentheil, eine wahre Verblendung im Verlage haben wir wohl erst noch recht zu erwarten. Trümmer und Leichen werden den Weg dahin be zeichnen, und wir selbst geben uns nicht der Hoffnung hin, daß diese warnenden Worte mehr Erfolg haben werden, als jene, die wir in der Broschüre „Die Schäden in der literarischen Production Deutschlands" im Jahre 1879 niedergelegt haben. Wenn uns nun die literarischen Zustände unserer Nachbarn jenseit des Rheines mit Neid erfüllen können, so erfaßt uns denn doch ein gelinder Schauder, wenn wir anseheu, was alles auf ihrem Markte erscheint. Wie selten ist ein gutes Buch darunter, und wie schnell und leicht bringt es ein Buch wie „Sarah Barnum" bis zu sechzig und hundert Auflagen! Die entsittlichende Wirkung einer solchen Literatur ist für uns Deutsche sicher nicht wünschenswertst. Für das qllgemcine Wohl und für den deutschen Bücherkäuser ist es jedenfalls von Vortheil, wenn derselbe, gezwungen durch die Ver hältnisse, bei seiner Wahl mit Vorsicht zu Werke geht und nur das an erkannt Gute kaust. Daß das Gute unter den neuen Erscheinungen zur Kenntniß der Bücherfreunde gelangt, dazu verhelfen die Leih anstalten besser als Kritik und Reclame, welche nicht unbedingt Vertrauen genießen. Wenn nun auch ganze Schichtender Bevölkerung sich den ständigen Romankauf versagen, wenn die Hausbibliothek auch mehr und mehr zur Seltenheit wird, so haben wir als Ersatz dafür andere Käufer, andere Methoden. Wir haben einmal den Gelegenheitskauf zu Geschenken und für die Reise. Sahen wir nicht, wie vor jedem Weihnachtsfeste der letzten Jahre der neue Roman von Ebers in vielen Auflagen für solche Zwecke gekauft wurde? Sehen wir nicht, wie es mehr und mehr Mode wird, den guten Roman dazu zu verwenden? Freilich mit dem Roman von Schmierowsky darf man einer bekannten Familie, der man eine Aufmerksamkeit erweisen will, nicht kommen, selbst wenn seinetwegen die große Trommel gerührt wird. Wir haben außerdem noch den Bücherliebhaber, der allerdings auch nur mit verständiger Auswahl kauft, und alle Jene, deren Bedarf ein so geringer ist, daß die Leihbibliothek sich für ihn nicht eignet In Summa fallen Letztere immerhin ins Gewicht. Lassen wir nun die Zahlen sprechen, welche der Bericht einer Sortimentsfirma in Leipzig im Magazin für Literatur aufstellt. Daselbst wurden abgesetzt von October bis inclusive Januar 1884 an Romanen: von Dahn 71 Bände, von Ebers 101, Eckstein >11, Frcytag 186, Hopfen 7, Marlitt 11, Keller 28 und Meyer 55 Bände. VonScheffel's Ekkehard wurden in derselben Zeit 60 Exemplare, von Spielhagen's Uhlenhans 20 und von Wolfs's Sülfmeister 35 abgesetzt. Wenn das in einer Buchhand lung binnen vier Monaten gekauft worden ist, so darf man wohl nicht behaupten, daß das Publicum keine Romane mehr kaufe. Die Beschränkung der Käufer auf wenige und gute Artikel und aner kannte Schriftsteller sollte indessen unseres Erachtens Wohl zur Vor sicht mahnen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder