204, I. September 1922. Fertige Bücher. (Aus dem Septemberheft der „Tat") der Deutsche als politischer Mensch hoffnungslos? ö 8 ö Ja, muß man antworten, denn er nimmt in seiner Michelhafligkett parteipolitische Schlag- wortc und Azitalionsphraftn ernst, und so ist er heute sanatistert (stehe den Ralbenaumord). Allerdings ist er es nur zum kleinen Teil, zum größten Peil ist er politisch völlig gleich gültig, er mag weder von äußerer noch von innerer Politik etwas hören, weil ihm das „die Au he nimmt", und so interessiert er sich sür innere werte (hauptsächlich künstlerische) und überläßt die Verantwortung sür sei» Vaterland jene», die zufällig an der Spitze stehen. „Zufällig" ist das richtige Wort, cs könnte auch irgend ein anderer Minister sein, »er mehr von seiner Partei vorgeschoben wäre. Der Minister ist ja nur „Beauftragter der Partei", wo soll ihm das Gefühl sür Verantwortung Herkommen, ebenso wie jenen Redakteuren der Zeitungen, die ihre Initiative von den Interessen des Konzerns, der finanziell hinter der Zeitung steht, vorgeschriebe» bekommen (;. B. die Stinncspresse, aber die nicht allein), wie viele psIitischeZeitungsredaktcure gibt es denn mitpersönlichem Verantwortungsgefühl? Die Antwort ergibt folgendes Beispiel aus meiner beruflichen Erfahrung, das ich der Gffent- lichkeit als typisch unterbreite. Im Iunt habe ich das Luch von A. H. Kober, Unter der Gewalt des Hungers in Rußland herausgebracht, bis heute na« drei Monaten tst mir mit einer Ausnahme keine Erwähnung dieses aktuellen und außerordentlichen Luches in den bürgerlichen Zeitungen trotzreichlichcrverscndung von Lcsprechungsstückcn vorgekommen, dafür haben cs aber die sozialistischen Zeitungen ausführlich und nni großer Begeisterung besprochen. Das Buch hat eine Vorgeschichte, die schon in die G ffentlichkeil durchgesickert ist, und darum ist cs nicht indiskret, wenn ich sie hier erwähne. Kober war längere ZeitFeuillelon- redakieur an einer führenden bürgerlichen Zeitung und wurde vom Verlag derselben im letzten Winter nach Rußland ins Hungergebiet geschickt, um über die dortigen Zustände zu be richten. Die wichtigsten Berichte ihres Griginaikorrespondcnten wurden von jener Zeitung ibren Lesern aber unterschlagen, weil der auö innerer Notwendigkeit des Erlebens gewonnene Standpunkt des Verfassers den Interessen des Verlages widersprach. Übrigens ist die Ein stellung Kobers nicht sozialistisch, sondern vom bürgerlichen Standpunkt aus rein objektiv aeieben. So ersubren die Leser der betreffenden?lciluna ni«l die wakrkeil über Rußland. Das Buch ist hier vorrätig! ö 8 ö Börsenblatt f. den Deutschen Buchhandel. 89 Inhraann