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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.04.1912
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1912-04-13
- Erscheinungsdatum
- 13.04.1912
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. 15, 13. April 1912 deckens die Erwartung einer unzüchtigen Abbildung ange regt wird, da es auf die Lüsternheit des Beschauers nicht an kommt. (Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern 5, 426; R.G. > 34, 285; Goltdammer Arch. f. Straft. 43, 115; 50, 137.) 11) Was sodann die Verteidigung in subjektiver Beziehung betrifft, so hat sich diese im allgemeinen in fol gender Richtung zu bewegen: I. Hinsichtlich des Inhalts. 1. Der Verfasser hat nicht die Absicht gehabt, ein un züchtiges Buch herzustellen, der Verleger, beziehungsweise der Buchhändler nicht die Absicht, ein unzüchtiges Buch zu ver breiten. Es ist durch nichts die Absicht bewiesen, daß durch das Buch schmutzige Geschäfte gemacht werden sollten: n) Dem widerspricht schon der hohe Preis des Buches. 1>) Das Buch ist auch der ganzen Art seiner Abfassung nach nicht etwa nur für bestimmte Leserkreise, z. B. nur für Jahrmarktspublikum berechnet. (R.G. 32, 421.) 2. Es ist aber auch dem Verfasser, dem Verleger, dem Buchhändler das Bewußtsein nicht zu unterschieben, daß das Buch unzüchtigen Charakters sei. In dieser Hinsicht ist im einzelnen folgendes geltend zu machen: a.) Der Verleger, beziehungsweise der Buchhändler — beide zusammen im folgenden kurz als »der Beschuldigte« be zeichnet — kennt den Inhalt des Buches nicht. Dies erscheint bei einem starken Betriebe ohne weiteres glaubhaft; beim Buchhändler kommt noch besonders hinzu, daß die Bücher, die er bezieht, meist broschiert, also nicht aus geschnitten sind, daß seine Lehrlinge oder Gehilfen die Bücher aus das Lager stellen, mit dem Preise auszeichnen u. a. m. Es ist auch anzunehmen, daß der Beschuldigte, wenn er den Inhalt des Buches gekannt hätte, dasselbe nicht verbreitet haben würde, da von jedem vernünftigen Menschen, der etwas auf Ruf und Ehre gibt, im Zweifel zu erwarten ist, daß ei nicht leichtfertig seinen guten Ruf aufs Spiel setzt. b) Der Beschuldigte kennt zwar den Inhalt des Buches, weiß aber nicht, daß ein derartiger Inhalt als »un züchtig« zu bezeichnen ist. Nach den inseinen Kreisen herrschenden Anschauungen nimmt er an, daß eine eingehende und freie Wiedergabe erotischer Szenen zur Schilderung des »Milieus« notwen dig sei und nicht gegen die allgemeinen Anschauungen über Zucht und Sitte verstoße. (Vgl. Wolfs, Was ist unzüchtig? Berlin 1909, S. 47.) e) Der Beschuldigte hat den Inhalt des Buches genau geprüft, findet vielleicht auch einige Stellen etwas stark aufge« tragen, hält aber trotzdem das Buch nicht für unzüchtig, da Bücher ähnlichen und sogar stärkeren Inhalts noch nie beanstandet worden sind. (I) Der Beschuldigte kann das Buch nicht für unzüchtig halten, da bereits eine Anzahl günstiger Rezensionen, beziehungsweise Sachverständigengutachten über das Buch vorliegen. s) Der Beschuldigte kann das Buch nicht für unzüchtig halten, da das Buch schon seit einer Reihe von Jahren unbehelligt verkauft worden ist. k> Der Beschuldigte kann das Buch nicht für unzüchtig halten, da das Buch durch ein früheres gerichtliches Urteil oder einen staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbe- schlutz für nicht unzüchtig erklärt worden ist. 3. Der beschuldigte Verleger hat auch nicht die Absicht gehabt, durch die Art der A u s st a t t u n g das Buch zu einem relativ unzüchtigen zu machen. Er hat aber auch nicht einmal das Bewußtsein ge habt, daß das Buch durch die von ihm gewählte Ausstattung zu einem relativ unzüchtigen werden könnte. II. Hinsichtlich der Verbreitung. 1. Der Beschuldigte hat gar nicht die Absicht gehabt, das Buch zu verbreiten. Er hat z. B. nicht gewollt, daß der einzige Empfänger das Buch unter das Publikum bringen sollte; es beruht dies auf einem Versehen des letzteren. 2. Der Beschuldigte hat auch nicht die Absicht gehabt, daß das Buch in der Weise verbreitet werden sollte, wie es tatsächlich verbreitet worden ist. Er hat das Buch insbesondere nicht durch Kolporteure oder in bestimmten Leserkreisen verbreiien lassen. Er hat also nicht gewollt, daß das Buch durch die Art der Verbreitung zu einem relativ unzüchtigen werde. Er hat aber auch nicht das Bewußtsein gehabt, daß das Buch durch eine derartige Verbreitung zu einem relativ unzüchtigen werden könnte. 3. Der beschuldigte Buchhändler hat das Buch im Schau fenster nicht derart ausgestellt, daß es dadurch unzüchtig wirken könnte. (R.G. 26, 370 ff.) Damit wären die Richtlinien, in denen sich die Verteidi gung gegenüber dem objektiven und subjektiven Tatbestände des 8 184 Ziffer 1 zu bewegen hat, im allgemeinen gekenn zeichnet. — Es ist aber noch ein Punkt, der freilich in der Regel über sehen wird, bei jeder Verteidigung in Sachen des Z 184 Ziffer 1 einer genauen Prüfung zu unterwerfen. Es ist dies die Frage der Verjährung. Durch den Eintritt der Ver jährung wird die Strafverfolgung ausgeschlossen. Das Vergehen nach 8 184 Ziffer 1 verjährt, soweit es durch die Presse, d. h. durch die Verbreitung begangen worden ist, nach ß 22 des Pretzgesetzes vom 7. Mai 1874 in 6 M o n a t e n. Die Verjährungsfrist ist von der letzten Verbrei tung s h a n d l u n g des jeweilig Beschuldigten bis zur ersten richterlichen Handlung, die gegen ihn unter nommen wird, zu berechnen. Die Verjährung beginnt gegen jeden Beschuldigten mit der von ihm selbst begangenen Hand lung, also für den Verleger mit der letzten Verbreitungshand lung des Verlags, für den Buchhändler mit der letzten buch händlerischen Verbreitung. Das Reichsgericht (R.G. 38, 71 ff.) hat außerdem ent schieden, daß auch diejenigen Akte, welche nach Beschaffenheit des Einzelfalls sich nur als V o r b e r e i t u n g s a k t e für die in unmittelbarem Zusammenhänge mit ihnen vorgcnommene Verbreitung der Druckschrift darstellen (Ankündigung, An preisung, Vorrätighalten zum Zweck der Verbreitung, Ver breitung durch Verkauf), und nicht minder unter der gleichen Voraussetzung die Herstellung der Druckschrift selbst, als solche unter die Norm des 8 22 des Pretzgesetzes fallen, also auch in 6 Monaten seit der letzten Verbreitungshandlung verjähren. Anhang. Die Verteidigung im objektiven Straf verfahren. Das Wesen des objektiven Strafverfahrens besteht darin, das; auf die Einziehung, Vernichtung oder Un brauchbarmachung von Büchern selbständig er kannt werden kann, wenn die Verfolgung oder die Verurtei lung einer bestimmten Person nicht ausführbar ist (§8 40—42 des Strafgesetzbuchs). Das letztere ist z. B. der Fall, wenn man des Verbreiters nicht habhaft werden kann, oder wenn man bei ihm nicht annimmt, daß er die Verbreitungshandlung im Bewußtsein von dem unzüchtigen Charakter des Buches vorgenommen habe, oder aber, wenn gegen ihn die Verjährung eingetreten ist.
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