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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.04.1912
- Strukturtyp
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- Band
- 1912-04-22
- Erscheinungsdatum
- 22.04.1912
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- Deutsch
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4964 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 92, 22. April 1912 stellungen im Schaufenster, durch die man das Interesse der Kundschaft immer in besonderem Maße herausfordern kann. Gewiß hat das bunte Sammelsurium mit dem Motto »Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen« auch etwas für sich, aber man darf nicht verkennen, daß ein Schaufenster, wenn cs ab und zu einmal einen bestimmten Charakter trägt, aus be stimmte Kreise auch eine ganz besondere Anziehungskraft aus- übt. Es ist ja selbstverständlich längst Brauch geworden, daß man zu Ostern eben Osterbilder, zu Weihnachten Weihnachts und Winterbilder in das Schaufenster tut, daß man bei patrio tischen Gedenktagen nicht versäumt, Bilder des Kaiser- und Königshauses und historische Darstellungen auszustellen, aber darüber hinaus läßt sich doch noch vieles tun, was aus diesen zur Gewohnheit gewordenen Erscheinungen herausfälll. Es lassen sich aus bestimmten Kategorien von Bildern sehr leicht Ausstellungen zusammenbringen, die, wenn sie auch klein sind, zufolge ihres geschlossenen Charakters erstens einen gewissen instruktiven Wert haben und beim Publikum nicht ohne Wider hall bleiben. Wie man mit Leichtigkeit eine Entwicklungs geschichte der Porträtmalerei vom 15. Jahrhundert bis heute zusammenstellen kann, so kann man auch ein Thema wie Die Musik in der bildenden Kunst, oder Die Darstellung der Arbeit in der Kunst in geeigneter Weise vorführen und damit dem Geschäft für 8 oder 14 Tage einen besonderen Reiz verleihen. Manche Handlungen, die über genug Raum verfügen, haben diese Versuche mit gutem Erfolge im Laden selbst angestellt; wo das nicht möglich ist, kann ruhig das Schaufenster genom men werden, zumal es noch nicht erwiesen ist, ob das nicht von ganz besonderer Wirkung ist und auch während der stilleren Zeit ein gewisses Interesse wachzuhalten vermag. Ganz gewiß darf bei dieser inneren Propaganda nicht unterschätzt werden, daß es gut ist, wenn immer etwas im Schaufenster oder im Kasten ist, was seine Zugkraft erwiesen hat, und der Wert des sogenannten Schlagers darf für eben die ruhigere Zeit nicht verkannt werden. Nur muß auch hier durch entsprechende Hinweise, durch schön und deutlich ge schriebene Zettel das Auge des Passanten angelockt werden Es gibt nur wenige Dinge und wenige Kunstwerke, die auf das kaufende Publikum durch sich selbst wirken. Wie in den großen Museen die Leute an dem vorüberlaufen, was ihnen nicht durch ein Schild verständlich gemacht wird, so hier erst recht. Wohl sieht jedermann, daß er eine Frühlingslandschasi vor sich hat, aber er will es dennoch lesen. Und wenn es sich gar um Darstellungen handelt, die nicht auf den ersten Blick verständlich sind, dann muß er den erklärenden Zettel erst recht haben. Er muß durch irgendeine Unterschrift, und sei sie auch noch so einfach und noch so banal, gewissermaßen animiert wer den. Die Kunst verkauft sich eben nicht von selbst. Wo dies der Fall ist, hat man es meistenteils nicht mit Kunst zu tun. Und deshalb muß der Kunsthändler mehr als jeder andere auf der Hut sein und auf Mittel und Wege sinnen, um seine Schätze dem Publikum in möglichst eindrucksvoller Weise vor zuführen und begehrenswert zu machen. Um die vielfachen Erklärungen des erwähnten herrlichen Bildes Himmlische und irdische Liebe von Tizian will es noch immer nicht Ruhe werden, und immer wieder tauchen neue Forschungsresultate auf, die die früheren Ergebnisse um stoßen. So bringt der Florentiner Gelehrte Professor Batelli einen neuen Kommentar, dem man sich bei aller solchen neuen Meldungen gegenüber gebotenen Reserve nicht verschließen kann. Er beruft sich auf einen Brief Pietro Aretinos, in dem dieser von einem Ausflug eine fesselnde Schilderung gibt, die merkwürdig mit dem Tizianbilde übereinstimmt. Äretino er geht sich unter Erwähnung verschiedener Einzelheiten, insbe sondere einer wundertätigen Quelle, die die Frauen der Um gegend aufsuchen, um Kindersegen zu erlangen, in einer be geisterten Schilderung der landschaftlichen Reize des Sees der Riviera von Salo und seiner Ufer, deren nimmerwelkenden Bllltenschmuck er preist. Mit besonderer Ausführlichkeit ver weilt Aretino bei der Erzählung von dem Liebesbrunnen, dessen Wasser die Frauen mit dem Saft der in der Nähe wach senden Zitronen zu mischen pflegten. Im Gemälde Tizians finden wir alle von Aretino beschriebenen Einzelheiten wieder. Die Landschaft mit dem üppigen Pflanzenwuchs, mit den in zarten Duft gehüllten Bergen und mit dem fernen Wasser spiegel des Gardasees. Der Boden ist mit Veilchen llbersät, und immergrüne Bäume strecken ihre Wipfel in die klare Luft. Auf dem Bergabhang sehen wir die Kaninchen, während in der Ebene Jäger die Hasen verfolgen. Das Liebespaar, das sich, auf dem Grasteppich hingestrcckt, zärtlich umarmt, er innert uns, daß wir uns im Reiche der Frau Venus befinden. Die Göttin ist begleitet von Cupido, der mit den Händchen im Wasser spielt und Wohl die Zitronen htncintaucht, um der Quelle den bitteren Geschmack zu nehmen. Das ganze Bild versinnbildlicht demnach die Liebe an den Quellen des Lebens. Eine blühende junge Frau, die wohl Mutterfreuden entgegen sieht, lauscht den Überredungen der Liebesgöttin. Der Brief Aretinos ist aus dem Jahre 1540, das Tiziansche Gemälde entstand spätestens 1516. Bei den freundschaftlichen Beziehnn- gen des berühmten Schriftstellers zu Tizian drängt sich die An nahme auf, daß dieser von den Absichten des Meisters bei der Komposition seines Werkes genau unterrichtet gewesen sein mutz. Wir haben also in diesem Schreiben wahrscheinlich ein Echo von Tizians eigenen Absichten und erfahren durch die Interpretation seines Freundes indirekt die Gedanken, die ihm bei dem Entwurf seines vielleicht herrlichsten Gemäldes, der sogenannten Himmlischen und irdischen Liebe, vorschwebten. Ganz überraschend kann diese neue Erklärung natürlich nicht kommen, denn die Deutungen, die dahin gehen, daß die junge Frau den Überredungen der Liebesgöttin lauscht, sind keines wegs zum erstenmal aufgetaucht, sondern haben schon vor Jah ren Verbreitung und Anklang gefunden. Immerhin bleibt der Nachweis des Dokuments hierfür in Gestalt des Briefes von Aretino ein ebenso wichtiger als erfreulicher Beitrag zur Ge schichte eines der schönsten Werke der Kunst aller Zeiten. Daß es trotz des erbitterten Kampfes, den die gute und preis haltende Kunstproduktion gegen die ins Ungemessene gehende Verbilligung kämpft, noch immer Verleger gibt, die den Mut finden, sich mit hervorragenden Kunstblättern an ein kauf kräftiges und wirklich kunstverständiges Publikum zu wenden, ist ein erfreuliches Zeichen dafür, daß der Kunsthandel noch nicht ganz auf den Hund gekommen ist. In einem meiner früheren Artikel war eingehender von den reichen und lukra tiven Absatzmöglichkeiten gesprochen, die die Schwarz-Weiß- kunst und besonders die Originalradierung dem Kunsthändler bietet. Deshalb sei heute mit besonderem Vergnügen auf ein seltenes schönes Werk der Radierungskunst hingewiesen, das der Hand des bekannten Worpsweder Meisters Hans am Ende entstammt. Über Hans am Ende an dieser Stelle viele Worte zu machen, ist Wohl unnötig. Man weiß, wie er, ein ebenso feinfühliger Künstler und Stimmungsmensch wie routi nierter Techniker, geschätzt ist, und wie gerade ihm der Kunst handel viele Blätter verdankt, die sich als Verkaufsobjekte ersten Ranges erwiesen. Sein neuestes Werk, das bei Ludwig Möller in Lübeck erschienen ist, heißt Feierabend und ist eine Radie rung außergewöhnlich großen Formats (65,5:90 am), wie es außer dem berühmten Joachim-Quartett von Fcrd. Schmutzer und dem Hirsch von E. M. Geyger nur wenige auf weisen. Ein einfacher, schlichter Naturausschnitt von geradezu bezwingender Größe und Tiefe der Auffassung ist hier mit der Radiernadel zu beinahe faszinierender Wirkung erhoben wor den. Ohne Zweifel muß das Blatt in einer würdigen Um rahmung einen ganz bedeutenden, ja monumentalen Eindruck auslösen, und es dürfte dem Kunsthändler, der mit einiger-
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