Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.03.1876
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- 1876-03-15
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- 15.03.1876
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Verhältnisse seines Freundes rechte Hand war. Daß er den Promo tionsschmaus gibt, daß er Bürger ein ihm gehöriges Haus für eine Spottmiethe zuweist, berichtet uns unser Material. Selbstverständlich hört der Briefwechsel zwischen beiden Freunden, jetzt, wo sie dieselbe Stadt als Wohnort theilcn, auf. Wir haben dies beinahe nicht zu bedauern. Denn während bei Dieterich als natürliche Folge des Alters die frühere Frische erstirbt, wird Bürger, der nach kurzer Ehe auch seine Molly verliert, durch Sceleulcid und Krankheit mehr und mehr grillig und mißgestimnit. Unter solchem Drucke erlahmt auch seine Productionsfähigkcit. Dennoch geht aus mehr als einer Stelle Bürger'scher Briefe hervor, daß beide ein freundschaftlicher, intimster Verkehr besonders die ersten Jahre der Göttinger Docentcnlaufbahn verband. Als er nach dem Tode seiner zweiten Frau, der Bürger ins Innerste traf, sich mit Wegzugsgcdanken trägt, schreibt er am 30. Januar 1766 an seine Schwester: „Die Dieterich'sche Familie läßt nochmals herzlich grüßen. Der alte Herr kann sich nicht darüber zufrieden geben, daß ich nach Ungarn will und knurrt mir die Ohren so voll,' als stände ich schon auf dem Sprunge, morgen abzureisen. Er wäre im Stande gleich selbst nach Hannover zu reisen und für meine Hicrbehaltung zu sollicitire». Er sagt: Er wolle nicht rnhn nnd nicht rasten, alle seine Patrone in Bewegung zu setzen und wenn alles nicht hülfe, mich lieber aus seiner Tasche salariren, als mich sortlassen. Das Haus worin ich wohne, hat er mir heute schon wieder zum Geschenk angcbotcn. Du weißt doch, daß er schon längst einmal sagte, er wolle es mir vermachen? Wenn ich ein bischen mehr Unverschämtheit hätte, so wäre es ein leichtes noch heute Brief und Siegel über diese Schenkung zu er halten. So viel ist gewiß, daß der alte Knabe mit Leib und Seele an mir hängt." Bürger's letzte Jahre bieten das schmerzliche Schauspiel eines allmählichen Untergangs. Seine dritte Ehe mit Elisa Hahn richtet seine Verhältnisse gänzlich zu Grunde. Ihre Verschwendung nimmt ihm was er noch hatte. Fortwährend ist er in Geldverlegenheiten, und das Verpflichtnngsvcrhältniß, in das er dadurch zu Dieterich gekommen sein mag, wird ihn gedrückt haben. Anderseits scheint Dieterich seiner Frau nicht hold gewesen zu sein und so von beiden Seiten, mehr aber durch die Verhältnisse veranlaßt, kam es zu einem Zerwürfniß im Jahre 1791, von welchem uns zwei lange Bürger'- sche Briefe Zeugniß geben. Ich erspare es mir um so lieber, auf diese Entzweiung, die das Gesammtbild eines so schönen Verhält nisses trübt, näher einzugehen, als sie sich schließlich doch als auf Aeußerlichkciten und Mißverständnissen beruhend erweist. Als Be weis dafür sei nur der Schluß des zweiten jener Briefe hier ange führt, in welchem Bürger selbst versichert: „Uebrigens sind und bleiben meine Gesinnungen für Dich und Dein Haus beständig von der Art, daß ich mich weder vor Gott noch Menschen derselben zu schämen Ursache habe. „Eines solchen Briefwechsels nnt Dir wäre ich von Herzen gern überhoben gewesen. Aber was sollte ich anders thnu, da Du der erste gewesen bist, der mir seine persönliche Gegenwart auf eine Art entzogen hat, die ich doch nicht freundlich nennen kann. Ich habe Dir dazu keinen Anlaß gegeben. Dein aufrichtig ergebener Freund B." Und in demselben alten Geiste ist auch der Brief gehalten, den wir vom 3. Octobcr datirt als zweiten der ganzen Sammlung von Dietcrich's Hand haben. Doch selbst wenn wir dieses Zeugniß nicht hätten, so ist uns auch von anderer Seite dafür gebürgt, daß Dieterich sich seinem alten Freunde, dem er in dessen guten Tagen so manche frohe Stunde, so manche gute Einnahme zu verdanken gehabt, auch in den trüben Tagen seines Lebens treu und echt bewährt hat. Es ist ein trübes Ende, das wir ein Leben nehmen sehen, das so reich war an Seg nungen, die es sich und Anderen gebracht, und cs ist ein traurig Bild, wenn wir den Dichter, dessen Lebensmotto das „Laßt uns leben, Geliebte, laßt uns lieben" Horazeus war, einsam, von seiner Frau verlassen, die ihm die Ehe gebrochen, in seinen Hoffnungen getäuscht, ans deren Erfüllung er Anwartschaft hatte, siech au Seele und Körper dahinstcrbcn sehen im schönste» Mannesalter. Ein Trost aber ist es für uns, wenn wir wahrnehmeu, daß sein alter Freund nnd Ver leger Dieterich treu bei ihm nnsharrt und seiner sich annimmt. In der Briefsamm lung, die G.Waitz unter dem Titel „Caro line" herausgegeben, schreibt Caroline Böhmer, die spätere Gattin Schelling's:... „Er (Bürger) hat die Auszehrung — wenn ihm der alte D (ietrich) nicht zu essen gäbe, er hätte nichts, nnd dazu Schulden und unversorgte Kinder. Armer Mann!" Am 8. Juni 1794 starb er. Unter Denen aber, die ticfbctrübt seinen Sarg mit frischem Lorbccrreis schmückten und an seinem Grabe ihm die letzte Ehre erwiesen, wird Wohl der „alte Dieterich" ge wesen sein, der ihn noch sechs Jahre überlebte. Antigua oder Fractur? VI.*) Der kürzlich von neuem zur Besprechung gebrachte Vorschlag, die deutschen Lettern durch die lateinischen zu ersetzen, so berichtet die Kölnische Zeitung, hat im Auslande den vorauszusehendcn An klang gefunden. Die Londoner „Pall Mall Gazette" beginnt einen Artikel, der diesen Gegenstand behandelt, mit den Worten: „Es wird den Vielen, für die das Lesen deutschen Druckes eine harte Prüfung sowohl der guten Laune wie der Augen ist, von Interesse sein, zu erfahren, daß das bedeutendste Organ der preußischen Presse, die »Kölnische Zeitung«, für die Einführung der lateinischen an Stelle der deutschen Druckschrift eintritt." Es folgt hierauf ein reichhal tiger Auszug aus dem Aufsatze, durch welchen der betreffende Vor schlag von uns begründet wurde (Nr. 48). Eine sehr eingehende Behandlung widmet „Daily News" die ser Sache. „Es scheint Hoffnung vorhanden", sagt sie, „daß eine Reform von großer praktischer Bedeutung sich in Deutschland voll ziehen wird. Die »Kölnische Zeitung« hat ihren Einfluß auf die Seite einer freisinnigen Bewegung gestellt, welche fast der Eröffnung Japans für das Ausland verglichen werden kann. Es handelt sich um nichts Geringeres, als um die Annahme der lateinischen Druck schrift und hoffentlich auch Handschrift. Es bedarf kaum der An deutung, daß das eivilisirtc Europa Deutschland und insbesondere den Freunden dieser Reform großen Dank schulden würde. Frank reich, Italien und England briirgen allerdings so gute Bücher her vor wie Leipzig, Hannover und Berlin, aber wir können doch ohne die deutschen Bücher nicht wohl fertig werden. Die deutsche Schrift aber gibt der Versuchung, an der deutschen Wissenschaft vorbci- zugehen, eine besondere Stärke. Die Druckbuchstaben sind knorrig, verzwickt, spitzig, abstoßend. Jeder hat eine Familienähnlichkeit mit irgend einem andern, und viele sind so vollgespickt mit kleinen Dor nen, daß sie dem Auge wirklich wehe thun. Das kleine k zum Bei spiel ist so zackig wie die Kriegskcule eines Südsec-Jnsulaners; das kleine s nnd f kosten dem Ausländer, der Deutsch lernt, manche mühselige Reife durchs Wörterbuch, B nnd V führen zu verhäng- nißvollen Verwechslungen. Nätürlich lernt durch beständige Hebung der Fremde seinen Weg in dem Alphabet, aber auf Kosten seiner Zeit, seiner Augen und wohl auch seiner guten Laune. Ihm kommt cs nicht zu gute, was ein Ergcbniß des nationalen Charakters der Deutschen zu sein scheint. Nirgendwo sieht man so viele bebrillte Leute, wie in Deutschland, und da die allgemeine Schwachsichtigkeit keiner physischen Entartung zugefchrieben werden kann, so nimmt *) V. S. Nr. 60. 128*
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