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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.04.1912
- Strukturtyp
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- Band
- 1912-04-13
- Erscheinungsdatum
- 13.04.1912
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- Deutsch
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4618 vöri.-ublcm f. d Dltchn. Buchhandel. Fertige Bücher. 85, 13. April 1912. wiltfeber, -er Die Geschichte eines Heimatsuchers, von Herm! Neueste Urteile: Jranksnrter Zeitung: Unwillkürlich fallen einem die streitbaren Sprecher des biblischen Volkes ein, wenn man das Buch von Wiliseber, dem ewigen Deutschen liest. Ein merkwürdiges neues Buch. Eines, wie es nur alle zwanzig bis dreißig Jahre einmal geschrieben zu werden pflegt, von irgendeinem bisher Unbekannten zumeist, einem, der im Zorn den Mut findet, zu sagen, was er leidet und tausend andere mit ihm. Das aber scheint mir der Fall bei Hermann Burte, dem jungen Verfasser dieser Anklage wider den heutigen Deutschen, die gestellt ist, begründet und geführt im Namen des „ewigen" Deutschen, will sagen, dessen, der als unerlöstes Ideal aus der Vergangenheit in die Zukunft schreitet, weil er in der Gegenwart nicht Raum hat, noch haben kann. . . . Ich mag den Inhalt des Buches nicht genauer nacherzählen. Im Stoße, in irgendeiner spannenden Fabel ruht der Reiz und Wert eines solchen Buches ja nie; es ist eher merkwürdig, wie wenig Stofs der Verfasser braucht, um dem Leser seine Ideen über Gott, die Welt und das deutsche Jammertal in markigen Sprüchen einzuhämmern. Will er doch nichts geringeres, als den geistigen Gesamt gehalt der Zeit, des deutschen Tages gleichsam, in ein Epos schließen, das über alle kleine und kleinliche Wirk lichkeit hinausstrebt zum Symbol, zum Denkmal eines Be griffes vom Deutschtum, wie es ein Idealist in seinen ge hobenen Stunden sieht und im Alltage, mit dem er es kon trastiert, nie finden wird. Der Dichter — denn das ist er freilich in hohem Maße — entwirft also ein Leitbild, geschöpft aus den Tiefen einer Sehnsucht, die sich in den Tag verirrt hat und deshalb irr am Tage wird. Er schafft sich in Wiltfeber einen Über menschen, schön, stolz und kraftvoll, vergeistigt über die Mafien und dennoch von allen Sinnen trunken. Wie eine Wolken spiegelung zieht dieses Symbol des „ewigen Deutschen" vor über, sturmbewegt und zerrissen, ungreisbar, und doch voll seltsam anziehender Realität. Denn aus allen diesen Gedanken, Selbstgesprächen und Streitreden tönt ein Grundklang, strömt eine geistige Atmosphäre, die heute vorhanden ist bei uns; ein Unmut und eine Zornmütigkeit, die über der Leere des innerlichen Lebens sich träge und dunkel zusammengeballt haben wie Wetterwolken über der gedörrten Steppe. . . . Diesen Stimmungen oder besser Verstimmungen gibt das Bekenntnisbuch Hermann Burtes eine aufreizend kühne Bilder-Sprache. Es verschlägt nichts, wenn diese Sprache oft eine antithetische Sprüchelei im Stile des späteren Nietzsche ist; daß sie gewaltsam psalmodiert und mit Begriffen und Worten ein Phantasiespiel treibt, das alle Sprachinhalte durch einanderwirbeln macht zu neuen Bedeutungen und Bezie hungen hin. In dieser Sprachkraft, so eigensinnig sie häufig übers Ziel schießt, ist stärkste dichterische Be gabung, in dem Gesamtgehalt dessen, was sie vermittelt und bündig formt, ist eine nicht gewöhnliche Kraft geistigen Bekennens, spürt man eine Persönlichkeit, die sich eine wahrhafte Not von der Seele redet. Eine Not, die jung ist und schier verzweifelt, die blindlings um sich haut und allen wehe tun will, aber am wehesten sich selber ver wundet, wie der Wiliseber am Schluffe gestehen muß. Eine seelische Not, die denkt, wenn sie dichtet, und dichterisch sieht, wenn sie in Gedanken säumt und Psalmen klingen läßt. Es ist ein Sturmbuch der gärenden Jugend, diese sonderbare Urkunde von Wiliseber, dem Deutschen, der die Gegenwart verschlossen findet. Ein Sturmbuch, vielleicht ein Wetterzeichen am Horizont. Viele Leute werden nach ihm ausschaucn und Ärgernis an ihm nehmen. . . Das literarische Echo, Berlin: , . . Das alles sei zugegeben. Und doch steckt in diesem Buch mehr dichterische Kraft, mehr persön liches Leben als in so manchem Roman, gegen den sich kritisch kaum etwas einwenden läßt. Die Grundstimmung des Buchs ist etwa: leidenschaftliche Liebe zur Heimat, zum Deutschtum, eine aristokratisch-heroische Weltanschauung, glühender Haß gegen alles Kleine, Kleinliche und Philisterhaste. »! Verlag von Hiöeon 85. 13. April 1912. Fertige Bücher. vöffenblau f. d. Dljchn. Buchhandel. 4619 wige Deutsche nöurte. 2. Justage. !N. 4.-; gebunöen M. 5.- Damit verbindet sich eine elementare dichterische Bega bung, die immer wieder siegreich hervorbricht und alle Schwächen der Darstellung völlig vergessen läßt. Hier ist weit mehr als die gerade heutzutage so emsig kultivierte und von manchem mittelmäßigen Ingenium geschickt ausgeübte Kunst stimmungs voller Naturschilderung — hier ist ein tiefer Einklang zwischen der Natur und dem menschlichen Herzen, ein Einklang, wie er in letzter Linie fast das höchste Ziel jeder Kunst bildet und wie er nur bei den Auserwählten gefunden wird. Wenn es Burte — ein Pseudonym, hinter dem sich ein junger badischer Dichter verbergen soll — gelingt, seine Einsichten in das Wesen und die Zusammenhänge der Dinge und in die mensch liche Psyche zu Verliesen und seine noch unentwickelte und vielfach rudimentäre Technik in strenger Arbeit auszubilden, so wird man ihm eine künstlerische Zukunft mit nicht geringen Perspektiven prophezeien können. Denn der Kern seines Wesens ist von jener Echtheit, die allein die Gewähr des Erfolges in sich trägt, und sein dichterisches Schaffen zeigt durchaus das Gepräge der inneren Wahrhaftigkeit, der Not wendigkeit, die wir bei den meisten Produkten unserer lite rarisch so emsigen Gegenwart vermissen. Seine anderen Bücher, unter denen besonders die Patricia-Sonette — selt same und originelle Schöpfungen, in denen sich künstlerisch vollendete Erhabenheit mit bizarren Dilettantismen verbindet — hervorgehoben werden mögen, sind durchaus dazu angetan, diesen Eindruck zu bestätigen. Neben der bildnerischen Kraft ist es schließlich doch immer die geistige Leidenschaft, die den Dichter macht — und wo diese mit dem ganzen Ungestüm eines starken Temperaments an die Pforte der Erkenntnis pocht, da darf man sicher sein, daß ihr aufgetan werden wird. Tägliche Rundschau: Hermann Burte? Wer kennt ihn? Nur sehr wenige haben seine vor zwei Jahren erschienene Sonette „Patricia" gelesen und damals schon gerufen: blaes xostu! Und diese wenigen wiederholen jetzt den Rus: Siehe, ein neuer deutscher Dichter! Damit viele sich scharen um den Dichter des Romanes „Wiltfeber, der ewige Deutsche", damit alle Deutschen die furchtbare Anklage hören, die dieser junge, unbekannte Badener erhebt und ach! mit so viel Recht erhebt; Deutsche! so warnt er, vergeht eures Deutschtumes nicht! Ihr habt dem fremden Trieb in euch schon zu sehr nachgegeben! Wacht auf, wacht auf und besinnt euch aus euch selbst! Aber er klagt nicht nur an, er zeigt auch den Weg, den wir in den sozialen, politischen, geistigen, kulturellen, künstlerischen Bestrebungen, Kämpfen und Richtungen einschlagen müssen, den Weg, der zur Höhe, der uns zu uns selbst führt. Und er zeigt ihn ohne Rücksicht auf Parteienwesen und eigenes Schicksal, in außerordentlicher Männlichkeit und hochfahrender Leidenschaft, aus dem tiefsten Erleben heraus, mitleidend die Tragödie der Blonden, mit christlich-germanischer Erkennt nis- und Glaubenskraft. Und er wird dabei — er, der auf Glauben, Rasse und Macht schaut — nicht zum Partei menschen, weder zum Antisemiten noch zum einseitigen Gegen- wartsprophetcn, sondern er steht über den Dingen vermöge seines Künstlertumes, dessen Größe auch die Gegner seiner Weltan schauung in seinen Bann zwingen wird und dessen Leben fern ist von aller gewollten Pose, von allem äußerlichen Aristokratis- mus. Bei ihm herrscht innerste Notwendigkeit, innerste Einheit. Wiltfeber, der ewige Deutsche, heißt und ist der Heimat- suchcr, der, tiefer Tragik geopfert, seine Heimat nur in zwei Augenblicken wiederfindet, die gesuchte Heimat aber so ver ändert schaut, daß er verzweifelt zugrunde geht. Wiltfeber hat in langen Jahren in der Fremde das ewige Deutschtum erkannt, das er in der Heimat, im Kindheitsparadies, »och zu finden glaubt. Aber auch hier ist alles verloren, geopfert dem Götzen Materialismus, dem Gleichmachergeiste. Er erkennt, daß er allein steht, er, der eine Welt zu geben hat, mit der er die deutsche Welt wieder ausbauen kann und will. Aus der kleinlichen Welt der Einzelpolitik hebt sich nun das Werk heraus, hinaus in die Regionen reiner, aber deutscher Geistigkeit, in die Klarheit der Ideen- und Gesühls- lust, die um die Riesengipsel der Erlebnisse weht, in die Himmel deutscher Religiosität. Aus der Stofflichkeit ent- strebt dies Werk in die Welt des ursprünglichen Schaffens: ein Neuschöpfer ist der Dichter. Sarafin in Leipzig. -
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