Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.05.1912
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1912-05-09
- Erscheinungsdatum
- 09.05.1912
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19120509
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191205096
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19120509
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1912
- Monat1912-05
- Tag1912-05-09
- Monat1912-05
- Jahr1912
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
5750 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 107, S. Mai 1912. Eines Tages wurde ich befohlen, mich bei einem hohen Herrn im bayerischen Hochgebirge zur Entgegennahme eines Auftrages zu melden. Die Angelegenheit war bald erledigt, das Wetter gut, sehr verlockend zu einem Bummel in para diesisch schöner Alpengegend. So bummelte ich denn in ein wundersames Seitental, vom Satan begleitet, der mir bei Annäherung an ein allerliebstes Pfarrdors die verrückte Idee einblies, eine Stichprobe auf die — Popularität meines Autornamens und des betesfenden, in dreißigtaufend Exem plaren verbreiteten, in jedem Alpenhause zu findenden Werkes zu machen. Nur der Teufel kann einen so albernen Gedanken ein slüstern. Und ich war so dumm, dem Teufel Gehör zu schenken, die Glocke des Pfarrhauses zu ziehen, der Widumshäuserin meine Visitenkarte zu geben und zu sagen, daß ich den Herrn Pfarrer zu sprechen wünsche. Satanas blieb selbstverständlich vor dem Pfarrhause stehen. Meine Wenigkeit aber wurde in ein ärmlich möbliertes Empfangszimmer geleitet. Mit sträf licher Neugierde erwartete der auf seine Popularität stolze Autor einen solennen, warmen Empfang, so was wie Jubel des meuchlings besuchten Pfarrers, der ja gemäß der Verleger behauptung das betreffende Werk in seiner Bibliothek, den Autornamen im Gedächtnis haben mutz. Mutz! Es dauerte enorm und unangenehm, nahezu verdächtig lange, bis Seine Hochwürden erschien. Ein Blick aus den Pfarrer erklärte die lange Wartezeit. Hochwürden hatte sich in Gala, in seinen besten Talar geworfen, der Pfarrer er schien im Festanzug mit Zingulum und begrüßte den Besucher mit einer verblüffenden Feierlichkeit. Unverkennbar super- lativer Respekt, eine Verbeugung, die für den Landesherrn nicht tiefer hätte sein können. Die Visitenkarte hielt der Pfarrer sozusagen mit Ehrerbietung zwischen zwei Finger spitzen. Und demütig bat der geistliche Herr, es wolle der hochverehrte Besucher die Gnade haben, Platz zu nehmen und zu sagen, womit der gehorsame Pfarrer von dienen könne. In diesem Moment grinste der Teufel durch das Zimmerfenster und nickte mir zu, jetzt die Stichprobe auf die Autorpopularität zu machen. Und das Flußpferd von Autor sprach: »Als Verfasser des in jedem Pfarrhause der bayerischen und österreichischen Alpen zu findenden Werkes (folgte der Buchtitel) will ich mich überzeugen, daß dieses Opus sich auch inIhrer Biblio thek befindet! Deshalb erlaubte ich mir, Ew. Hochwürden einen Besuch abzustatten!« Keine Spur von Popularität war zu erkennen. Dafür zeigte sich der Pfarrer enorm — abgekühlt, unverkennbar von Mißtrauen erfüllt, das sich in den Worten äußerte: »So stimmt also Ihre Person nicht mit der abgegebenen Visiten karte überein!« Jetzt fühlte ich mich enorm — abgekühlt. »Doch, Herr Pfarrer! Ich bin gewiß und wahrhaftig der Träger des Namens Arthur Achleitner, Titel und Rang stimmt ge nau; nur habe ich das Ernennungsdekret meines allergnädig sten Herrn zufällig nicht mitgenommen, die Urkunde befindet sich in meinem Schreibtische zu München! Der Name wird, ja — muß Ew. .Hochwürden bekannt sein!« Eiszapfig erwiderte derPfarrer, dessen forschende, stechend scharfe Blicke auf mich gerichtet waren: »Nein I Mir ist dieser Name ganz unbekannt! Was wollen S' denn eigentlich? Meine Zeit ist gemessen!« »Erlauben, Hochwürden I Kennen Sie das Opus . . . . wirklich nicht?« »Nein! Soviel ich merke, sind Sie lediglich — AgenI einer Buchhandlung! Und damit Sie den weiter Weg zu mir herein nicht vergeblich gemacht haben, will ich mich in Gottes Namen auf das mir unbekannte Buch abow nieren! Wieviel ist Anzahlung zu leisten?! Reden S'! Unk dann machen S', daß Sie außikommen!« Der gute Pfarrer zog umständlich die Geldbörse, fingerte einen Silber- ling heraus und legte ihn auf den Tisch. Ich lachte, daß mir das Wasser aus den Augen schoß. Krümmen mutzte ich mich vor Lachen, das in Heulen überging, als ich gewahrte, wie das Gesicht des nun verblüfften Pfarrers immer länger wurde und wie der Geistliche sich ängstlich der Türe näherte, um Hilfe herbeizurufen. Schluckend rief ich: »Keine Angst, Hochwürden! Ich bin nicht verrückt! Bin auch nicht — Agent einer Buchhandlung! Nur der Verfasser des in Ihrem Pfarrhause nicht vorhande nen Werkes .... bin ich! Und kuriert bin ich, befreit von jeglicher Einbildung! Herzlichen Dank! Die Stichprobe ist glänzend — mißlungen! Nach Rückkehr nach München werde ich mir erlauben, für Ihre Bibliothek ein Exemplar meines »populären Werkes« zu senden! Kostet selbstverständlich nichts, keinen Pfennig! Werde diese köstliche Viertelstunde lebenslang nicht vergessen! Ergebenster Diener, Herr Pfarrer!« Wie zu Stein erstarrt stand der Geistliche. Fassungslos, mit weitgeöffneten Augen. Ins Freie gelangt, lachte ich mich satt. Satanas hatte sich verflüchtigt. . . . Andern Tages schickte ich dem Pfarrer das versprochene Exemplar und ein Brieflein dazu, dem ich mein Bild als Legitimation beilegte. Rührend war die Antwort. Ein herz erquickender Dank, eine köstliche Entschuldigung für das an den Tag gelegte Mißtrauen und für die gräßliche Bewertung meiner Person als — Agent einer Buchhandlung. Sehr frei gebig war der gute Pfarrer mit zoologischen Namen für seine Person, so freigebig, daß ich den Priester brieflich bat, die Episode rein von der komischen und lustigen Seite zu nehmen. Zumal mir wegen meines Popularitätsdllnkels völlig recht geschehen sei Ich glaubte mich infolge dieser drolligen Episode gründ lich kuriert. Etwa zehn Jahre vergingen ohne — Stichprobe auf die Popularität. Eine Dekade emsigsten Schaffens im Gefühle Bismarckischer »Wurschtigkeit« gegen jegliche Popularität. Eines Tages hatte ich zum Dämmerschoppen in meiner Rauch- alias Arbeitsstube liebe Gäste, ausgezeichnete Wein zungen mit vortrefflichem — Riechvermögen. Die zwei Freunde »riechen« es, wenn mir norddeutsche Verehrerinnen meiner ^ Werke zur — Geisteserfrischung etliche Pullen köstlichen Rhein weins nebst Importen senden. Ist so 'ne Weinkiste im Hause ' angelangt, erscheinen todsicher die zwei »seinnasigen« Freunde. Selbstverständlich dürfen sie mitschlecken und mitrauchen. Zu knapper» gibt es natürlich nichts. Genau wie bei Raabe selig! Also eines Abends beim Schöppeln erzählte einer der Freunde davon, daß er kürzlich in seiner Heimat, in einem ^ oberbayerischen Landstädtle weilte, wo am Honoratiorentische des ersten Gasthauses überraschenderweise von einigen meiner Werke die Rede war. Es wurde gelobt, aber auch heftig ge tadelt. Und ein beredter Verteidiger sei dem Verfasser cr- ! standen im Buchdruckereibesitzer des Städtles, der auch ein Lokalblättle herausgibt. Ein »begeisterter« Verehrer, der sich ! rühmte, alle die auf hundert Bände angeschwollenen Werke »gelesen« zu haben. ^ Dieses Referat wurde mit schallendem Gelächter aufge- ^ nommen. Auch der Referent lachte herzlich mit und pro- ponierte einen Ulk. Es wurde vereinbart, eine soeben voll endete, sehr gut gelungene Novelle textlich in der Weise ab zuändern (in der Abschrift), daß der Schauplatz in das Städtle verlegt wurde, um im Blättleverleger ein besonderes Lokal interesse zu erwecken und den »begeisterten Verehrer« zu ver anlassen, die Novelle zum Abdruck zu erwerben. Als Hono-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder